Kommentar
10:55 Uhr, 06.09.2013

Rohstoffe am Ende? Teil II

Die Hinweise darauf, dass der Rohstoffboom bereits Geschichte ist, verdichten sich. Gründe für den Preisverfall gibt es viele und wie immer spielen die USA eine nicht unbedeutende Rolle. Aber auch China und andere Schwellenländer beeinflussen den Rohstoffzyklus – nur anders als von vielen erwartet.

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Die Hinweise darauf, dass der Rohstoffboom bereits Geschichte ist, verdichten sich. Gründe für den Preisverfall gibt es viele und wie immer spielen die USA eine nicht unbedeutende Rolle. Aber auch China und andere Schwellenländer beeinflussen den Rohstoffzyklus – nur anders als von vielen erwartet.

Hohes Wachstum und trotzdem fallende Preise?

Obwohl die Rohstoffpreise bereits seit geraumer Zeit sinken, gibt es noch immer große Skepsis unter Anlegern, ob es sich dabei nicht nur um eine vorübergehende Schwäche handelt. Dabei ist die Preisschwäche keine Neuheit. Der die wichtigsten Rohstoffe umfassende GSCI (S&P Goldman Sachs Commodity Index) konnte seit 2008 kein neues Hoch mehr ausbilden. Von 2009 bis 2011 ging es noch einmal aufwärts. Seitdem befindet sich der Index in einem moderaten Abwärtstrend. Dass sich der Index noch ganz gut hält liegt vor allem an der Gewichtung von Energie. Brent und WTI machen fast 50% des Index aus. Zählt man noch Erdgas, Benzin und Heizöl mit hinzu, sind es knapp 70%. Jene Rohstoffe, die in letzter Zeit besonders gefallen sind, haben kaum Auswirkungen auf den Index. Industriemetalle sind lediglich mit 7% gewichtet, Weizen, Mais usw. mit gut 11% und Edelmetalle mit 3,5%.

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Die Schwäche der Rohstoffe verwundert. Gerade China und andere Schwellenländer wachsen ja noch ganz anständig. Sogar die westliche Welt schafft es wieder, sich zu erholen. Die Weltwirtschaft wächst momentan mit ungefähr 3,5%. Das ist zwar weniger als 2010 und 2011, aber nicht wesentlich unter dem Wert der Boomjahre 2003 bis 2007. Wie kann es also sein, dass trotz hohen Wachstums die Preise sinken?

Im ersten Teil des Artikels habe ich das Thema bereits angeschnitten. Wachstum und Rohstoffpreise sind grundsätzlich positiv miteinander korreliert. Seit einigen Jahren macht sich allerdings ein Strukturwandel bemerkbar, der die Korrelation etwas aufweicht. Die hohe Nachfrage aus China und anderen Schwellenländern wird zukünftig nicht mehr so stark wachsen wie im vergangenen Jahrzehnt. Die Gründe dafür liegen mehr oder weniger auf der Hand: die Schwellenländer haben zukünftig einen geringeren strukturellen Bedarf an Rohstoffen. Ein Großteil der Aufholbewegung ist vorbei, ein Großteil der Infrastruktur gebaut, Produktionsanlagen stehen und müssen erst nicht noch entstehen usw. China und Brasilien sind zwar noch nicht in allen Gebieten auf dem Niveau anderer Länder, aber der Aufholbedarf ist in den vergangenen 10 Jahren massiv geschrumpft. Die große Bewegung der Urbanisation, Industrialisierung, besseren Infrastruktur und starken Bevölkerungswachstums ist eher am Ende als am Anfang. Die Nachfrage wird sich entsprechend verhalten.

