Fundamentale Nachricht
16:15 Uhr, 02.07.2020

Russland und sein ewiger Präsident

Die Russen öffneten die Tür dafür, dass Wladimir Putin bis 2036 an der Macht bleiben kann, indem sie mit überwältigender Mehrheit für Verfassungsänderungen stimmten, die es ihm erlauben, zweimal für das Präsidentenamt zu kandidieren. Kritiker sprachen von Manipulationen bei der Abstimmung

Moskau (Godmode-Trader.de) - Laut dem offiziellen Ergebnis nach Auszählung aller Stimmen zur Wahl der Verfassungsänderung kann der ehemalige KGB-Offizier Wladimir Putin, der Russland seit mehr als zwei Jahrzehnten als Präsident bzw. Premierminister führt, mit deutlicher Mehrheit das Recht für sich beanspruchen, für zwei weitere sechsjährige Amtszeiten zu kandidieren, wenn die derzeitige im Jahr 2024 endet. Das bedeutet, dass der 67jährige bis zum Alter von 83 Jahren an der Macht bleiben könnte.

Die Zentrale Wahlkommission berichtete, 77,9 Prozent der ausgezählten Stimmen hätten sich für eine Verfassungsänderung ausgesprochen. Etwas mehr als 21,2 Prozent hätten dagegen gestimmt. Ella Pamfilova, die Leiterin der Kommission, teilte mit, die Abstimmung sei unter Wahrung von Transparenz abgelaufen und die mitwirkenden Wahlhelfer hätten alles getan, um Recht und Ordnung zu gewährleisten. Die Wahlbeteiligung lag bei 65 Prozent.

Der Oppositionspolitiker Alexej Navalny vertrat hingegen eine andere Auffassung und bezeichnete die Abstimmung als "unrechtmäßige und illegale Show", mit der Putins Präsidentschaft auf Lebenszeit legalisiert werden solle. „Wir werden dieses Ergebnis niemals anerkennen", sagte Navalny seinen Anhängern in einem Video. Die Opposition werde vorerst nicht wegen der Coronavirus-Pandemie protestieren, sondern dies im Herbst in großer Zahl nachholen, wenn ihren Kandidaten die Teilnahme an Regionalwahlen untersagt oder Ergebnisse gefälscht würden, sagte Navalny. „Was Putin am meisten fürchtet, ist die Straße. Er wird nicht gehen, bis wir anfangen, zu Hunderttausenden und Millionen auf die Straße zu gehen“.

Die Russen waren ermutigt worden, Putins Machtwechsel zu unterstützen, der von Kritikern als Verfassungscoup bezeichnet wurde, mit Gewinnspielen, bei denen Wohnungen angeboten wurden, und einer Werbekampagne, die andere Verfassungsänderungen im selben Reformpaket hervorhob, wie etwa den Rentenschutz und ein De-facto-Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen.

Putin erwähnte in einer Rede am Dienstag nicht, wie sich die Veränderungen auf seine eigene Karriere auswirken könnten. Er sagte lapidar, er müsse noch über seine Zukunft nachdenken und dann entscheiden. Analysten zufolge könnte sich Putin in der Tat alle Optionen offen halten, um nicht zu einer „Lame Duck“ zu werden.

Da Russland jeden Tag Tausende neuer Covid-19-Fälle meldet, war die Opposition nicht in der Lage, Proteste zu veranstalten. Eine kleine Gruppe von Aktivisten inszenierte am Mittwochnachmittag aber einen symbolischen Protest auf dem Roten Platz in Moskau.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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