Kommentar
06:23 Uhr, 27.05.2017

Rohstoffe: Antizyklische Gelegenheit?

Erinnert sich noch jemand, was vor einem Jahr geschah? Nein? Es lohnt sich, die Erinnerung aufzufrischen.

Vor einem Jahr ging die erste Phase der Erholung an den Rohstoffmärkten zu Ende. Nach einem katastrophalen Selloff zu Jahresbeginn, der etwas von Weltuntergangsstimmung hatte, sprangen Rohstoffaktien innerhalb von drei Monaten um 50-150 % nach oben.

Ich hatte mich damals Anfang Februar in den Markt gewagt. Das war nicht jedem geheuer. Die Entscheidung wurde auf meinem Experten-Desktop vor allem als „mutig“ bezeichnet. Mutig ist dabei eher eine Umschreibung von „sind Sie wahnsinnig.“ Nun, der Wahnsinn hat sich ausgezahlt und nun kommt die nächste Gelegenheit.

Die Rohstoffrally ist schon vor einiger Zeit ins Stocken geraten. Seit einem halben Jahr schieben sich die Preise vieler Rohstoffe nur noch seitwärts. Öl ist das beste Beispiel. Entsprechend kommen auch die jeweiligen Aktien unter Druck. Ölaktien haben je nach Segment wieder 10-30 % abgegeben.

Interessanter als Öl sind möglicherweise die Industriemetalle. Diese sind besonders stark von der Entwicklung in China abhängig. Die Grafik zeigt dazu den Preisverlauf von Aluminium, Kupfer, Eisenerz und Zink. Sie alle laufen mit einer kleinen zeitlichen Verzögerung parallel zum chinesischen Einkaufsmanagerindex.

China verbraucht je nach Rohstoff bis zu 50 % der weltweiten Förderung. China produziert selbst viele Rohstoffe, muss aber nach wie vor große Mengen importieren. Verbraucht werden die Rohstoffe für die Modernisierung der Infrastruktur und auf dem Immobilienmarkt. Die Infrastrukturinvestitionen sind vor allem vom Staat abhängig. Der Immobilienmarkt richtet sich nach der Geldpolitik.

Nach der etwas überraschenden Abkühlung der Wirtschaft 2014 und der plötzlichen Abwertung der Währung ein Jahr später, wurde die chinesische Führung Ende 2015 schwach und startete ein Konjunkturprogramm. Die Wirtschaftsstimmung hat sich schnell und substantiell aufgehellt. Der Einkaufsmanagerindex zeigt das eindrucksvoll.

Rohstoffpreise und Einkaufsmanagerindex verlaufen parallel, wobei der Einkaufsmanagerindex ein Vorlaufindikator ist. Er läuft den Rohstoffpreisen 2 bis 6 Monate voraus. Seit Anfang 2017 zeigt sich, dass sich die Stimmung in China wieder abkühlt. Das große Konjunkturprogramm ist vorbei und die Geldpolitik wird gestrafft.

Inzwischen haben das auch Anleger im Rest der Welt begriffen und reagieren. Rohstoffpreise fallen wieder auf breiter Front. Minenwerte wie Glencore oder Vale sind auf dem Rückzug. Unter hohen Schwankungen ist eine Fortsetzung des Trends zu erwarten. Im Normalfall steigt der chinesische Einkaufsmanagerindex vor den Rohstoffen und somit auch vor den Aktien.

Bevor die Trendumkehr kommt, können noch einige Wochen vergehen. China dürfte die Abkühlung jetzt erst einmal beobachten. Ergibt sich nicht von alleine eine Besserung, muss wieder eingegriffen werden. Dass eingegriffen wird, steht außer Frage. Im Herbst findet der nächste Parteitag statt. Dort wird entschieden, ob Präsident Xi Jinping Anfang 2018 eine zweite Amtszeit von weiteren 5 Jahren bekommt. Läuft die Wirtschaft im Herbst nicht rund, ist ein Machtwechsel wahrscheinlich. Der letzte, der das will, ist der Präsident selbst. Er hat in seiner bisherigen Amtszeit viel getan, um seine Macht einzuzementieren.

China wird also vielleicht noch ein oder zwei Monate tatenlos zusehen wie sich die Lage eintrübt. Spätestens dann ist mit einem Eingriff zu rechnen. Als Anleger bedeutet dies, dass man sich so langsam positionieren kann. Eine Trendumkehr kommt schnell. Man sollte dringend ein paar Aktien auf der Watchlist haben, um frühzeitig reagieren zu können. Besonders stark dürften die Aktien von Freeport-McMoRan und Anglo American reagieren.

Clemens Schmale

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6 Kommentare

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  • Protheus
    Protheus

    @vespa:

    GB00B1XZS820

    11:21 Uhr, 29.05.2017
    1 Antwort anzeigen
  • vespa
    vespa

    Ich werde bei anglo american nicht fündig. Darf ich um die WKN der hier erwähnten Aktie bitte? Dankeschön.

    10:19 Uhr, 29.05.2017
  • Proxaro
    Proxaro

    Lese ich hier raus, dass Glencore oder Vale Ihre favorisierten Titel sind oder gibt es noch andere Empfehlungen?

    14:05 Uhr, 27.05.2017
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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