Kommentar
14:59 Uhr, 08.09.2020

Rebound des Tourismus?

Die Feriensaison geht langsam zu Ende. Die Bilanz ist ernüchternd. Das Ausmaß der Ernüchterung fällt je nach Region und Sektor unterschiedlich aus.

2020 war ein schweres Jahr für den Tourismus. Aug den Strandurlaub in Italien oder Spanien verzichteten dieses Jahr viele Europäer. Obwohl es für die meiste Zeit des Sommers möglich war zu reisen, blieben viele lieber im Heimatland. Es ist noch zu früh, um eine endgültige Bilanz zu ziehen. So manches Tourismusland wie Spanien dürfte aber Einbußen zwischen 50 % und 65 % hinnehmen müssen. Das zeigt sich auch anhand der transportierten Fluggäste. Deutschland hat die größte Einwohnerzahl und Deutsche reisen gerne ins nahe und ferne Ausland. Die Zahl der transportierten Fluggäste an deutschen Flughäfen war allerdings ein Trauerspiel. Im Vergleich zum Vorjahr wurden 75 % weniger Fluggäste transportiert. Nun sind nicht 75 % weniger in europäische Länder geflogen. Der innereuropäische Einbruch ist weniger stark ausgeprägt als bei Interkontinentalflügen. Trotzdem ist der Einbruch katastrophal. Dies gilt insbesondere für die Sommermonate. Das Flugaufkommen ist stark saisonal. Im Sommer 2019 wurden pro Monat mehr als 20 Mio. Fluggäste transportiert. Im Februar, dem schwächsten Reisemonat, waren es nur 14 Mio. Für Fluglinien ist 2020 ein herber Schlag. Viele Fluglinien verdienen nur im Sommer Geld und leben davon für den Rest des Jahres. In diesem Jahr gibt es keinen positiven Cashflow, von dem man überleben könnte.


In den USA ist die Lage ebenfalls schlecht, aber etwas weniger schlecht. Hier liegt der Einbruch bei 60 % (Grafik 2). Das ist natürlich auch nicht gut, es ermöglicht vielen Airlines jedoch immerhin weniger Cash zu verbrennen als in Europa. Mit Ende der Sommersaison laufen zudem viele Fristen aus, die bisher dazu geführt haben, dass Massenentlassungen nicht stattfinden konnten.

Staatliche Hilfe war an den Arbeitsplatzerhalt geknüpft. Das ist für Arbeitnehmer positiv. Der Staat hoffte, dass die Krise im Herbst vorbei sein würde und dann die Arbeitsplätze gar nicht erst wegfallen würden. Die Kapazitätsauslastung bleibt auf absehbare Zeit unterdurchschnittlich. Amerikanische Airlines künden daher Entlassungen von mehreren 10.000 Personen an.

Diese Kapazitätsanpassung auch beim Personal ist notwendig. Man kann nicht die gleiche Anzahl an Personen beschäftigen, wenn die Hälfte der Flotte am Boden steht. Dieser Prozess wird in den USA schneller ablaufen als in Europa. Airlines sind auch in den USA noch von Gewinnen weit entfernt, der Trend ist hingegen positiver als in Europa.

Vor knapp zwei Monaten schrieb ich einen Artikel mit dem Titel „Airline-Aktien: Schnell 50 % Gewinn einfahren?“ Seither hat der ETF mit dem Kürzel JETS (ISIN US26922A8421) nicht 50 % gewonnen. Immerhin waren es 18 %, gegenüber 6 % für den Markt.

Mittelfristig bleibt der Ausblick für den Sektor verhalten positiv, vor allem wenn der erste Impfstoff zu Jahresende verteilt wird. Der Weg nach oben wird für den Sektor sehr holprig bleiben. Für schwache Nerven ist das nichts. Wer etwas Sitzfleisch hat, findet bei US-Airlines noch relativ günstige Bewertungen.

Clemens Schmale


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1 Kommentar

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  • Tüskendör
    Tüskendör

    "In den USA ist die Lage ebenfalls schlecht, aber etwas weniger schlecht. Hier liegt der Einbruch bei 60 %..."

    Möglicherweise ein Deutungsfehler: Die USA sind gegenüber Covid-19 schlicht ignoranter, auch deshalb gibt es dort mehr Infizierte, mehr Tote und mehr Flugbewegungen. Wer am Ende auf dem ökonomischen Siegertreppchen landen wird ist indes zunächst völlig offen.

    "Mittelfristig bleibt der Ausblick für den Sektor verhalten positiv, vor allem wenn der erste Impfstoff zu Jahresende verteilt wird."

    Ja, wenn. Der einfache Konjunktiv kann irreführend sein:

    falls der erste Impfstoff zu Jahresende verteilt werden sollte... anderenfalls wäre der Ausblick für den Sektor m.E. schwer negativ - zumal die Hoffnung auf einen frühen und funktionalen Impfstoff bereits hochgradig eingepreist zu sein scheint... (erkennbar daran, dass insolvente Fluglinien z.B. heute den Markt unter den wenigen "Gewinnern" quasi stützen).

    00:58 Uhr, 09.09.2020

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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