Kommentar
07:15 Uhr, 28.05.2018

Regierungsbildung in Italien gescheitert

Staatspräsident Sergio Mattarella bringt die Regierungskoalition aus der Lega und der 5-Sterne-Bewegung zu Fall. Der Euro reagiert erholt.

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Der designierte Ministerpräsident Giuseppe Conte ließ am Sonntag seine Ministerliste absegnen, stieß jedoch auf ein Veto von Mattarella. Alle Vorschläge wurden akzeptiert, bis auf den Kandidaten für das Wirtschaftsministerium

Paolo Salvana heißt der Mann, ein ausgewiesener Euro-Gegner. Nicht nur das, mit ihm wäre auch ein mehr oder weniger offener Feind Berlins Minister geworden.
In seiner Autobiographie schrieb er, Deutschland habe die Vision seiner Rolle in Europa seit dem Ende des Nationalsozialismus nicht verändert, sondern allein die Idee aufgegeben, sie militärisch umzusetzen.

Giuseppe Conte ist damit gescheitert, letztlich an einer Personalie.

Matteo Salvini, der Chef der Lega, wollte Salvana nicht aufgeben. Er deutete das Geschehen so: "Wir dürfen keinen Minister haben, der Berlin nicht gefällt. Wenn aber dieser Minister gewissen starken Mächten auf die Nerven geht, die uns massakriert haben, dann heißt das, dass er der Richtige ist."

Interessant ist, dass Salvana schon mal Minister unter Ciampi war, das war allerdings vor dem oben zitierten Buch.

5-Sterne-Chef Di Maio will nun über ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Staatspräsidenten Mattarella diskutieren. Das ist laut Verfassung zwar möglich, aber nur in zwei Fällen, Hochverrat und groben Verstöße gegen die Verfassung. Es dürfte unmöglich sein, diese Tatbestände nachzuweisen. Tatsächlich reagierte Mattarella sehr besonnen und verhinderte einen Minister, der Italien womöglich aus dem Euro und Europa ins Chaos geführt hätte. Dafür sollte man ihm eigentlich dankbar sein.

Nun wird es wohl eine Übergangsregierung geben.

Der wahrscheinliche Kandidat heißt Carlo Cottarelli und wird heute auf dem Quirinalshügel erwartet.

Als ehemaliger Direktor im Internationalen Währungsfonds (IWF) genießt er Respekt Ansehen in der Finanzwelt - und hat bereits Vorschläge unterbreitet, wie der notorisch ineffiziente italienische Staat moderner und schlanker werden kann.

Man erwartet von ihm vor allem eine Beruhigung der Märkte

Beim Euro ist eine kleine Erleichterung schon zu beobachten.

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Großes darf man aber nicht erwarten. Das geben die Mehrheitsverhältnisse im italienischen Parlament nicht her. Aber immerhin: bis zu Neuwahlen im Herbst gäbe es wenigstens eine Regierung. Dann werden wieder alle bangen.

Und so wird es weitergehen. Der Euro ist im Grunde eine Fehlkonstruktion, die wegen der nötigen Prozesse kaum korrigiert werden kann. Aber die Trennung der Partner ist aus diversen Gründen auch de facto nicht machbar. Er ist wie eine mittelmäßige Ehe, die nicht geschieden werden kann, weil die Konsequenzen unabsehbar sind. Also bleibt man zusammen und hangelt sich von Hochzeitstag zu Hochzeitstag...

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58 Kommentare

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  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    Italien kann man nur noch flächendeckend bombardieren und neu aufbauen - sagt mein Schwager aus Kalabrien. Wer als schlecht geführtes Land meint eine Währungsunion verlassen zu können ist schief gewickelt. Dasjenige Land das es tut bombt sich zurück in die Steinzeit. Die einzigen Länder die eine Währungsunion verlassen können sind die Starken.

    23:15 Uhr, 29.05.2018
  • The Secessionist
    The Secessionist

    Wirtschaftsnobelpreistraeger!

    Paul Krugman zeigt sich heute auf Twitter entsetzt über die Entscheidung Italiens, die Regierungsübernahme einer demokratisch legitimierte Regierung zu blockieren. Das Vertrauen in die europäischen Institutionen leide aufgrund des demokratischen Defizits bereits jetzt, und werde durch diese Entscheidung weiter beschäd…

    Kurznachricht –15:20

    20:06 Uhr, 28.05.2018
    1 Antwort anzeigen
  • The Secessionist
    The Secessionist

    Exane: Produktionskosten im verarbeitenden Gewerbe würden in Italien nach Euro-Exit sinken und damit den Standort attraktiver machen.

