Kommentar
08:10 Uhr, 28.07.2015

Rohstoffsektor: Wie schlimm ist es wirklich?

Die Medien malen ein schwarzes Bild an die Wand. Geht es nach den Schlagzeilen, dann ist der Rohstoffsektor kurz vor dem Untergang. Das hängt auch mit China als größtem Rohstoffkonsumenten zusammen. Bl

Blickt man nun aber über die mediale Panik hinweg und macht man sich ein Bild aufgrund der Fundamentaldaten, dann ist von Untergang noch nicht viel zu sehen.


Aufstieg und Fall der Rohstoffunternehmen

Derzeit befindet sich die ganze Branche im Sturzflug. Selbst die Aktien von Branchenriesen wie BHP Billiton und Rio Tinto haben seit ihren Hochs 2011 an die 50% an Wert verloren. Angesichts der immer tiefer fallenden Rohstoffpreise scheint das noch nicht übertrieben zu sein. Es kommt jedoch ganz auf das Zeitfenster an, welches man betrachtet.

Seit 2011 sind die Abgaben im Relation mit den Rohstoffpreisen durchaus vernünftig. Ein Großteil der Kursverluste wurde jedoch in den letzten 3 Monaten realisiert. Von 2011 bis April 2015 verloren Aktien von Rohstoffunternehmen im Durchschnitt 30%. Über einen Zeitraum von 4 Jahren ist das nicht weiter auffällig. In den vergangenen 3 Monaten verloren Aktien dann allerdings noch einmal 30%. Das grenzt schon an Panik und Übertreibung. Es ist ja nicht so, dass sich die Rohstoffpreise in diesem Zeitraum halbiert hätten.

Kurzfristig zeigt sich Panik im Markt. Anleger haben sich lange geweigert, die fallenden Rohstoffpreise ernst zu nehmen und einzupreisen. Das wird jetzt gerade nachgeholt und führt zu einer kurzfristigen Übertreibung. Eine plötzliche Rallye kann daher jederzeit starten, wenn z.B. Shortpositionen aufgelöst werden.

Eine kurzfristige Rallye bedeutet noch lange nicht das Ende des mittel- bis langfristigen Abwärtstrends. Luft nach unten haben Aktien noch, insbesondere, wenn man sich den längeren, historischen Vergleich ansieht. Grafik 1 zeigt dazu die Umsatz-, Gewinn- und Marktkapitalisierungshistorie des Rohstoffsektors. Die Daten beinhalten 80% der Gesamtmarktkapitalisierung und kann daher als repräsentativ für den ganzen Sektor gesehen werden.

Man sieht anhand der langen Historie deutlich, von wo der Sektor überhaupt kommt. Vor gut einem Jahrzehnt lagen die Umsätze noch bei 100 Mrd. Die Marktkapitalisierung betrug ungefähr das Doppelte. Die höchste Kapitalisierung wurde Anfang 2011 mit gut 1,6 Billionen USD erreicht. Demgegenüber stand ein Umsatz von 540 Mrd. Seitdem ging es bergab, nicht nur für die Marktkapitalisierung, sondern auch für die Umsätze. Heute werden bei einer Kapitalisierung von knapp 800 Mrd. ca. 450 Mrd. Umsatz erzielt. Im historischen Mittel ist das Kurs-Umsatz-Verhältnis bereits wieder attraktiv. Einschränkend muss man jedoch sagen, dass die Umsätze wohl noch weiter fallen werden. Die Momentaufnahme ist nur bedingt aussagekräftig.

Bezeichnend ist die Gewinnsituation. 2013 war ein rabenschwarzes Jahr. Eine so geringe Profitabilität hatte der Sektor selten. 2014 sah es diesbezüglich schon wieder besser aus. Bedenkt man nun jedoch, dass der Gewinn in naher Zukunft tendenziell noch fallen wird und bereits jetzt unter dem Niveau von 2009 ist, dann hat die Marktkapitalisierung noch Raum nach unten.
Der tiefe Fall der Aktien bedeutet noch nicht, dass der Sektor ein Schnäppchen ist. Grafik 2 zeigt wieso. Dargestellt sind die Nettovermögenswerte und der Aufschlag zur Marktkapitalisierung. 2014 lagen die Nettovermögenswerte bei 600 Mrd. Die Marktkapitalisierung betrug jedoch 800 Mrd. Anleger waren also bereit 200 Mrd. mehr für die Nettovermögenswerte zu bezahlen als sie eigentlich wert sind. Daraus ergibt sich der Aufschlag. Anders ausgedrückt: das Preis Buchwert Verhältnis liegt noch deutlich über 1. Der Sektor handelt noch nicht zu einem Discount auf seine Buchwerte.

