Fundamentale Nachricht
13:08 Uhr, 27.08.2024

Powells Rede - In der Zinsfalle?

David Page, Head of Macro Research bei Axa Investment Managers, analysiert die jüngste Rede des Fed-Vorsitzenden Jerome Powell und zieht Schlussfolgerungen für den Verlauf des Zinssenkungszyklus der Fed.

- Powell hebt hervor, dass das Vertrauen in die sinkende Inflation zugenommen hat und „die Zeit für eine Anpassung der Politik gekommen ist“.

- Der genaue Zeitpunkt und das Tempo der Lockerung werden von den Daten bestimmt, jedoch sieht Powell „reichlich Spielraum“, um auf das „Risiko“ einer Lockerung auf dem Arbeitsmarkt zu reagieren.

- Im Gegensatz zu anderen Rednern, die einen schrittweisen und moderaten Ansatz befürworten, unterstützt Powell implizit eine aggressivere Marktpreisgestaltung.

- Unsere Prognose bleibt, dass die Lockerung geringer ausfallen wird als die vom Markt erwarteten 100 Basispunkte in diesem Jahr und 200 Basispunkte innerhalb eines Jahres.

- Wir erwarten zwei Zinssenkungen in diesem Jahr, erkennen jedoch das Risiko an, dass die Fed auch drei aufeinanderfolgende Zinssenkungen vornehmen könnte.

- Zudem glauben wir, dass eine mögliche Wiederwahl von Trump den Handlungsspielraum der Fed für eine Lockerung im nächsten Jahr einschränken könnte.

Auf der Fed-Konferenz in Jackson Hole hat der Fed-Vorsitzende Powell jüngst die Hauptrede gehalten. Die Märkte blickten gespannt darauf, welche Richtung Powell im Vorfeld der kommenden Sitzung des Offenmarktausschusses einschlagen würde – insbesondere vor dem Hintergrund der erwarteten Einleitung des Lockerungszyklus, der stabilen Wirtschaftsdaten sowie der stärkeren Marktbewegungen.

Jerome Powell enttäuschte nicht. Er bekräftigte seine gestiegene Zuversicht, dass sich die Inflation auf einem nachhaltigen Kurs zum Zielwert befindet. Zudem wies er darauf hin, dass sich der Arbeitsmarkt von einem überhitzten Niveau ausgehend erheblich abgekühlt habe, und dass die Fed nun eine weitere Abkühlung weder „anstrebt noch begrüßt“. Powell stellte fest, dass die Konjunktur weiterhin robust sei, die Inflation als auch der Arbeitsmarkt sich jedoch in einer Entwicklungsphase befänden. Er erklärte, dass „die Zeit für eine geldpolitische Anpassung gekommen ist“ und dass „Timing und Tempo“ der künftigen Anpassungen von der Datenlage, den sich ändernden Aussichten und dem Risikogleichgewicht abhängen würden. Er kam jedoch zu dem Schluss, dass die Fed beim Zurückfahren der geldpolitischen Beschränkungen „reichlich Spielraum“ habe, die Inflation auf zwei Prozent zu senken, einen starken Arbeitsmarkt zu aufrechtzuerhalten, und auch auf das Risiko einer unerwünschten weiteren Lockerung des Arbeitsmarkts reagieren zu können.

Seit dem überraschenden Anstieg der Inflation im ersten Quartal halten wir den September für den wahrscheinlichsten Zeitpunkt für eine erste Lockerung der Geldpolitik durch die Fed. Entscheidend bleibt jedoch die Frage nach dem Tempo der Lockerung. Auch wenn sich Powell auf keinen konkreten Ausblick festgelegt hat, so schien er den Erwartungen einer raschen Lockerung entgegengekommen zu sein. Einen Ausblick wird dann voraussichtlich die Zinsprognose im September liefern. Der Median der FOMC-Teilnehmer erwartete im Juni übrigens nur eine Zinssenkung für dieses Jahr. Seine Bemerkung, er habe „reichlich“ Spielraum, um auf das „Risiko“ einer unerwünschten Entspannung auf dem Arbeitsmarkt zu reagieren, lässt darauf schließen, dass die Fed möglicherweise eine schnellere Lockerung in der ersten Phase des Zyklus in Betracht zieht. Dies steht im auffälligen Gegensatz zu den zurückhaltenderen Äußerungen von Collins von der Boston Fed und Harker von der Philadelphia Fed, die ihre Erwartungen an die zukünftige Geldpolitik mit „schrittweise“ und „moderat“ umschrieben. Powell erwähnte weder das eine noch das andere, was die aktuellen Markterwartungen eher bestätigt. Das weckt Erinnerungen an die Pressekonferenz der Fed im Dezember des letzten Jahres, als angenommen wurde, dass Powell die aggressiven Markterwartungen für Zinssenkungen im Jahr 2024 überprüfen würde. Das tat er jedoch nicht, sondern verstärkte die Erwartungen weiter, was Anfang dieses Jahres zu einer drastischen Kehrtwende führte. Tatsächlich ging Powell nicht auf die finanziellen Bedingungen ein, die bereits vor seiner Rede so locker waren wie seit Mitte 2022 nicht mehr und wieder auf dem Niveau vor der Pandemie lagen. Inzwischen haben sie sich noch weiter gelockert.

Wir bleiben in unserem Ausblick vorsichtiger. Eine übertriebene Abschwächung des Arbeitsmarktes im Sommer hatten wir zwar erwartet, aber für die kommenden Monate zeigen die zukunftsgerichteten Daten Anzeichen einer Stabilisierung, während das Wirtschaftswachstum solide bleibt (Atlanta Now Tracker für Q3 bei 2,0 Prozent). Wir erwarten zudem eine weiche Landung. Daher rechnen wir auch seit jeher damit, dass die Fed die Zinssätze in den kommenden Jahren schrittweise senken wird. Gleichzeitig sind wir uns jedoch bewusst, dass eine mögliche Wiederwahl Donald Trumps zum Präsidenten zu neuen Angebotsschocks führen könnte, die den Spielraum der Fed für eine Lockerung einschränken könnten. Wir erwarten zwei Zinssenkungen in diesem Jahr – im September und Dezember –, sind uns jedoch des Risikos bewusst, dass die Fed den Zyklus möglicherweise beschleunigt und im November eine weitere Senkung einschiebt. Die Aussichten für das nächste Jahr hängen von den Wahlen ab: sollte Trump wiedergewählt werden, könnten nur zwei Zinssenkungen im kommenden Jahr erfolgen. Eine Senkung um 50 Basispunkte in einer der diesjährigen Sitzungen halten wir für unwahrscheinlich, und wir rechnen auch nicht mit einer Lockerung um 200 Basispunkte bis zu diesem Zeitpunkt im nächsten Jahr.

Die Zinsmärkte reagierten auf Powells Rede eher verhalten. Die eingepreiste Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung um 50 Basispunkte im September stieg um fast zehn Prozentpunkte auf 25 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit einer Lockerung um 100 Basispunkte in diesem Jahr um 30 Basispunkte nahm zu und ist nun vollständig eingepreist. Die Renditen zweijähriger US-Staatsanleihen fielen um acht Basispunkte auf 3,93 Prozent, und die Renditen 10-jähriger Anleihen sanken um fünf Basispunkte auf 3,80 Prozent. Im Gegensatz dazu gab der Dollar gegenüber einem Währungskorb um 0,7 Prozent nach (und fiel unter anderem auf 1,118 USD je Euro). Die weltweiten Aktienkurse stiegen unterdessen, einschließlich des S&P 500-Index, der während der Rede um 0,4 Prozent zulegte.

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