Neben diesen strukturellen Gründen gibt es auch Zweifel an der Stärke des Wachstums. Die Meldungen zu schwachen Wirtschaftsdaten aus den BRIC Ländern sind fast täglich zu lesen. Auch von dieser Seite ist mit keinem Impuls zu rechnen. Zudem wird sich der Fokus der Produktion verschieben. Ging es bisher darum, möglichst viel zu produzieren, reicht das heute nicht mehr für Wachstum. Viele Länder sind inzwischen billiger als China. Es wird mehr und mehr um Qualität und Kostensenkungen gehen. Kosten werden unter anderem gesenkt, indem weniger Rohmaterialien verbraucht werden. Das klingt fast zu banal, ist aber genau das, was vor 50 Jahren in den heutigen alten Industrieländern passiert ist. Verschwendung von Rohstoffen war kaum ein Thema. Wenn besonders die Lohnkosten zum Faktor werden, muss anderswo gespart werden. Verschwendung kann sich kein produzierendes Unternehmen mehr leisten.

Das wieder anziehende Wachstum in westlichen Ländern wird die Nachfrage nicht wesentlich beleben. Seit 10 Jahren ist die Nachfrage eher rückläufig – auch in Wachstumszeiten. Der nächste, massive Nachfrageschub ist erst zu erwarten, wenn die heute noch nicht industrialisierten Länder die Entwicklung beginnen, die auch China und andere Schwellenländer vor 20 Jahren begonnen haben.

Rohstoffzyklen und US Dollar

Der US Dollar hat einen starken Einfluss auf Rohstoffpreise. Nachdem Rohstoffe für gewöhnlich in USD gehandelt werden ist der Effekt einer Dollarauf- oder Abwertung groß. Je nach Rohstoffsegment unterscheiden sich die Effekte. Es macht daher Sinn, nach Energie, Landwirtschaft und Metallen zu unterscheiden. Der nächste Chart zeigt den von der Weltbank zusammengestellten Energieindex. Kohle ist mit 4,7%, Öl mit 84,6% und Gas mit 10,8% gewichtet. Ein gewisser Zusammenhang von Index und Dollarwert ist zu erkennen. So führte der stark steigende Dollar von 1980 bis 1985 zu fallenden Preisen. Ähnliches hätte man auch für die Zeit von 1994 bis 2002 erwarten können. Der Dollar stieg, also hätten auch Energiepreise fallen müssen. Dem war nicht so. Die negative Korrelation ist bei Energierohstoffen nur bedingt zutreffend. Der Ölpreis wird zwar vom Dollar beeinflusst, allerdings sind andere Faktoren, wie Förderkapazitäten und geopolitische Unsicherheit, viel wichtiger.

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Anders verhält es sich bei landwirtschaftlichen Produkten. Der Chart zeigt den Index für landwirtschaftliche Produkte und den USD Index. Hier ist die negative Korrelation sehr gut zu erkennen. Die Gewichte der einzelnen Produkte sind im Hintergrund abgebildet.

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Fehlen noch die Industrie- und Edelmetalle. Diese zeigen ebenfalls eine schöne negative Korrelation, wobei Edelmetalle mit Abstand die höchste negative Korrelation aufweisen. Das liegt vor allem daran, dass Gold und Silber zusammen ein Gewicht von 96% haben. Platin, welches auch industriell genutzt wird, kommt auf lediglich gut 3%. Gold und Silber hängen stark am USD bzw. eigentlich an den Realzinsen und somit indirekt an der Inflation. Die Realzinsen dürften in den kommenden Jahren wieder tendenziell steigen, was Gold und Silber besonders stark treffen wird. Obwohl Silber auch industriell genutzt wird ist dieser Faktor nicht so wichtig wie bei Platin, welches sich als Geldersatz nie so weit durchsetzen konnte wie Gold und Silber.

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Bei den Industriemetallen sind Kupfer und Aluminium klar übergewichtet. Während Kupfer wie alle anderen Industriemetalle einen langsamen Kapazitätszyklus haben (ist die Nachfrage sehr hoch, kann die Kupferproduktion nicht plötzlich massiv ansteigen, weil erst neue Kupferminen entstehen müssen), verhält es sich bei Aluminium anders. Hier sind die Industrieanlagen maßgebend. Die Kapazität stieg hier in den vergangenen Jahren stark an. Der Aluminiumpreis ist damit besonders der Überkapazität unterworfen. Real hat Aluminium in den vergangenen 100 Jahren 90% an Wert verloren. Ein Ende des Preisverfalls ist nicht in Sicht.

