Fundamentale Nachricht
14:16 Uhr, 28.11.2019

Russland und sein Kondensat-Problem

Moskau setzt die Drosselungs-Vorgaben im Förderpakt der OPEC+ nur unzureichend um. Das liegt auch daran, dass ein Öl-Nebenprodukt bei der Gasförderung, Kondensat, mit in die Produktionszahlen aufgenommen wird. Andere Länder machen das nicht. Russland will diesen Punkt auf dem OPEC-Treffen zur Sprache bringen.

Wien (Godmode-Trader.de) - Russland will nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters seine Partner in der Allianz OPEC+ auf dem Treffen kommende Woche in Wien auffordern, die Produktions-Berechnungsmethode anzupassen. Seit drei Jahren drosseln die OPEC- und 13 Nicht-OPEC-Staaten ihre jeweilige Ölproduktion, mit dem Ziel, den Markt auszugleichen und die Preise zu stützen. Das Problem: Russland setzt die Vorgaben nur unzureichend um. Ein Grund dafür soll die Methodik zur Produktionsumfang sein.

Im Gegensatz zu Saudi-Arabien und anderen OPEC-Produzenten nimmt Russland Kondensat - eine hochpreisige leichte Art von Rohöl, die hauptsächlich ein Nebenprodukt der Gasförderung ist - in seine Rohölförder-Daten mit auf. In der Vergangenheit hat dies für Moskau keine sonderlichen Umstände bedeutet, aber mit der Inbetriebnahme neuer Gasfelder in der Arktis und Ostsibirien und der Eröffnung einer neuen Gaspipeline nach China steigt die Gaskondensat-Produktion.

Im Endeffekt führt dies dazu, dass die Russen ihre Quote im Rahmen des von der OPEC und Nicht-OPEC-Produzenten geschlossenen Abkommens nicht einhalten können, was sie aber unbedingt vermeiden möchten, berichtete Reuters unter Berufung auf russische und OPEC-Quellen. „Russland wird die Kondensatproblematik auf der Dezember-Sitzung definitiv zur Sprache bringen, da seine Produktion weiter wächst, sagte eine der Quellen. Russland sei dazu praktisch gezwungen, das Problem anzusprechen.

Fraglich bleibt, ob Russland andere Vereinbarungen (bspw. der Verlängerung der Föderbeschränkungen) mit der OPEC davon abhängig machen könnte, dass die OPEC einer veränderten Moskauer Quote zustimmt. Die Debatte könnte jedoch das Treffen der OPEC weiter verkomplizieren, das bereits mit dem Börsengang des saudischen Ölriesen Saudi Aramco zusammenfällt. Der russische Energieminister Alexander Nowak sagte am Mittwoch, dass das OPEC+-Treffen über die Anpassung der Ölförderquoten diskutieren könnte, dieser Punkt aber noch nicht auf der Tagesordnung stehe.

Russland hat im September ein großes ostsibirisches Feld eröffnet, um seine neue Gaspipeline nach China zu speisen. Der russische Riese Gazprom, der ein Drittel des europäischen Erdgases liefert, sieht sich im Winter ebenfalls einer höheren Nachfrage aus Europa gegenüber. Da Gazprom in diesem Winter europäische Kunden mit Rekordvolumen beliefert, ist Gazprom auch gezwungen, mehr Kondensat zu produzieren. „Es ist schwierig, einen höheren Gasausstoß zu erreichen, ohne den Ausstoß von Kondensat ebenfalls zu erhöhen“, sagte die russische Quelle zu Reuters. „Im Wesentlichen kommt also Kondensat aus unserem Gas, nicht aus unserer Ölindustrie. Wenn man versucht, die Kondensatproduktion zu reduzieren und gleichzeitig die Gasproduktion zu steigern, beeinträchtigt dies das Profil der Felder erheblich“.

Russland hat seine Rohölproduktion seit 2017 zur OPEC-Politik aktiv reduziert, um trotz der boomenden US-Produktion die Preise zwischen rund 50 bis 70 US-Dollar je Barrel zu halten. Für 2019 hatte sich Moskau bereit erklärt, seine Ölproduktion um 228.000 Barrel pro Tag auf rund 11,18 Mio. bpd zu reduzieren. Laut Reuters-Berechnungen hat die russische Produktion in diesem Jahr allerdings durchschnittlich 11,25 Mio. bpd betragen, was bedeutet, dass das Land etwa 70.000 bpd mehr produziert als das Abkommen mit der OPEC zulässt. Der größte Teil der Überproduktion entfalle allerdings auf Gaskondensat, dessen Ausstoß im Januar-Oktober 2019 um 4 Prozent auf rund 770.000 bpd angestiegen ist, berichtet Reuters unter Berufung auf russische Energiedaten. Im Vergleich dazu produzieren die Vereinigten Arabischen Emirate rund 700.000 bpd Kondensat, während Saudi-Arabien und Nigeria jeweils rund 400.000 bpd erzeugen.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

Mehr Experten