Reformen: Ein Weg zu mehr Widerstandsfähigkeit der Schwellenmärkte?
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Aufgrund der sich abkühlenden Weltwirtschaft stehen die Schwellenländer vor wachsenden Herausforderungen. Infolgedessen werden Strukturreformen immer wichtiger, um Kapital anzuziehen und das Wirtschaftswachstum zu unterstützen. Dennoch könnte sich das Tempo des Fortschritts verlangsamen.
Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) müssen die Schwellenländer ihre Reformen in sechs Zielbereichen verstärken, um ihre Volkswirtschaften in einem fragileren Umfeld zu schützen: Governance, Handel, Arbeit, inländische Finanzwirtschaft wie Steuerung der Zinssätze, externe Finanzwirtschaft und Marktregeln, einschließlich Eigentumsrechten.
Der Erfolg der Reformen hängt von einer Reihe von Faktoren ab, beispielsweise dem Zeitpunkt, der Umsetzung, dem Grad der Abhängigkeit der Wirtschaft eines Landes vom externen Kapital und der Wechselwirkung der Reformen mit der bestehenden institutionellen Infrastruktur.
Abgleich der Interessen
Es dauert möglicherweise länger als erwartet, bis Strukturreformen ihre Wirkung zeigen. Wenn sie aber auch auf die Unterstützung der lokalen Unternehmen, politischen Entscheidungsträger und allgemeinen Bevölkerung ausgerichtet sind, werden sie mit größerer Wahrscheinlichkeit langfristige Ergebnisse erzielen. Denken Sie beispielsweise an Brasilien, wo die schwierigen Rentenreformen, die der neu gewählte Präsident Jair Bolsonaro vorgeschlagen hat, am 22. Oktober 2019 vom Bundessenat mit Unterstützung von Politikern, Technokraten und Wählern verabschiedet wurden. Die Initiative hat das dringend benötigte Vertrauen der Anleger gestärkt.
Wie wichtig die Ausrichtung ist, zeigt sich auch in Chile, wo eine Welle gewalttätiger Proteste, die im vergangenen Oktober wegen der Erhöhung der U-Bahn-Tarife begann, die Wirtschaft beeinträchtigt. Jahrzehntelang galt das Land als Aushängeschild für marktfreundliche Reformen, die ausländisches Kapital anzogen und das Niveau der Gesamteinkommen nach oben zogen. Doch diese Politik führte auch zu einem massiven Wohlstandsgefälle innerhalb Chiles, das die jüngsten Proteste anfachte und die Wirtschaft unter Druck setzte.
Die Errungenschaften Polens
Auch die Stärke der bestehenden institutionellen Infrastruktur kann zur Wirkung von Reformen beitragen, wobei die Governance laut IWF zu den wichtigsten Komponenten zählt. Verbesserungen der Governance unterstützen nicht nur direkt ein produktiveres Wirtschaftswachstum, sondern verstärken indirekt auch die Wirkung neuer, nicht damit zusammenhängender Reformen.
Polen zum Beispiel hat 30 Jahre lang Strukturreformen durchgeführt. Der zentrale politische Kurs war konsequent und fand Unterstützung in der Öffentlichkeit. Nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union im Jahr 2004 profitierte das Land von den Reformen der Vorjahre und konnte so die neuen Möglichkeiten und das beispiellose Wachstum in vollem Umfang nutzen. Das Pro-Kopf-BIP Polens ist seit 1989 um fast 150 Prozent gestiegen. Polen ist damit die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft Europas in diesem Zeitraum. Das Land ist eines der besten Beispiele dafür, was abgestimmte Reformen im Laufe der Zeit bewirken können.
Allerdings gibt ein kürzlich verabschiedetes Gesetz, das die Unabhängigkeit der Justiz auf eine harte Probe stellt, international Anlass zur Sorge. Die polnische Regierung hat ein Gesetz eingeführt, das besagt, dass Richter im Hinblick auf ihre Gerichtsurteile überprüft und sanktioniert werden können. Das Gesetz wird von der Europäischen Kommission vor dem höchsten europäischen Gericht angefochten. Der Versuch des Landes, die richterliche Aufsicht einzuschränken, könnte auch die Governance-Infrastruktur Polens untergraben und potenzielle Anleger abschrecken.
Probleme isoliert anzugehen, ohne zu berücksichtigen, wie sie sich auf andere Teile der Wirtschaft auswirken könnten, kann jeglichen Nutzen zunichtemachen. Gleichzeitig müssen den Reformen die einzigartigen Umstände jedes Landes zugrunde liegen. Ein Erfolg ist nur möglich, wenn die Ziele intern und extern aufeinander abgestimmt sind.
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