Kommentar
07:25 Uhr, 26.10.2015

Rohstoffe: Die Krise schlägt durch

Der Preisverfall bei Rohstoffen bringt immer mehr Unternehmen in Schwierigkeiten. Nachdem Glencore angekündigt hat seine Produktion zu kürzen, folgt nun die Noble Group als viertgrößter Rohstoffhändler der Welt mit drastischen Schritten.

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Glencore kündigte vor zwei Wochen an, seine Zink- und Kupferproduktion deutlich zu senken. Diese Ankündigung führte zu einer kleinen Rally bei Rohstoffpreisen. Glencore hat einen Weltmarktanteil von 7% bei Kupfer und 11% bei Zink. Wird hier die Produktion gekürzt, dann hat das Auswirkungen auf den Weltmarkt. Es wird jedoch nicht reichen, um die Preise langfristig zu einer Trendwende zu bewegen. Dafür gibt es noch zu viele andere Produzenten, die freie Kapazität haben.

Im Gegensatz zu Glencore fördert Noble keine Rohstoffe. Noble ist ein Händler, der Rohstoffe von einem Ort zum anderen transportiert. Noble ist also ein Intermediär. Das hat einige Vorteile, aber auch viele Nachteile. Für einen Händler muss die Bilanz stark sein, denn er finanziert Großteile des Geschäftes vor. Rohstoffhändler sind daher besonders von einem guten Rating abhängig, damit ihnen Banken kurzfristig hohe Kreditrahmen geben.

Bei Noble spitzt sich die Lage seit Monaten zu. Das Rating wackelt, die Kreditrahmen werden nicht erhöht. Das veranlasste das Unternehmen nun vor allem im Metallhandel zu kürzen. Noch hat das Unternehmen nicht bestätigt, dass sie den Zink- und Kupferhandel komplett aufgeben werden, doch angesichts einer besonders kleinen Marge in diesem Bereich erscheint es wahrscheinlich.

Der Schritt von Glencore und Noble zeigt, wie dramatisch die Lage derzeit ist. Es werden massive Sparprogramme angekündigt, Assets veräußert und Geschäftsteile stillgelegt. Die Unternehmen verabreichen sich gerade eine Schocktherapie.

Der weltweite Rohstoffhandel ist intransparent. Das liegt auch daran, dass einige große Unternehmen nicht an der Börse gelistet sind und daher keine Details zu ihren Bilanzen bekannt sind. Umsatzzahlen veröffentlichen zumindest die großen vier Händler. Grafik 1 zeigt die Umsatzentwicklung dieser 4 Unternehmen seit 2010, inklusive einer Schätzung für 2015.
Von den 4 größten Rohstoffhändlern sind nur 2 wirklich gut bekannt: Glencore und Noble. Trafigura und Vitol kennen die wenigsten, dabei sind diese beiden Unternehmen größer als Glencore und Noble.

2013 wurde der bisherige Peak erreicht. Die vier großen Händler zusammen schrieben Umsätze von knapp 750 Mrd. USD. Das ist eine gigantische Summe, allerdings handelt es sich vor allem um Durchlaufposten. Der Wert der gehandelten Rohstoffe scheint als Umsatz auf, ist jedoch letztlich ein Durchlaufposten.
Die Margen auf die hohen Umsätze sind niedrig. Grafik 2 zeigt die Entwicklung der Gewinne. Vitol veröffentlicht leider keine Gewinnzahlen, daher sind nur Noble, Glencore und Trafigura dargestellt. Die Nettomarge lag in guten Jahren bei einem Prozent. Inzwischen ist sie auf unter 0,5% gefallen. Es fehlt nicht mehr viel und die Marge ist komplett aufgezehrt.

Obwohl die Marge klein ist, ist die wenigstens noch positiv. So dramatisch sieht das auf den ersten Blick also gar nicht aus. Auch der Blick auf die Nettovermögenswerte (Vermögenswerte weniger Verbindlichkeiten) in Grafik 3 sieht weniger schlimm aus als man vielleicht befürchtet. Im Detail sieht das anders aus.

Auf Noble lastet ein Schuldenberg von knapp 6 Mrd. Dollar. Der Gewinn ist rückläufig und die Nettovermögenswerte sinken. Gleichzeitig steigen die Kosten für Fremdkapital. Das ist eine Mischung, die lebensbedrohlich ist, wenn der Teufelskreis aus sinkendem Umsatz, sinkender Marge, steigenden Fremdkapitalkosten und sinkenden Vermögenswerten nicht durchbrochen werden kann.

Glencore, die auch Rohstoffe fördern, haben eine etwas andere Ausgangslage. Sie haben durch ihre Produktionsstätten eine bessere Asset-Position. Den Assets stehen allerdings auch höhere Schulden von über 45 Mrd. USD gegenüber. Allein die Zinszahlungen summieren sich inzwischen auf über 2 Mrd. pro Jahr. Bei ohnehin sehr dünnen Margen können die Kosten der Schuldung die Marge komplett aufzehren.

Anleger reagieren seit Monaten auf diese bedrohliche Situation. Die Aktien verloren auf Jahressicht mehr als 50%. Jetzt handelt Glencore zu einem Abschlag von 40% auf seine Nettovermögenswerte. Bei Noble beträgt der Abschlag ein knappes Drittel. Das gibt Anlegern einen gewissen Sicherheitspuffer. Verluste können über die Vermögenswerte aufgefangen werden.

Mittel- bis langfristig nutzt der Abschlag auf die Vermögenswerte wenig, wenn die Unternehmen hohe Verluste schreiben. Eine positive Marge ist unabdingbar, um wieder das Interesse der Anleger zu wecken. Das Timing für einen Einstieg ist schwierig. In den kommenden Wochen stehen die Chancen auf eine Bodenbildung relativ gut. Gelingt den Unternehmen eine Stabilisierung des Kerngeschäfts, dann wartet auf Anleger eine hohe Rendite.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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