Realwirtschaft zeigt Anzeichen von Normalisierung – Geldpolitik im Schatten der Euro-Krise
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1. Der Deka-EZB-Kompass ist im Dezember von revidierten 51,4 Punkten auf 52,0 Punkte gestiegen. Damit sind bereits wieder Werte erreicht, die zu normalen Zeiten der Europäischen Zentralbank nahelegen würden, an Zinserhöhungen zu denken. Allerdings muss man die Gründe für den Anstieg berücksichtigen, der insbesondere in der ersten Jahreshälfte des abgelaufenen Jahres stattgefunden hat und der in diesem Monat einen vorläufigen Hochpunkt errecht hat. Es sind nämlich insbesondere die realwirtschaftlichen Komponenten des Scoringmodells, die für die hohen Werte verantwortlich sind. So stieg die Industrieproduktion in Euroland im Dezember bei geschätzt 6 Prozent im annualisierten Sechs-Monatsvergleich und damit weiterhin sehr stark an. Das ebenfalls schon stark ausgeprägte Wirtschaftsvertrauen, gemessen am Economic Sentiment, legte im Dezember ebenfalls noch einmal zu. Erstmals lagen auch die Erzeugerpreise an, dass das 1. Halbjahr überdurchschnittlich stark gewesen ist und die annualisierte Sechsmonatsrate sich gegenwärtig normalisiert. Auch nahm die Kapazitätsauslastung im Durchschnitt der EWU-Länder weiter zu. Dem steht weiter eine äußerst geringe Kreditvergabe gegenüber, die den Kompasswert stark nach unten beeinflusst. Insgesamt spiegelt sich in diesen Werten auch die Entscheidungssituation der EZB wider: von der konjunkturellen Seite wird zunehmend eine Normalisierung gemeldet, das Finanzsystem kann hiervor allerdings noch nichts spüren. In die Werte unseres Scoring Modells gehen dabei Faktoren wie die Belastungen aus der Euro-Krise noch nicht einmal ein. Erst wenn diese sich beruhigt hat, können die fundamentalen Daten unserer Betrachtung wieder im Vordergrund der Zinsentscheidungen stehen. Da wir mit einer Beruhigung in der Konjunkturdynamik rechnen und auch kein Anspringen der Inflationserwartungen sehen, müssen die jetzigen Werte noch nicht als Alarmsignal gewertet werden, sondern eher als Erinnerungsposten, dass der Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung langsam näher rückt.
2. Bereits diesmal haben wir die Daten Estlands mit berücksichtigt, das zum Jahreswechsel in die Währungsunion aufgenommen worden ist, so dass eine geringe Verzerrung des aktuellen Wertes gegenüber den Vorgängern vorliegt. Estland ist jedoch zu klein, um die angelegten Dynamiken in den Kompasswerte sichtbar zu beeinflussen. Was für die makroökonomischen Aggregate gilt, ist jedoch kein Grund, die Bedeutung eines neuen Euro-Mitgliedslandes zu schmälern. Wenn aus den letzten beiden Jahren eine Lehre zu ziehen ist, dann diese, dass ökonomische Größe eines Mitgliedslandes nicht ausschlaggebend für die ökonomischen und politischen Probleme ist, die es mit sich bringen kann. Unter Umständen müssen Ungleichgewichte etwa im Handel mit den übrigen Mitgliedsstaaten oder beim Defizit der Öffentlichen Haushalte schnell einmal korrigiert werden, ohne eine Wechselkursanpassung zur Hilfe nehmen zu können. Für Estland spricht, dass sowohl der öffentliche Finanzierungssaldo mit etwa einem Prozent in Relation zum BIP als auch der Leistungsbilanzsaldo (+4,8 Prozent) bereits seit längerer Zeit keinen Grund zur Beanstandung geben. Die Geldpolitik der EZB wird durch den Beitritt des neuen Mitglieds keinen Änderungsbedarf erfahren.
3. Im Übrigen beginnt das neue Jahr dort, wo das alte aufgehört hat: Mit Sorgen über die finanzielle Stabilität einer Reihe von Mitgliedstaaten der Währungsunion und damit über die Stabilität der Währungsunion selber. Der noch vor Weihnachten abgehaltene Gipfel der europäischen Regierungschefs brachte zwar das gewohnte Bild, in dem die Europäische Politik versichert, "eine stabile Währung und ein stabiles Europa sicherzustellen". Ein permanenter Krisenmechanismus wurde auch wie erwartet beschlossen, doch die Vorbehalte der Kapitalmärkte, wie es konkret mit dem Finanzierungsbedarf der Länder im neuen Jahr weitergehen sollte, blieben bestehen. Dementsprechend weiteten sich die Spreads Portugals in den ersten Tagen des neuen Jahres aus und brachten das Land ein Stück näher der Inanspruchnahme von Mitteln aus dem jetzigen Rettungsfonds, der Europäischen Stabilitätsfazilität - trotz verstärkter Käufe von portugiesischen Staatsanleihen durch die EZB. Zwischendurch folgten auch wieder Erleichterungen, etwa nach der gestrigen erfolgreichen Emission Portugals: ein gängiges Muster. Die Spannungen innerhalb des Euro sind damit noch nicht gelöst und behindern weiterhin die geplante Normalisierung der Geldpolitik durch die EZB; ob die vorab bekannt gewordenen Überlegungen der Finanzminister zur Aufstockung des Rettungsschirms sowie Zinserleichterungen die Lage nachhaltig entspannen, kann gegenwärtig noch nicht gesagt werden. Vor diesem Hintergrund sind auf der Pressekonferenz am Donnerstag keine neuen Erkenntnisse über den Ausstieg aus den unbegrenzten Liquiditätsmaßnahmen zu erwarten, nachdem diese auf der Dezember-Sitzung zunächst einmal bis in den April hinein verlängert worden waren.
4. Trotzdem wird sich die EZB in diesem Jahr mit neuen Themen beschäftigen müssen. Die Deflationsängste haben sich gelegt, denn trotz der nach wie vor unbefriedigenden Wirtschaftsdynamik in den USA müssen sich die EU-17-Länder keine Gedanken über einen bevorstehenden Wirtschaftseinbruch machen. Die Kapazitätsauslastung ist weiterhin hoch genug, um die Inflationsraten stabil zu halten. Damit stellt sich die Frage, wie lange die extreme Niedrigzinspolitik noch gerechtfertigt ist, insbesondere wenn Rohstoffpreisanstiege die sichtbare Inflation sowie die Inflationserwartungen schnell nach oben treiben können. Unser EZB Kompass zeigt sich hier allerdings entspannt: Er wird voraussichtlich in diesem Jahr noch nicht in den Bereich entwickeln, in dem eine restriktive Geldpolitik unvermeidlich wird - insbesondere, weil die monetäre Komponente der Kreditvergabe noch sehr verhalten ausfällt. Sollte sich die Konjunkturerholung allerdings wie bisher fortsetzen, dann besteht im kommenden Jahr Zinserhöhungsbedarf, der in diesem Jahr seine Schatten an den Kapitalmärkten vorauswerfen wird.
Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 160 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.
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