Kommentar
08:25 Uhr, 23.07.2015

Rohstoffe im freien Fall!

Gold ist nichts mehr wert, Öl sowieso nicht, Kupfer und Eisenerz bekommt man geschenkt und auch Agrarrohstoffe sind günstig wie lange nicht.

Wenn man die Schlagzeilen in diesen Tagen liest, dann bekommt man den Eindruck, dass Rohstoffe im Ausverkauf stehen. Ausgelöst wurde die Debatte durch die Abschläge bei Gold. Das Edelmetall riss eine wichtige charttechnische Unterstützung und steuert nun auf 1.000 USD zu.

Gold hat die Debatte nun angeregt, doch das Thema ist alles andere als neu und auch nicht nur auf Edelmetalle beschränkt. Die großen Minenbetreiber wie Rio Tinto und BHP Billiton müssen seit 2011 sinkende Margen hinnehmen. Einige Bereich stehen so gut wie vor dem Aus. Dazu gehört vor allem das Kohlesegment. Viele Förderer kämpfen ums Überleben. Vielen wird dieser Kampf nicht gelingen.

Das zweite Quartal 2015 wird für Aktionäre von Minenbetreibern ein rabenschwarzes. Das liegt einerseits an weiter sinkenden Erträgen und andererseits an hohen Abschreibungen. Anglo American, immerhin unter den Top 5 Produzenten, gab vor wenigen Tagen eine Abschreibung in Höhe von 4 Mrd. bekannt. Diese Abschreibung zählt bisher zu den größten und ersten. Es wird aber weder die einzige noch die größte bleiben. Mit den niedrigeren Rohstoffpreisen müssen Produzenten den Wert ihrer Assets anpassen. Sie weisen ihre Reserven und Projekte zu bestimmten Preisen in ihrer Bilanz aus. Die bisher angenommenen Preise sind inzwischen unrealistisch. Das führt dazu, dass Anpassungen vorgenommen werden müssen.

Für viele Unternehmen stellen die Rohstoffpreise große Herausforderungen da. Aktionäre dürften auch in den kommenden Quartalen noch zusehen müssen, wie ihre Investments immer kleiner werden. Unternehmen können einfach keinen Turnaround ausweisen, dazu sind die Kosten zu hoch und die Margen sinken immer weiter. Gleichzeitig muss auch noch der Wert der Reserven und des Anlagevermögens teils kräftig nach unten revidiert werden. Das schwächt die Bilanz und reduziert die Vermögenswerte.

Viele Unternehmen sind hoch verschuldet, weil sie in den vergangenen Jahren massiv in den Ausbau der Produktionskapazität investierten. Viele Kredite wurden vergeben, weil die Vermögenssituation der Firmen gut aussah. Mit den Abschreibungen sinken die Vermögenswerte. Der Kredit im Verhältnis zum Vermögen vergrößert sich dadurch. Einige Banken werden unter diesen Umständen spätestens dann nervös, wenn die Firmen beginnen große Verluste auszuweisen.

Für Produzenten, Banken und Aktionäre ist das momentan alles andere als ein Zuckerschlecken. Wieso das so ist leuchtet ein, aber wieso musste es überhaupt soweit kommen?

Grafik 1 zeigt einen Rohstoffindex, der 47 Rohstoffe von Öl über Kakao zu Fisch zeigt. Im Gegensatz zu Rohstoffindizes wie z.B. den GSCI (Goldman Sachs Commodity Index) sind hier alle Rohstoffe gleichgewichtet. In anderen Indizes sind oftmals Energierohstoffe mit über 70% gewichtet, sodass die Aussagekraft auf das allgemeine Preislevel gering ist. Der gleichgewichtete Index zeigt den allgemeinen Trend sehr viel besser als andere Indizes.

Die blaue Linie zeigt die nominellen Preise. Betrachtet man diesen Preisverlauf, dann fragt man sich schon, wo das Problem liegen soll. Gewiss, Rohstoffe sind billiger geworden, doch sie stehen noch immer 70% höher als in der Zeit von 1980 bis 2004. Die Jahre 2007 bis 2014 waren außergewöhnlich gute Jahre für Produzenten. Preise lagen deutlich über Trend.

Der reale Preisverlauf zeigt eine etwas andere Story. Hier liegt das derzeitige Preisniveau in etwa wieder dort, wo es vor 20 Jahren schon einmal war - und das war eher niedrig. Von den Extremwerten aus dem Jahr 2002 sind wir noch ein Stück entfernt. Nichtsdestotrotz ist das reale Preisniveau vergleichsweise niedrig. Dennoch gilt auch hier: die Jahre 2007 bis 2014 waren deutlich über dem Trend der Vorjahre. Die Preise kehren nun wieder in ihren Trend zurück.

Diese Rückkehr zu einem längerfristigen Mittel (Mean Reversion) bereitet den Unternehmen große Probleme. Sie haben zu hohe Kosten. Neue Projekte wurden auf Basis außergewöhnlich hoher Margen angestoßen. Jetzt drücken die Schuldenberge und Produktion aus zu teuren Minen mit negative Marge auf die Bilanz. Dabei ist es fast unerheblich von welchem Sektor man spricht. Ölunternehmen haben die gleichen Probleme wie Eisenerzförderer.