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Wo geht die Reise hin?

Durch den Einfluss des Dollars auf die Rohstoffpreise ist davon auszugehen, dass der Währungstrend für die kommenden Jahre einen anhaltend negativen Effekt auf die Preise haben wird. Der Dollar befindet sich seit 2011 in einem zaghaften Aufwärtstrend. Die jüngste Schwäche sollte dabei nicht überbewertet werden. Die Fed ist zwar wieder etwas zurückgerudert, was den Ausstieg aus der quantitativen Lockerung anbelangt, aber er wird kommen. Das wird den Dollar langfristig stärken. Hinzu kommen zyklische Wachstums- und Kapazitätsfaktoren. Die strukturelle Nachfrage nach Industrierohstoffen wird mehr und mehr abnehmen, da die Schwellenländer einen Großteil der Industrialisierung hinter sich haben. Was Wachstum anbelangt, ist nicht mit großen Impulsen zu rechnen. Die Schwäche der Schwellenländer dürfte sich in den kommenden Jahren fortsetzten, sodass das Weltwirtschaftswachstum einen Wert erreicht, der nicht mehr ausreicht, um das Angebot soweit zu verknappen, dass die Preise massiv steigen müssten. Im schlimmsten Fall geht das Wachstum sogar so weit zurück, dass die Nachfrage deutlich geringer steigt als das Angebot.

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Der letzte Chart zeigt alle drei Indizes zusammen mit dem USD Index. Die grauen Bereiche zeigen jeweils die Hoch- bzw. Tiefpunkte der Indizes und des Dollar Index. Versucht man historische Parallelen auf heute umzulegen, ergibt sich ein klarer Trend bis mindestens 2015, vielleicht auch 2017. Demnach ist kurz- bis mittelfristig mit einer Stabilisierung der Preise zu rechnen. Der erste Abwärtsimpuls dauerte im Durchschnitt zwei bis drei Jahre. Dort sind wir jetzt angelangt. Lediglich bei den Edelmetallen ist anhaltend mit Schwäche zu rechnen. Der Rebound, der gerade läuft, sollte noch nicht als Trendumkehr zu werten sein. Vielmehr ist ab 2014 mit weiteren Abgaben zu rechnen. Die horizontalen Striche am rechten Rand des Charts zeigen die zu erwartenden Preisniveaus am Ende der Abwärtsbewegung. Energierohstoffen droht ein Rückgang von 25%. Agrarrohstoffe und Industriemetalle haben vom heutigen Niveau nochmals 30 bis 35% Reduktionspotential. Bei Edelmetallen liegt der Wert ebenfalls bei ca. 30%. Gemessen an Gold sind Werte zwischen 850 bis 1.000 Dollar pro Feinunze vorstellbar. Für Anleger ist wichtig, Rohstoffe trotz der Zyklizität nicht blind leer zu verkaufen. Die Hälfte der Bewegung liegt bereits hinter uns und ein mittelfristiger Rebound läuft.

Ein Thema bin ich Ihnen jetzt noch schuldig geblieben: die Auswirkungen fallender Rohstoffpreise auf die Wirtschaft von Schwellenländern. Das ist ein sehr spannendes Thema und nicht vollkommen neu. Als der letzte Superzyklus in den Abwärtstrend eintrat, kam es zu größeren Verwerfungen. Davon bleiben natürlich auch die Rohstoffwährungen nicht verschont. Die Klassiker kanadischer und australischer Dollar könnten ebenfalls noch in Turbulenzen geraten. Diese beiden Themen sind meiner Meinung nach einen neuen Artikel wert.

Viel Erfolg

Clemens Schmale

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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