    16:30 Uhr, 28.05.2018
    1 Antwort anzeigen
  • The Secessionist
    The Secessionist

    Ihre Interpretation von Wahlentscheiden und deren Koalitionsentwicklungen mit personellen Nominierungen , und ersetzens durch Mitglieder der Hochfinanz im Schafspelz ,iwf cottarelli , ( mal sehen wieviel Ex Goldmaenner er sich ins Kabinett holt 😈) laesst tief in ihre Gesinnung blicken !! Mir laeuft es kalt den Ruecken runter......

    16:16 Uhr, 28.05.2018
    1 Antwort anzeigen
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Eine interessante Entwicklung, vor allem in der längerfristigen Perspektive:

    Die wachsende EU- und Euroskepsis, die ja erst zu dem italienischen Wahlergebnis geführt hat, wird ja nicht über Nacht verschwinden, nur weil in Italien vorerst wieder die Technokraten regieren.

    Das genaue Gegenteil ist zu erwarten: Weil aktuelle Entwicklungen künftige Trends ankündigen, darf man für die Zukunft der europäischen Einheitswährung ruhig äußerst pessimistisch sein:

    Euroskeptische und EU-feindliche Tendenzen werden in ganz Europa mit gutem Grund immer offensichtlicher - und je mehr Zeit verstreicht ohne irgendeinen Lösungsansatz, desto teurer wird es am Ende...

    Doch weil Politiker in Legislaturperioden denken, glauben sie, auch das Europroblem aussitzen zu können.

    Eine fatale Psychofalle, wie die Zukunft zeigen wird...

    13:20 Uhr, 28.05.2018
    2 Antworten anzeigen
  • The Secessionist
    The Secessionist

    Vielen Dank Herr Huber ! Auch mal schoen fuer mich" Nicht Einer gegen Alle " zu spielen !! 😉

    12:27 Uhr, 28.05.2018
  • feloh
    feloh

    Das Thema mit den Target 2 Salden.

    Als Schuldner hätte ich aktuell kein Interesse an Abschreibungen der Gläubiger. Ganz im Gegenteil. Das Spiel spielen solange es geht.

    Ob dann später 1 Bio. oder 2 Bio. stehen ist dem Schuldner Wurst. Er geht in ein Verfahren und andere haften. Der Gläubiger schreibt ab und irgendjemand wird bezahlen. Wer das wohl sein wird?

    Oder verstehe ich das falsch?

    10:36 Uhr, 28.05.2018
    1 Antwort anzeigen
  • einfach
    einfach

    der euro ist eigentlich das beste das italien passieren konnte, warum ? weil den politikern mit dem euro der weg des geringsten wiederstands genommen wurde und zwar der währungsabwertung.

    nur um ja nichts in der gesellschaft zu verändern, nichts anderes sind von der politik ausgerufene währungsabwertungen.

    währungsabwertungen sind immer der letzte ausweg der mutlosen.

    nein nun müssen sich die politiker etwas von anderen (denn ihnen fällt ja sowieso nichts ein) einfallen lassen ohne zuviel ihrer pfründe aufzugeben.

    gerade der letzte punkt ihrer gewohnten pfründe, macht es für andere sehr schwierig ihre ideen auf fruchtbaren boden zu pflanzen.

    der italienischen bevölkerung bleibt nun nichts anderes übrig als sich so lange an die wahlurne zu stellen bis eine partei die absolute mehrheit hat.

    10:32 Uhr, 28.05.2018
    2 Antworten anzeigen
  • netzadler
    netzadler

    es wird keine lösung der euro krise geben, ohne das Deutschland zahlt.

    Deutschland sitzt eindeutig am kürzeren hebel

    09:47 Uhr, 28.05.2018
  • The Secessionist
    The Secessionist

    Ein Ecu als Einheitswaehrung und nationale Wahrungen ,+ doppelte Auspreisung in Europa . So einfach waers gewesen ............. Und alle waeren noch Freunde in Europa! Aber sie wollten lieber Hass und Zerfall ,nun den haben sie jetzt ! Congratulations 👏👏👏

    09:40 Uhr, 28.05.2018
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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