Kommentar
08:24 Uhr, 29.07.2015

Rohstoffsektor: Wie schlimm ist es wirklich? Teil II

Fallende Rohstoffpreise, hohe Schulden und geringes Einsparungspotential – Rohstoffunternehmen haben viele und große Probleme. Der ganze Sektor wird daher von den Medien bereits abgeschrieben. Viele sehen darin ein Zeichen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für den Einstieg gekommen ist.

Hier geht es zu Teil I des Artikels

Bilanzstärke erodiert

Wenn Massenmedien wie die Bild Zeitung davon sprechen, dass Rohstoffe wie Gold nichts mehr wert sind und Panik schüren, dann ist das ein guter Kontraindikator. Die Indikation deutet momentan auf einen kurzfristigen Rebound hin. Mehr wird das jedoch nicht sein. Für eine langfristige Trendwende ist es noch zu früh, denn Panik hin oder her, die Fundamentaldaten geben einfach noch keinen Anlass an eine Trendwende zu denken.

Grafik 1 zeigt wie sich die Verbindlichkeiten aus Fremdkapital in den vergangenen Jahren entwickelt haben. Das Bild ist relativ eindeutig. Seit 2002 sind die langfristigen Schulden um den Faktor 6,6 gestiegen. Im gleichen Zeitraum stieg der Umsatz um eine Faktor von 4,5. Immerhin steht das operative Ergebnis derzeit noch 7,2 Mal höher als 2002. Akute Sorgen, dass die Schulden nicht mehr bedient werden können, muss man sich nicht machen.

Auch kurzfristig ist es unwahrscheinlich, dass Schulden wegen Liquiditätsproblemen nicht bedient werden können. Das mag nicht für jedes einzelne Unternehmen gelten, im Branchendurchschnitt aber gibt es keinen Grund daran zu zweifeln. Der Cashbestand ist derzeit doppelt so hoch wie die kurzfristigen Finanzverbindlichkeiten.

Die Schulden werden aller Wahrscheinlichkeit nach bedient werden können. Das ist nicht das Problem. Bei sinkenden Umsätzen und fallenden Margen reduzieren die Schulden jedoch die Ertragskraft erheblich. Die Zinszahlungen von knapp 16 Mrd. pro Jahr entsprechen derzeit 10% des operativen Ergebnisses und einem Drittel des Nettogewinns. Die Belastungen summieren sich inzwischen auf über 3% des Umsatzes auf. Das ist keine Kleinigkeit.

Unter diesen Umständen ist es für Unternehmen attraktiv, sich um Schuldenreduktion zu bemühen. Grafik 2 zeigt die Finanzierungsquellen der letzten Jahre. Besonders in der jüngeren Vergangenheit waren Unternehmen auf Fremdfinanzierung angewiesen. Mit sinkenden Aktienkursen ist die Finanzierung über Eigenkapital (Ausgabe neuer Aktien) nicht besonders effizient für das Unternehmen.

Mit fallenden Investitionen sinkt der Finanzierungsbedarf. Das spiegelt sich in Grafik 2 und in Grafik 1 wider. Grafik 1 zeigt den Trend der Investitionen. Sie erreichten 2012 mit 162 Mrd. USD ein langfristiges Hoch. Bis Ende 2014 sanken sie auf 93 Mrd. und könnten noch um weitere 30 bis 40 Mrd. sinken. Damit sparen die Unternehmen erhebliche Summen, die die Profitabilität kurzfristig steigern. Gleichzeitig sinkt der Finanzierungsbedarf, sodass etwaige Überschüsse für die Schuldenreduktion eingesetzt werden können.

Die Schuldenreduktion ist notwendig, denn der jährliche Finanzierungsbedarf ist mit 130 Mrd. zu hoch. Es handelt sich dabei nicht ausschließlich um neue Schulden. Ein Großteil wird gebraucht um alte Schulden durch neue Abzulösen. Je weiter die Ertragskraft der Unternehmen sinkt, desto teurer wird Fremdkapital. Bereits jetzt beträgt der durchschnittliche Zins 5%. Im Idealfall würden Unternehmen die fällig werdenden Schulden in den Jahren 2015 bis 2018 so weit wie möglich zurückzahlen und nicht durch neue Schulden finanzieren. Das würde Einsparungen von 5 bis 7 Mrd. pro Jahr gleichkommen.
Da nicht von einem schnellen und nachhaltigen Turnaround der Rohstoffpreise ausgegangen werden kann, ist jede Einsparung viel wert. Der Umsatz dürfte in diesem Jahr um insgesamt 7 bis 11% sinken. Grafik 3 zeigt wie sich die Umsätze einzelner Rohstoffe in den vergangenen Jahren entwickelt haben.

Die Prognose für 2015 beinhaltet einerseits den Preisrückgang der Rohstoffe, aber auch das Nachfragewachstum. Die Absatzmengen steigen nach wie vor. Das wird oft in der ganzen Diskussion vergessen. Die Nachfrage steigt weiter an, allerdings langsamer als das Angebot. Obwohl die Preise der meisten Rohstoffe seit 2011 zwischen 20 und 50% zurückgegangen ist, sank der Umsatz um lediglich 20%.

