Kommentar
06:25 Uhr, 29.06.2017

Wirtschaft boomt - Löhne stagnieren!

Die Welt steht ein wenig auf dem Kopf. Vieles, was wir über wirtschaftliche Zusammenhänge zu wissen glaubten, gilt einfach nicht mehr. Bestes Beispiel: die Lohnentwicklung.

Mit dem US-Arbeitsmarktbericht für Mai wurde einmal mehr vor Augen geführt, dass die wirtschaftliche Entwicklung nur äußerst schleppend verläuft. Es ist dabei nicht einmal so wichtig, dass das Jobwachstum abnimmt. Vielmehr steht die Lohnentwicklung im Fokus. Diese kommt einfach nicht vom Fleck.

Die Löhne stiegen im Mai gegenüber dem Vorjahr um 2,5 %. Es waren vor wenigen Monaten auch schon einmal fast 3 %. Abzüglich Inflation bleibt unterm Strich derzeit allerdings kaum etwas. Das ist aber nicht einmal das Thema. Die tendenziell stagnierenden Reallöhne sind kein neues Phänomen.

Vielmehr beunruhigt der Zusammenhang der Arbeitslosenquote und der Inflationsrate. Grafik 1 zeigt die Quote, die zuletzt Ende der 90er Jahre niedriger war. Im Gegensatz zu damals steigen die Löhne heute allerdings kaum. Bis 2009 galt ein recht zuverlässiger Zusammenhang: je tiefer die Arbeitslosenrate fiel, desto höher fiel der Zuwachs der Stundenlöhne aus. Seit 2010 gilt das nicht mehr. Die Lohnentwicklung stagniert während die Arbeitslosenrate immer tiefer fällt.

Die Notenbank wartet verzweifelt auf stärkeres Lohnwachstum, weil sie sich davon eine höhere Inflationsrate erhofft. Grafik 2 zeigt dazu die Arbeitslosenrate und die Inflation. Unter Schwankungen kann man sagen, dass die Inflationsrate der Arbeitslosenrate folgt. Je weniger Menschen arbeitslos sind, desto höher ist die Inflation. Die Inflationsrate steigt dabei mit einigen Monaten Verzögerung.

Bisher galt also: erst sinkt die Arbeitslosenquote, dann steigt die Inflation. Nun sinkt die Zahl der Menschen ohne Arbeit seit sieben Jahren. Die Inflation kommt trotzdem nicht vom Fleck. Das ist ungewöhnlich und widerspricht der Erfahrung der letzten Jahrzehnte. Die Arbeitslosenquote ist zwar ein Vorlaufindikator, aber dieser läuft nicht Jahre voraus, sondern lediglich einige Monate.

Lesen Sie dazu auch: US-Wirtschaft: Kaum noch Wachstum?

Lohnsteigerungen und mit diesen eine höhere Inflationsrate sind wohl in diesem Aufschwung nicht mehr zu erwarten. Was in den letzten sieben Jahren nicht funktioniert hat, funktioniert wohl auch in den kommenden ein oder zwei Jahren nicht. Indirekt wird diese Vermutung durch Japan bestätigt.

Japan weist die niedrigste Arbeitslosenrate seit über 20 Jahren aus. Auch in Deutschland ist das so. Sowohl in Deutschland als auch in Japan (siehe Grafik 3 für Japan) hat das jedoch keinen Effekt auf die Inflationsrate gehabt.

Bis in die 90er Jahre bewegte sich die Inflation in Japan mit der Arbeitslosenrate. Seither ist der Zusammenhang nur noch vage und seit der Finanzkrise existiert er praktisch nicht mehr. Das gibt nicht zuletzt den Notenbankern Rätsel auf. Sie warten Monat um Monat darauf, dass der bisher gültige Zusammenhang wiederhergestellt wird.

Theorien zum ausbleibenden Lohn- und Inflationsdruck gibt es viele. Der demographische Wandel wird ebenso genannt wie noch existierende Überkapazitäten in der Welt. An beidem ist etwas dran. Der wichtigste Faktor ist meiner Meinung nach jedoch ein anderer: das Kreditwachstum.

Lesetipp: Geldpolitische Straffung: Geht die US-Notenbank zu aggressiv vor?

In der westlichen Welt stieg die Verschuldung seit dem Zweiten Weltkrieg fast kontinuierlich an. Seit der Finanzkrise ist das nicht mehr der Fall, insbesondere nicht bei Konsumenten. Diese haben jahrzehntelang mehr konsumiert als sie verdienten. Dies wurde durch Kreditaufnahme ermöglicht. Jetzt sind die Konsumenten seit 2008 am Anschlag. Sie können einfach nicht mehr mehr konsumieren als sie verdienen. Das drückt das Wachstum zwangsläufig und mit ihm die Lohnentwicklung und die Inflation.

