Fundamentale Nachricht
13:05 Uhr, 25.03.2020

Rohölmarkt: Das wird noch bitter...

Der Ölmarkt bleibt angesichts des Nachfrageschocks angesichts des Covid-19-Ausbruchs und des erwarteten Anstiegs des OPEC+-Angebots ab April unter Druck. Die Nachfrage verschlechtert sich weiter, da immer mehr Länder Stilllegungen und strengere Beschränkungen verhängen.

New York/ London (Godmode-Trader.de) - Die Aussichten für den Ölmarkt haben sich nach dem geplatzten OPEC+-Treffen Anfang März verdüstert. Das Scheitern hat einen Preiskrieg zwischen Saudi-Arabien und Russland ausgelöst. „Dieser hätte nicht zu einem schlechteren Zeitpunkt stattfinden können, da die Nachfrage durch weitreichendere Reisebeschränkungen und die Schließung von Ländern stark beeinträchtigt wurde“, konstatiert Analyst Warren Patterson von ING Research in einem aktuellen Marktkommentar. „Dass viele den Ausbruch als eine Angelegenheit Chinas und Asiens betrachteten, hat sich eindeutig als falsch erwiesen, da die Covid-19-Infektionen weltweit in die Höhe schnellen“, so Patterson. Von einer Verlangsamung des globalen Ölbedarfs könne keine Rede mehr sein. Stattdessen werde man einen deutlichen Nachfragerückgang gegenüber dem Vorjahr erleben.

Saudi-Arabien hat nach dem Scheitern des OPEC+-Abkommens seine Absichten deutlich gemacht. Der staatliche Ölkonzern Saudi Aramco hat seine offiziellen Verkaufspreise für Rohöl zur Lieferung im April sofort spürbar gesenkt. Riad plant zudem, das Angebot im kommenden Monat auf 12,3 Mio. Barrel pro Tag (bpd) zu erhöhen - das wären 300.000 bpd über der nachhaltigen Produktionskapazität des Landes und 2,6 Mio. bpd über dem Produktionsniveau im Februar.

Russland hat weniger Spielraum, seinen Ausstoß zu erhöhen, aber es wird allgemein erwartet, dass Moskau die Produktion in naher Zukunft um 200.000 bis 300.000 bpd anheben wird. „Es scheint, dass das Einzige, was die OPEC+ zurück an den Verhandlungstisch bringen könnte, um über die Stabilisierung des Marktes zu beraten, niedrigere Preise sein werden“, so ING-Analyst Patterson.

Berichte deuten darauf hin, dass der russische Präsident Wladimir Putin es nicht eilig hat, die Allianz mit der OPEC wieder mit neuem Leben zu füllen. Putin sieht Russland von Saudi-Arabien in Geiselhaft genommen. Offensichtlich ist, dass der Kreml-Chef auf einer gewissen Position der Stärke heraus argumentiert, da der russische Haushalt besser auf die niedrigen Ölpreise vorbereitet ist als der saudische. Russland kann einen Ölpreis von etwas mehr als 40 US-Dollar/Barrel verkraften, während die Saudis einen Preis in der Größenordnung von 80 US-Dollar/Barrel benötigen, um ihren Haushalt in trockenen Tüchern zu wissen.

Die Internationale Energieagentur sprach von einer „sehr, sehr schwierigen Situation", auch für die Verbündeten der OPEC. Es gehe hauptsächlich um einige der großen Öl produzierenden Länder, die trotz der Aufrufe der IEA ihre Volkswirtschaften nicht diversifiziert haben", sagte der Executive Director der International Agency (IEA), Fatih Birol, jüngst in einem Interview. Länder wie der Irak, Algerien und Nigeria - allesamt OPEC-Hersteller - dürften in größere Turbulenzen kommen, glaubt Birol. Er verwies auch auf Saudi-Arabien selbst, das Land ist weiterhin massiv vom Ölgeschäft abhängig, auch wenn man seit einiger Zeit versucht, diese Abhängigkeiten zu verringern.

Da keine Dringlichkeitssitzung anberaumt ist - trotz der gegenwärtig massiven Probleme - wird der Ölmarkt wohl den nächsten regulären OPEC-Treffen im Juni abwarten müssen, bis das Kartell eine Reaktion zeigen kann. Zu diesem Zeitpunkt ist es aus Sicht von ING-Analyst Patterson allerdings bereits zu spät, da der Markt schon jetzt mit einem riesigen Überschuss zu kämpfen hat. Angesichts des enormen aktuellen Nachfrageeinbruchs würde auch jeder dann getroffene Kompromiss nicht ausreichen, um den Markt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Stattdessen könnte dann höchstens der schiere Umfang des Überschusses im Laufe des zweiten Quartals reduziert werden.

Unterdessen wird erwartet, dass die US Ölförderung weiter abschmilzt. Die US-Energiebehörde EIA geht nun davon aus, dass die US-Produktion im Jahr 2021 um etwa 350.000 bpd zurückgehen wird. Es gab auch Forderungen von texanischen Regulierungsbehörden, dass der Bundesstaat eine Deckelung der Produktion in Betracht ziehen sollte.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

Mehr Experten