Die Buchwerte werden in den kommenden Jahren noch etwas weiter sinken. Unternehmen beginnen gerade erst mit einem Abschreibungsmarathon, der durch die gesunkenen Rohstoffpreise notwendig wird. Weitere Abschreibungen im Bereich von 75 Mrd. über einen Zeitraum von 2 bis 2,5 Jahren sind realistisch. Die Vermögenswerte lägen dann bei 525 Mrd. Damit die Marktkapitalisierung soweit sinkt und ein Preis Buchwert Verhältnis von 1 widerspiegelt, müssen dieAktienkurse noch um ein Drittel fallen.


Wie geht es weiter?

Rohstoffunternehmen spüren den Druck des Marktes. Es werden gerade reihenweise Sparprogramme angekündigt. Für Aktionäre klingt so etwas auf den ersten Blick immer gut. Wer weniger ausgibt, hat unterm Strich mehr – das ist die einfache Logik, die dahinter steht. Diese Logik ist allerdings etwas zu einfach.

Grafik 3 zeigt die Entwicklung von Umsatz und Kosten des Sektors. Die Kostenquote (Kosten dividiert durch Umsatz) sinkt bereits seit 2012. Mit ca. 60% ist die Quote im historischen Vergleich im Mittelfeld. Mit großen Anstrengungen kann die Quote vielleicht zurück auf 55 bis 57% fallen. Bei den derzeitigen Umsätzen entspricht das Einsparungen von gerade einmal 13 bis 20 Mrd. Das hilft kurzfristig, um die Profitabilität zu stabilisieren. Es reicht jedoch nicht, um einen Turnaround herbeizuführen.

Aktionäre sollten sich nicht auf einen schnellen Turnaround einstellen. Steigende Gewinne wird es nur geben, wenn die Rohstoffpreise wieder anziehen. Sparmaßnahmen auf der operativen Seite und die Kürzung von Investitionen kann sie Situation entspannen, aber nicht umkehren.
Investitionen wurden bereits deutlich zurückgefahren. Das Potential für weitere Einsparungen ist begrenzt. Anlegern bleibt bei dieser Ausgangslage nur ein Argument, um an den Aktien festzuhalten: Dividenden. Die Dividenden werden nach wie vor gezahlt. Grafik 4 zeigt wie viel jedes Jahr an Aktionäre ausgeschüttet wird. Für Jahre vor 2008 ist kein Split für Aktienrückkäufe und Dividenden verfügbar. Für die Jahre 2008 bis 2014 gibt es diesen Split.

Aktionäre konnten sich in der Vergangenheit über relativ hohe Dividenden freuen. Im längerfristigen Mittel betrug die Dividendenrendite gut 3%. Momentan wird der Ausschüttungsbetrag noch konstant gehalten. Gleichzeitig sind jedoch die Kurse der Aktien gefallen. Die Dividendenrendite ist dadurch gestiegen. Sie liegt momentan bei 6%.
6% Dividendenrendite findet man so gut wie gar nicht mehr im Markt. Die Zahl klingt daher sehr verlockend. Vergleicht man nun aber die Ausschüttungssummen mit den Gewinnen, die die Unternehmen erwirtschaften, dann wird relativ schnell klar, dass die Dividenden vor einer Kürzung stehen. 2013 wurde mehr ausgeschüttet als Gewinn erwirtschaftet wurde. 2014 wurde der Gewinn zu 100% an Aktionäre weitergegeben. Das lässt sich auf Dauer nicht durchhalten. Entweder steigen die Gewinne, damit die Ausschüttungen weiter leistbar sind oder die Dividenden müssen gekürzt werden. Persönlich halte ich letzteres für wahrscheinlicher. Eine Kürzung der Dividende von bis zu 40% muss eingeplant werden.

Theoretisch könnten Unternehmen auch an ihrer Ausschüttungspolitik festhalten, doch bei sinkenden Gewinnen die Dividenden konstant zu halten oder gar zu steigern ist schon etwas verwegen. Die Ausschüttungen müssten über zusätzliche Schulden finanziert werden, doch an Schuldenbergen mangelt es dem Sektor nicht. Daher ist dieser Verlauf unwahrscheinlich.
Die Schuldentragfähigkeit des Sektors ist generell ein Thema. Mehr dazu in Teil II des Artikels.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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