Preismanipulationen am Aluminiummarkt: Versteckt es irgendwo, dass es niemand sieht!
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Erwähnte Instrumente
In diesen Tagen lohnt es sich, hinter die Kulissen der vordergründig in den Medien als besonders wirksam bezeichneten Regierungs- und Zentralbankmaßnahmen zu blicken. Ganz besonders interessant sind die außerordentlichen Maßnahmen der Chinesen zum Schutze ihrer Aluminiumindustrie.
Als die Marktpreise für Aluminium in den letzten Tagen des Jahres 2008 bis auf die Produktionskosten zurückfielen, begann die chinesische Regierung damit, große Mengen Aluminium vom Markt aufzukaufen und diese in ihren strategischen Lagerbeständen zu horten. Der zentrale Lagerverwalter, das State Reserve Bureau, kaufte seit Jahresbeginn 590,000 Tonnen Aluminium mit Geboten über dem Marktpreis. Auch chinesische Kraftwerke haben damit begonnen, Aluminium vom Markt zu kaufen, um die Preise zu stützen und ihre Kunden – die energieintensiven Aluminiumschmelzer – vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Die Regierung in Peking vergab Notkredite an Aluminiumschmelzer, um ihnen damit zu ermöglichen, ihre Lagerkosten zu finanzieren.
Aluminiumproduzenten außerhalb Chinas arbeiten mit ähnlichen Mitteln. Es liegt teilweise noch im Dunkeln, doch scheint es, dass UC Rusal, der größte russische Aluminiumhersteller, einen großen Teil seiner auf Lager liegenden Produktion an den weltgrößten Rohstoffhändler Glencore verkaufte. Glencor ist mit einem Anteil von 9,7 Prozent Großaktionär bei UC Rusal.
Das verkaufte Metall verschwindet von der Bildfläche und wird in Lagerhallen ohne Meldungspflicht aufbewahrt. Glencore, der größte Rohstoffhändler aus dem schweizerischen Baar, befindet sich in privater Hand und hat es in der Vergangenheit trotz öffentlichen Drucks abgelehnt, irgendwelche Firmendaten oder Bilanzen offenzulegen. Glencore ist eine Black Box.
Die Motivation der Chinesen, aber auch der russischen Produzenten ist vor allem durch eines getrieben: Den Willen zu überleben. UC Rusal befindet sich gerade in Gesprächen mit über 70 Banken, um Kredite im Gesamtwert von 7,3 Milliarden US-Dollar neu auszuhandeln. Das ist kein guter Zeitpunkt, um eine große Menge Aluminium an der LME zu verkaufen, wo die Aluminiumlager zuletzt auf den höchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen gestiegen sind. Sie sind heute mit fast viermal soviel Aluminium gefüllt, wie noch im September 2008.
Da UC Rusal zu den Aushängeschildern der russischen Rohstoffwirtschaft zählt, sind die Verhandlungen des Konzerns mit den Banken über die Neustrukturierung seiner Kredite eine Art Lackmustest für die Fähigkeit des gesamten Russlands, seine Auslandsschulden von 453 Milliarden US-Dollar verwalten zu können. Das Gelingen der Verhandlungen ist als von nationaler Bedeutung.
Falsche Signale
Die kurzfristige Entlastung, die aus den geschilderten Maßnahmen für Chinas Produzenten und UC Rusal erzielt werden kann, könnte sich als langfristig verheerend für den Aluminiumsektor herausstellen.
Peking öffnete durch die Manipulation der domestischen Aluminiumpreise ein Arbitragefenster, das nun von Händlern bereitwillig angenommen wird. Sie kaufen relativ günstiges Aluminium auf dem Weltmarkt und verkaufen es teurer in China, um von dem Preisunterschied zu profitieren. Dabei benötigt China diese riesigen Mengen Aluminium überhaupt nicht. China ist der weltgrößte Produzent und war bis zu den Regierungsmaßnahmen der weltgrößte Exporteur des Metalls. Das hat sich geändert. In den ersten fünf Monaten 2009 importierte China 737,000 Tonnen. Allein in diesem Monat erwarten die Zollbehörden, dass weitere 300,000 Tonnen ihre Kontrollen passieren werden.
Die chinesischen Lagerbestände steigen in nie da gewesener Geschwindigkeit an, da aber nicht alle Arbitrage-Käufe in offiziellen Vorratshallen gelagert werden, weis niemand, möglicherweise selbst die chinesische Regierung nicht, wie viel Aluminium sich jetzt tatsächlich in China befindet.
Doch nicht nur für chinesische Wirtschaft sind die kurzfristig gedachten Maßnahmen langfristig negativ. Das falsche Signal, dass durch die Geheimhaltung von Aluminiumbeständen am Markt erzeugt wird, regt die Gründung neuer Aluminiumschmelzer in China und weltweit an. Auch bereits stillgelegte Anlagen werden in diesen Tagen wieder in Betrieb genommen und produzieren Aluminium, um es zu künstlich oben gehaltenen Marktpreisen verkaufen zu können. Schätzungen der Non-Ferrous Metals Industry Association in China wuchs im Mai die chinesische Aluminiumproduktion um annualisiert 733,000 Tonnen, womit die aus dem gefallenen Aluminiumpreis resultierenden Produktionskürzungen außerhalb Chinas bereits vollständig aufgehoben wurden.
Signalfunktion des Preises ins Gegenteil verkehrt
In anderen Worten: Die Signalfunktion des Preises wurde aufgehoben und in ihr Gegenteil verkehrt. Die niedrigen Preise sollten eigentlich dazu führen, dass die Schmelzer ihre Öfen auf Sparflamme laufen lassen. Durch die manipulierten chinesischen Preise steigern sie aber ihre Produktion in einer Zeit, in der deutlich weniger Aluminium benötigt wird. Das Internationale Aluminiuminstitut schätzt die weltweite tägliche Aluminiumproduktion im Mai auf 95,400 Tonnen, das ist soviel wie seit Februar nicht mehr. Wenn sich der chinesische Produktionstrend fortsetzt, wird die weltweite Aluminiumproduktion in diesem Jahr sogar weiter wachsen, obwohl die Weltwirtschaft laut Weltbank-Prognose um 3 Prozent schrumpfen wird.
Trotz all der Hoffnungen auf eine Konjunkturerholung in der zweiten Jahreshälfte gibt es bislang keine Anzeichen dafür, dass die Aluminiumnachfrage sich in dem Maße erhöhen könnte, wie sich die Produktionsmengen ausweiten. Schlüsselsektoren auf der Nachfrageseite wie der Automobilsektor könnten einen Boden gefunden haben, doch niemand weis, wie stark die Erholung jetzt sein wird oder ob es überhaupt eine Erholung geben wird.
Insofern beginnt der Aluminiumsektor sein primäres Kundensegment, die Automobilindustrie, zu spiegeln. Die Automobilbranche in Europa und den USA ist eine von der Regierung subventionierte Arbeitsplatzerhaltungsmaschine geworden, die das zugrunde liegende Problem von Überkapazität ignoriert. Die Chance, die Automobilindustrie in der Krise zu restrukturieren wird insbesondere in Europa nicht genutzt, da sich Politiker gegen die Schließung von Werken stellen. Somit sind nicht nur Großbanken an der Wall Street oder große Automobilhersteller „zu groß, um zu scheitern“, sondern auch Schmelzer wie Chinas Calco oder Russlands UC Rusal oder der gesamte weltweite Aluminiumsektor.
Quelle: Rohstoff-Report
Melden Sie sich jetzt gleich kostenfrei zum Rohstoff-Report an unter www.rohstoff-report.de
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.