Rohstoffpreise haben ihren Boden vermutlich noch nicht gefunden. Sieht man von Bärenmarktrallys ab, dann dürfte der Abwärtstrend noch 12 bis 18 Monate anhalten. Danach sollte man als Anleger nicht unbedingt auf eine Preisexplosion hoffen. Vielmehr ist eine jahrelange Seitwärtsbewegung vorstellbar. Wie einen Großteil der 80er Jahre würden dann auch die Aktien lange Zeit seitwärts laufen.

Konsequenzen der neuen Realität

Der Rohstoffboom ist vorbei – und nicht erst seit gestern. Viele scheinen das erst jetzt zu bemerken, da schon zwei Drittel der Bewegung vorbei sind. Für den Gesamtmarkt und auch die Wirtschaft ist diese Erkenntnis ein gewisses Problem.

Hier wurden bisher nur Rohstoffunternehmen außerhalb des Ölsektors berücksichtigt. Bezieht man den Ölsektor noch mit ein, dann bringen es alle Rohstoffunternehmen in den USA auf eine Marktkapitalisierung von 3,3 Billionen USD. Das sind in etwa 13% der Gesamtmarktkapitalisierung. Noch vor nicht allzu langer Zeit, vor dem Ölpreisverfall, lag der Wert noch bei über 4 Billionen und einem Anteil von 16%.

Der bisherige Preisrutsch bei Energie und anderen Rohstoffunternehmen hat den US Gesamtmarkt um ca. 3% nach unten gedrückt. Weitere 3% dürften folgen. Insgesamt drückt die Rohstoffmisere den Gesamtmarkt um ca. 6%. Nach viel klingt das nicht, kann aber den entscheidenden Unterschied zwischen Rallye und Korrektur ausmachen.

Der Gesamtmarkt hält sich trotz des Abwärtsdrucks aus dem Rohstoffsektor gut. Das geht natürlich nur, wenn die meisten anderen Branchen eine positive Performance aufweisen. Die Krise des Sektors spiegelt sich nicht offensichtlich im Markt wider, weil andere Sektoren gut performen. Das muss so nicht bleiben.

Der Effekt sinkender Aktienkurse ist nur die erste Konsequenz aus einer ganzen Reihe von Effekten. In diesem und im kommenden Jahr werden die Volkswirtschaften der USA, Kanada und Australien insgesamt unter Druck kommen. Alle Rohstoffunternehmen zusammen dürften zwischen 150 und 200 Mrd. weniger investieren als noch vor zwei Jahren. Das ist viel Geld, welches nicht eingesetzt wird, um neue Vorkommen zu erschließen. Das bedeutet letztlich weniger Arbeitsplätze, die gut bezahlt sind.
Dem Staat entgehen hohe Milliardenbeträge. In den USA könnten die Einkünfte aus der Unternehmensbesteuerung um satte 10% sinken. Das entspricht ungefähr 30 Mrd. USD. Bleibt alles andere gleich, dann steigert dieses Minus die Schuldenneuaufnahme um 6%.

Letztlich sind die niedrigen Rohstoffpreise eine Folge eines geringeren Nachfragewachstums. Jetzt, da der Stein einmal ins Rollen gekommen ist, ergibt sich ein negativer Feedback Loop. Dabei reagieren Unternehmen auf die gesunkenen Preise durch Personalabbau und Kosteinsparungen im Investitionsbereich. Das wiederum führt zu weiterem Jobabbau in der Service- und Zulieferindustrie. Der Staat hat höhere Kosten und erhält weniger Steuern.

Der Rohstoffsektor allein bringt keine Volkswirtschaft in Bedrängnis, zumindest nicht in der westlichen Welt. Was der Abschwung auf dem Rohstoffmarkt jedoch sehr wohl kann, das ist eine Beschleunigung von Wachstum verhindern bzw. das Wachstum um bis zu 0,5 Prozentpunkte senken.

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6 Kommentare

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  • Joe D
    Joe D

    Es stellt sich die Frage was die Kohle bei den Metallen zu suchen hat. Das verfälscht die Darstellung und ist durch die hohen Öl Preise und Fukushima stark beeinflusst.

    15:26 Uhr, 29.07. 2015
  • netzadler
    netzadler

    wenn die nachfrage nicht umgekehrt proportional zu den gesunkenen preisen steigt, dann nützt die kostenbremse auch nicht viel. dann wird versucht werden, über den preis zu verkaufen.

    ich denke, so etwas ähnliches sehen wir jetzt beim öl. hier wird verkauft wie blöd, um an cash zu kommen

    10:28 Uhr, 29.07. 2015
  • oneEXITnoRETURN
    oneEXITnoRETURN

    Klasse Artikel!

    welche Quelle benutzen Sie für die hier dargestellten Daten Hr. Scmale?

    09:20 Uhr, 29.07. 2015
  • es-jay
    es-jay

    Ganz wunderbar, mal richtig mit Substanz!

    09:12 Uhr, 29.07. 2015
  • Bigdogg
    Bigdogg

    Ausgezeichneter Kommentar! Einer der besten Analysten hier bei Godmode-Trader....

    09:05 Uhr, 29.07. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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