Kommentar
08:51 Uhr, 24.04.2015

Premiere in China: Staatsunternehmen bedient Schulden nicht

Schulden chinesischer Staatsunternehmen gelten als ausfallsicher, weil im Notfall von einer Rettung durch die Regierung ausgegangen wird. Diese Woche zeigt der Staat: nein, wir retten nicht.

Chinas Wirtschaft ist nicht gerade ein Vorbild in Sachen Effizienz und Produktivität. Das ist ein offenes Geheimnis. Viele Staatsunternehmen sind schon seit Jahren bankrott, nur wahrhaben will es keiner. Was nicht sein darf, ist auch nicht. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass diese Unternehmen oft nur noch leere Hüllen sind. Außer Schulden steckt meist nichts dahinter. Trotzdem werden diese Unternehmen vom Bankensektor immer weiter am Leben gehalten. Kreditwürdig sind die Firmen zwar nicht, aber das hindert nicht daran, immer neue Kredite zu vergeben. Die Logik der Banken: die Regierung wird ein Staatsunternehmen schon nicht in die Insolvenz gehen lassen.

Diese Woche bediente ein Staatsunternehmen (Boading Tianwei Baobian Electric) seine Schulden nicht. Für eine bis 2016 laufende Anleihe wurden Zinszahlungen fällig, die nicht geleistet wurden. Damit ist das Unternehmen nun offiziell in Default. Das ist eine absolute Neuheit. Im vergangenen Jahr bediente die Kaisa Group eine Anleihe nicht. Es handelte sich dabei jedoch um ein privates Unternehmen und kein Staatsunternehmen. In der jüngeren Geschichte ist dieser Default ein absolutes Novum und galt eigentlich als undenkbar.

Anleger bringt das nicht aus der Ruhe. Der Aktienmarkt steigt weiter. Der Shanghai Composite führt seine fast schon unheimliche Rallye einfach weiter fort. Obwohl es sich geradezu um einen historischen Fall handelt wird es komplett ignoriert. Gut ist das nicht, denn Anleger laufen hier ins offene Messer. Chinas Regierung hat klargemacht, dass sie nicht jedes Unternehmen retten wird. Bedenkt man die enormen Schuldenberge der staatlichen Unternehmen, dann ist das bedenklich. Würden alle Unternehmen, die eigentlich nicht überlebensfähig sind, fallengelassen, dann ist die lang erwartete Finanzkrise in China schneller da als man schauen kann.

Anleger sind sich jedoch sicher, dass es soweit nicht kommen wird. Es wird auch nicht passieren. Die Regierung wird die Banken, die hohe Summen an Staatsbetriebe verliehen haben, schützen. Einen Credit Crunch wird die Regierung nicht zulassen. Dafür geht sie einen ganz eigenen Weg. Sie lässt private Gläubiger bluten. Sie schützt die Banken und verlagert die Verluste auf private Gläubiger. Staatsunternehmen haben ebenso wie die Lokalregierungen massenweise Anleihen ausgegeben. Davon stehen nun einige im Feuer.

Langfristig muss die Regierung etwas tun. Die Schuldenberge sind zu hoch und Kapital ist falsch allokiert. Viel Geld hängt in ineffizienten Staatsbetrieben fest. Vor allem die kleineren werden auf Kosten privater Anleger nun wahrscheinlich nach und nach in die Insolvenz geschickt. Einerseits ist das ein Zeichen der Straffung, andererseits wird an anderer Stelle auch gleich wieder gelockert. Die Zentralbank senkte am Wochenende den Reservesatz für Banken. Banken müssen nun nur noch 18,5% der ausstehenden Kreditsumme in Form von Einlagen oder Bargeld halten. Vor der Senkung des Reservesatzes waren es 19,5%.

Die Senkung um einen Prozentpunkt erscheint klein. Es bedeutet aber, dass Banken mit den vorhandenen Reserven nun 200 Mrd. USD mehr an Kredit vergeben können. Diese zusätzliche Lockerung wird wahrscheinlich auch angenommen werden. Chinesische Banken haben bisher selten eine Möglichkeit verstreichen lassen, wenn es darum ging mehr Kredit zu vergeben. An anderer Stelle ist die Notenbank nicht so großzügig. Sie fährt ihre Reverse Repo Geschäfte deutlich zurück. Bei Reverse Repo Geschäften kauft die Zentralbank Wertpapiere bei den Geschäftsbanken. Diese müssen die Papiere zu einem vorher definierten Zeitpunkt wieder zurückkaufen.
Seit Ende Februar (Grafik 2) werden mehr Reverse Repos beendet als wieder neue eingegangen werden. Die Zentralbank entzieht dem Markt so Liquidität. In der vergangenen Woche waren es 20 Mrd. Yuan. Seit Ende Februar wurden insgesamt 400 Mrd. Yuan abgezogen. Das entspricht 65 Mrd. USD.

China bleibt sich damit treu. Es betreibt eine widersprüchliche Politik. Durch das eine Instrument wird gelockert, durch das andere gestrafft. Es wird versucht die Wirtschaft dadurch in bessere Bahnen zu lenken. Ob das gelingt weiß keiner. Je mehr die Regierung hier allerdings lenkt und absichtlich Stress erzeugt (indem etwa Staatsunternehmen bankrott gehen dürfen) desto höher ist die Gefahr eines Unfalls. Es könnte wegen der äußerst aktiven Steuerung auch schnell einmal nicht so enden wie gewünscht. Dann ist die Krise sehr schnell da. Passieren wird es vermutlich nicht. China betreibt diese Politik schon seit vielen Jahren und ist recht gut darin. Für Klarheit sorgt das jedoch nicht und man weiß nie welches Unternehmen das nächste Bauernopfer ist oder wie stark die Regierung auf private Vermögen zurückgreifen wird, z.B. indem Anleihen schlicht ausfallen während die Bankkredite bedient werden. Politische Märkte sind extrem schwierig. Persönlich reizt mich der chinesische Markt daher im Moment überhaupt nicht.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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