Fundamentale Nachricht
14:07 Uhr, 27.11.2018

Outperformer Polen und Tschechien

Starke Haushaltspositionen in Polen und der Tschechischen Republik werden es den Regierungen ermöglichen, die Ausgaben im nächsten Jahr zu erhöhen. Das ist ein wesentlicher Grund, warum das BIP-Wachstum 2019 in diesen Ländern schneller ausfallen könnte als derzeit angenommen.

London/ Frankfurt (Godmode-Trader.de) - Die Lockerung der Fiskalpolitik hat in den letzten Jahren die Wirtschaft in Mittel- und Osteuropa (CEE) beflügelt. Im Jahr 2019 dürfte die Finanzpolitik jedoch in der Region unterschiedlich ausfallen.

Anstatt auf die Phase des Konjunkturzyklus zu reagieren, war die wichtigste Determinante der Fiskalpolitik der polnischen und tschechischen Regierungen in den letzten Jahren, wie nahe die Haushaltsdefizite an der EU-Schwelle von drei Prozent des BIP liegen. Trotz eines Anstiegs der populistischen Wirtschaftspolitik und der Anti-EU-Rhetorik in der letzten Zeit hat sich dies weiterhin als Anker für die Politik erwiesen. Wenn die Defizite dieses Niveau überschreiten, laufen die Länder Gefahr, ein EU-Defizitverfahren aufgedrückt zu bekommen, was zu einer Geldbuße in Höhe von 0,2 Prozent des BIP und einem Rückzug der Zuflüsse aus den EU-Strukturfonds führen könnte. Diese Ströme waren ein wichtiger Faktor für Investitionen und BIP-Wachstum. Die Haushaltspositionen in Polen und der Tschechischen Republik sind aber noch weit von der Beschränkung von drei Prozent des BIP entfernt.

Vor diesem Hintergrund erwarten Experten, dass es im nächsten Jahr in beiden Ländern zu einem fiskalischen Aufschwung kommen wird. Steuersenkungen und Sozialreformen könnten die Wirtschaft weiter ankurbeln. „In Polen dürfte die PiS-Regierung die Sozialausgaben im Vorfeld der Bundestagswahl Ende 2019 erhöhen. Die PiS wird wahrscheinlich ihre gesamte verfügbare fiskalische Feuerkraft nutzen, um ihre Unterstützungsbasis zu stärken“, meint Capital Economics. In der Tschechischen Republik habe Premierminister Andrej Babis in einem angeblichen Skandal eine Misstrauensvotum der letzten Zeit nur knapp überlebt, und seine Position sei wackelig. „Aber selbst wenn Herr Babis aus dem Amt verdrängt würde, bezweifeln wir, dass dies die steuerlichen Perspektiven zu sehr verändern würde. Die tschechischen Staatsfinanzen sind gesund, und unter den großen Parteien gibt es Unterstützung für eine Lockerung der Steuerpolitik, so dass dies wahrscheinlich unabhängig davon geschehen wird, wer im Amt ist“.

Die Analysten gehen davon aus, dass sich das polnische Haushaltsdefizit von rund 1,3 Prozent des BIP im Jahr 2018 auf rund 2,8 Prozent des BIP im Jahr 2019 erhöhen wird. Und nach einem wahrscheinlichen Überschuss von 1,5 Prozent des BIP im Jahr 2018 dürfte die tschechische Haushaltsposition 2019 wieder ausgeglichen sein. Eine Reihe von akademischen Untersuchungen hat ergeben, dass fiskalische Multiplikatoren in fortgeschrittenen Phasen des Konjunkturzyklus kleiner sind. Dennoch erscheint ein noch immer ausreichender Wachstumsschub von etwa 0,7 bis 1,0 Prozentpunkten plausibel.

„Die Divergenz der Fiskalpolitik ist ein wesentlicher Grund, warum wir erwarten, dass Polen und die Tschechische Republik 2019 regionale Outperformer sein werden“, resümiert das Analysehaus. Tschechien sei das einzige Land in der CEE-Region, in dem eine Beschleunigung des Wachstums zu erwarten sei. „Und während die polnische Wirtschaft im nächsten Jahr an Schwung verlieren wird, wenn die Auslandsnachfrage nachlässt und Inflation und Zinsen steigen, wird ein fiskalischer Impuls verhindern, dass die Abschwächung zu starke Formen annimmt.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

Mehr Experten