Clemens Schmale

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8 Kommentare

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  • Sabcoll
    Sabcoll

    Guter Scherz.
    Die Arbeitslosenzahlen sind doch geschönt bis zum geht nicht mehr. Sieht man sich die Daten via Shadowstats an, dann sieht man dass an der geringer werdenden Arbeitslosenzahlen nichts dran ist.
    Wenn also tatsächlich die Arbeitslosigkeit hoch ist, nur statistisch niedrig, wen wundert es dann dass die Inflation nicht in Gang kommt.
    Man lügt sich in die eine Tasche und wundert sich, dass die andere nicht voller wird.

    13:56 Uhr, 24.07. 2017
  • Sozialer Abgrund
    Sozialer Abgrund

    Dass bei sinkender Arbeitslosenrate die Löhne steigen sollten, leuchtet ein.

    Schließlich muss Arbeit mehr wert sein, wenn es weniger Arbeitskräfte gibt.

    Könnte mir aber vorstellen, dass sich dieser Zusammenhang im Gegensatz zu früher aufgrund der Globalisierung auflöst. Die Märkte haben sich geöffnet, mittlerweile steht es vielen großen Arbeitgebern frei, dort zu produzieren, wo Arbeit billig zu haben ist.

    09:22 Uhr, 29.06. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • netzadler
    netzadler

    dumm, dümmer, Politiker

    Dividenden und aktienrückkäufe boomen, aber die löhne bleiben unten.

    Kapitalismus as its best

    09:04 Uhr, 29.06. 2017
  • Charlie
    Charlie

    Moin,

    Es kommt noch was hinzu. Aus meiner laienhaften Sicht gesehen. Was eine These darstellt und ich beobachte. Die Löhne steigen kaum, weil der Gewinn der Unternehmen maximiert wird. Mal abgesehen von dem was die Gewerkschaften durchsetzen. Immer mehr schufften bei diesem technischen Fortschritt und weniger Lohn/Gehalt. Ausstoß an Produkten und Dienstleistungen muss erhöht werden, bei niedrigem Lohn---> viel mehr Gewinn.

    Deshalb sinkt auch unteranderem der Reallohn und immer weniger Menschen können sich was leisten. Produkte werden teurer und der Lohn bleibt gleich bzw. steigt leicht. 1-2 %. Persönlicher Warenkorb eher bei 5-10 %. Konzerne steigern jedoche ihre Gewinne von Jahr zu Jahr. Ergo, irgendwo muss ja das Geld herkommen und hingehen. Die meisten können die entstehende Differenz nicht ausgleichen. Wenn man an der Börse ist geht es noch. Macht sogar noch Gewinn.

    Beispiel: Geberit- Lohnerhöhung gering. Aber wenn man Aktionär ist gibt es fast jedes Jahr zweistellige Dividende. Dieses Jahr wenn ich mich noch erinnere 19%. Wo gibt es so eine Lohnerhöhung? Wenn man sein Einkommen daraus zieht.

    Bei welchem Unternehmen wird freiwillig der/das Lohn/Gehalt erhöht? Da wäre ich doch verrückt als Unternehmen. Und die jetzige Zeit ist so. (Gewinn und Ausstoß erhöhen, komme was wolle, zu niedrigsten kosten) War füher auch schon so, aber nicht so extrem. Wenn es so geht, kann ich doch mehr Gewinn machen. Erst wenn es nicht mehr geht, kommt die Erhöhung. Ich bin selbst Aktionär und finde einen Dividende sehr gut, deshalb finde ich das aber nicht in Ordnung, dass der "kleine Arbeiter" ausgenutzt wird. Die Arbeiter bringen nunmal die Wertschöpfung. Vorstände etc. haben die Verantwortung, aber gleich das 500 fache verdienen ist abgehoben. Selbst wenn es weniger Wachstum gibt, werden erhöhte Boni ausgeschüttet. Warum? Inflationsausgleich? Und die Arbeiter bzw. auch Ingenieure? (Bei nicht Gewerkschaftsorientierten Unternehmen)

    Die Jugend und etwas jüngeren müssen was verändern, deshalb bin ich auch für eine Altersgrenze für aktive Politiker. Eine beratende Funktion ist O.K. Alles ab 55 Jahre raus.

    Durchschnitt sollte bei 35-40 Jahren liegen. Die haben die Ideen und die alten die Weisheit, in beratender Funktion.

    MfG

    07:25 Uhr, 29.06. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • Sputnik1648
    Sputnik1648

    Moin, moin,

    der o.g. Artikel ist sicher nicht ganz richtig. In der BRD steigen zumindest die Löhne im Öffentlichen (Nicht-)Dienst. Als Mitarbeiter der freien Wirtschaft kann man allerdings sagen, dass die Reallöhne stagnieren bzw. rückläufig (in Kaufkraft gemessen) sind.

    07:18 Uhr, 29.06. 2017
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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