Kommentar
11:21 Uhr, 02.05.2012

Piraten wollen ESM entern

Irgendjemand hat sich den Begriff Zentrifugalkräfte ausgeliehen, um zu beschreiben, was derzeit in der europäischen Politik passiert. Tatsächlich passt das Bild sehr gut. Denn nachdem die europäischen Politiker monatelang darum gekämpft haben, die Eurozone zusammenzuhalten, bekommen nun jene politischen Kräfte Oberwasser, die sich gegen die unheilvolle Kombination aus „Sparen – Transferieren - Euro retten“ aussprechen. Das mühsam gezimmerte System Eurozone droht, uns um die Ohren zu fliegen. In Frankreich steht Francois Hollande vor der Wahl zum Präsidenten und könnte dem Fiskalpakt von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy den Garaus machen. In Holland ist die Regierung im Disput um Haushaltsfragen zerbrochen. Und in Griechenland steht nicht mehr und nicht weniger als die Euro-Mitgliedschaft zur Wahl. Vieles spricht dafür, dass auch dort jene Kräfte gestärkt werden, die den Sparbemühungen abschwören.

In Deutschland hat sich bisher keine auf Bundesebene ernstzunehmende Partei ausdrücklich gegen den Transferwahnsinn à la ESM ausgesprochen oder gar den Weg zurück zur eigenen Währung gefordert. Lediglich einzelne Dissidenten innerhalb der etablierten Parteien verschafften sich ein wenig Gehör, wurden jedoch auch recht schnell wieder mundtot gemacht.

Umso interessanter ist es, dass nun ausgerechnet die bisher mit ihrer Unwissenheit kokettierende Piratenpartei diese Rolle übernehmen könnte. Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hat der NRW-Parteitag der Piraten den Euro-Rettungsschirm ESM abgelehnt. Nun wird dieser Beschluss wohl zu spät kommen um die bis Mitte des Jahres geplante Bundestags-Abstimmung über den ESM zu beeinflussen. Denn der gerade beendete Bundesparteitag der Piraten beschäftigte sich überwiegend mit den Wahlen des Personals. Das nächste Bundestreffen, das über inhaltliche Fragen beschließen wird, findet erst im November statt.

Dennoch macht es Hoffnung, dass nun auch eine Partei, die eine gute Chance hat, in den Landtagen sowie im nächsten Bundestag vertreten zu sein, auf Oppositionskurs zur europäischen Transferpolitik und zum ESM geht. Wünschenswert wäre, dass die Piraten sich bei aller Liebe zur Basisdemokratie mehr echte Kompetenz zu diesem Thema in ihre Reihen holen.

Jüngste Umfragen zeigen, dass rund drei Viertel der Deutschen eine Ausweitung der Euro-Rettungsschirme ablehnen. Die etablierten Parteien lassen bei diesem Thema eine riesige Lücke offen. Wenn die Piraten es clever anstellen, könnte eine glaubwürdige Positionierung zu diesem Thema ihren Höhenflug sogar noch verstärken.

Über den Autor:

Roland Klausarbeitet als freier Autor in Frankfurt/Main und ist aktiver Investor. An der Börse Stuttgart ist er als Marktbeobachter tätig und analysiert das Geschehen an den Börsen unter anderem auf n-tv und dem Deutschen Anlegerfernsehen. Für den amerikanischen Finanzsender CNBC und den deutschen Nachrichtenkanal N24 berichtete er von 2004 bis 2009 vom Frankfurter Börsenparkett.In seinem Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“ analysiert er die Schuldenkrise und liefert konkrete Ratschläge, wie man sich vor den entstehenden Risiken schützen kann. Sie erreichen Ihn unter www.wirtschaftliche-selbstverteidigung.de

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