Grafik 2 zeigt die Performance einzelner Rohstoffe auf 5, 10, 20 und 30 Jahresbasis. Selbst auf Sicht von 5 Jahren sind viele Rohstoffe noch im Plus. Auf Sicht von 10 Jahren kann man weit und breit kein Minus erkennen. Das alles deutet letztlich auf Eines hin: die Unternehmen haben ein Kostenproblem. Als Folge werden in den kommenden Quartalen Projekte gestrichen, die Investitionen um 30 bis 50% zurückgefahren, möglicherweise neue Aktien ausgegeben, um Schulden zu reduzieren und Mitarbeiter massenweise entlassen werden.

Der gesamte Sektor hat jahrelang über seine Verhältnisse gelebt. Hohe Rohstoffpreise und dicke Margen haben dazu verleitet weniger auf Effizienz zu achten. Die Rechnung wird jetzt quittiert. Der Druck kommt dabei nicht daher, dass Rohstoffpreise auf historisch niedrigem Niveau sind, sondern daher, dass Unternehmen ihre Kosten nicht im Griff haben.

Bis die Unternehmen ihre Kosten wieder im Griff haben werden noch einige Quartale vergehen. Unternehmen aus dem Sektor würde ich noch eine Weile fernbleiben.

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9 Kommentare

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  • Aktienbaer
    Aktienbaer

    Die Rohstoffe fallen und die Börsen haussieren.

    Scheint ja richtig zu boomen überall, die Firmen kommen ja gar nicht nach, mit der Produktion.

    Da paßt alles nicht mehr zusammen.

    Rohstoffe sinken

    Schiffsauslastung sinkt

    Transportindex sinkt

    juhuu... der Wirtschaftsaufschwung ist da.

    Die Börsen in China & USA werden von den Notenbanken gestützt.

    Was wir jetzt an den Börsen sehen ist unter Euphorie einzuordnen, was danach kommt, wissen wir ja.

    11:51 Uhr, 23.07. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • student
    student

    Liegt der gesunkene Rohstoffpreis nicht vielleicht daran, dass die BRICS sich auf die Förderung eigener Rohstoffressourcen beschränken? Russland zum Beispiel ist ein Eldorado für ALLE benötigten Rohstoffe. Die "westlichen" anglo-amerikanischen Unternehmen haben dieses Potential nicht unter ihrer Kontrolle. Wenn China weniger vom "Westen" kauft, oder auch nur die Zusammenarbeit in den BRICS-Staaten verstärkt wird, wird eben auf fallende Preise spekuliert.

    Die realwirtschaftliche Nachfrage ist in den BRICS, der Westen lügt sich mit Klimawandel und Überbevölkerung selbst etwas vor und macht sich seine Märkte selbst kaputt.

    Es liegt ganz an uns, ob wir uns für die Zukunft einer weltweit entwickelten produktiven Seidenstrasse oder für das Mittelalter der Spekulanten entscheiden.

    11:22 Uhr, 23.07. 2015
  • FJHaydn
    FJHaydn

    Kleiner Nachtrag. Gold gehört eigentlich nur bedingt zu den "Rohstoffen", weil es ja vorrangig zu Anlagezwecken gefördert wird. Da ist die ganze Kostendiskussion noch fraglicher als in den anderen Fällen. Die Preisbildung erfolgt da ja offensichtlich nicht aufgrund eines festgelegten Bedarfs an physischem Gold, denn ein Großteil des Handels ist da rein virtuell.

    09:31 Uhr, 23.07. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • FJHaydn
    FJHaydn

    "Selbst auf 5 Jahre sind die Rohstoffe noch im Plus". Gleichzeitig sollen sie aber im "freien Fall" und "nichts mehr wert" sein.

    Letzeres stellt die wahren Sachverhalte auf den Kopf. Die Rohstoffe gehören zu den wenigen Dingen, die einen intrinsischen Wert haben. Sie sind insgesamt knapp, endlich und nur aufwendig zu fördern. Was hier passiert sind kurzfristige Preisausschläge, die auf Spekulation und teilweise auf Überproduktion zurückgehen, wobei letzteres eigentlich eine fehlerhafte Bezeichnung ist, weil ja nichts "produziert" wird, sondern ein begrenzter Vorrat aus Gier zu schnell verschwendet wird.

    Das regelt sich beides von selbst, solange der Bedarf nicht drastisch sinkt (falls letzteres eintritt haben wir eh andere Probleme).

    Es ist deshalb fraglich ob es ein guter Rat ist, solange dem Sektor fern zu bleiben bis die Unternehmen ihre Kosten im Griff haben. Sinnvoll wäre es doch stattdessen, *jetzt* auf die zu setzen, die vermutlich überleben werden, weil die danach größere Marktanteile haben werden und von steigenden Preisen bei Wegfall nicht länger wettbewerbsfähiger Konkurrenten profitieren können. Wenn alles wieder steigt, ist es zu spät.

    09:26 Uhr, 23.07. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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