Optionsscheine: Die vergessenen Derivate
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Aktuell traden Deutschlands Privatanleger vorwiegend mit Hebelzertifikaten und CFDs, sofern sie überhaupt Derivate anfassen. Bis zur Jahrtausendwende war das anders. Damals musste man als Kleinanleger fast zwangsweise mit Optionsscheinen handeln, wenn man Hebel wollte. Auch heute noch können OS gegenüber anderen Derivaten vorteilhaft sein.
Was ist überhaupt eine Option?
Eine Option verbrieft das Recht, aber nicht die Pflicht, einen Basiswert zu einem festgelegten Preis (Fachbegriff: Basis/Strike) zu erwerben (Call) oder zu verkaufen (Put). Die Option verfügt über eine Laufzeit, innerhalb der das Recht ausgeübt werden kann (amerikanische Option). Darf die Option ausschließlich am Ende der Laufzeit ausgeübt werden, handelt es sich um eine so genannte „europäische Option“. Aufgrund der Tatsache, dass das Recht vom Optionskäufer ausgeübt werden darf, aber nicht muss, spricht man von einem „bedingten Termingeschäft“. Futures dagegen, die beide Kontrahenten zur Abnahme bzw. Lieferung des Basiswertes verpflichten, sind „unbedingte Termingeschäfte“. Es entfällt also die Bedingung der Ausübung.
Unterscheidung Optionen/Optionsscheine
Optionen werden an Terminbörsen gehandelt (z.B. Eurex). Sie können von allen Marktteilnehmern, die an der Terminbörse handeln dürfen/können, gekauft bzw. verkauft werden. Es gibt somit keinen zentralen Emittenten – die Terminbörsen standardisieren lediglich die handelbaren Optionen hinsichtlich der Laufzeiten und Ausübungspreise. Jeder Markteilnehmer kann Optionen verkaufen, ohne sie zu besitzen und wird damit quasi selbst zum Emittenten. Aufgrund dieses Mechanismus ist die Preisbildung ein Resultat der Angebots-und Nachfragestruktur in den jeweiligen Optionen, was ein wichtiger Unterschied zu den Optionsscheinen ist.
Das Verkaufen von Optionen, die man nicht zuvor gekauft hat (also das Leerverkaufen) nennt man „Schreiben“. Das Schreiben von Call-Optionen („covered short call“) auf die selbst gehaltenen Aktien ist eine beliebte Strategie von Aktienbesitzern, die damit auch ein begrenztes Risiko haben (da sie im Ausübungsfall die Aktien aus eigenem Bestand liefern können, ohne am Markt kaufen zu müssen).
Optionsscheine dagegen werden nicht an den Terminbörsen, sondern an den „normalen“ Wertpapierbörsen und auch außerbörslich im Direkthandel gehandelt. Es gibt immer einen Emittenten (eine Bank), dieser stellt fortlaufend An-und Verkaufspreise (bid und ask). Die Preise der Optionsscheine ergeben sich nicht aus Angebot und Nachfrage nach diesen Scheinen! Der Emittent legt die Preise fest und orientiert sich dabei in der Regel an den Preisen an den Terminbörsen für vergleichbare Optionen.
Am Geld, aus dem Geld, im Geld: Was bedeutet das?
Der Basispreis (Strike) ist der Preis, zu dem eine Option ausgeübt werden darf. Wir betrachten den Fall, dass eine Option auf steigende Kurse erworben wird (Call).
Liegt der Kurs des Basiswertes über dem Basispreis, so ist die Option im Geld. Die Option hat dann einen „inneren Wert“, weil sie den Erwerb des Basiswertes zu einem Preis erlaubt, der niedriger als der Marktwert ist.
Beispiel: BMW-Aktie steht bei 60 EUR, Basispreis des Calls auf BMW beträgt 40 EUR > innerer Wert 20 EUR.
Sind der Basispreis und der Kurs des Basiswertes etwa identisch, ist die Option „am Geld“. Der innere Werte ist dann nahe Null
Beispiel: BMW-Aktie steht bei 60 EUR, Basispreis des Calls auf BMW beträgt auch 60 EUR > innerer Wert 0 EUR
Liegt der Kurs des Basiswertes unter dem Basispreis, so ist die Option „aus dem Geld“. Die Option hat dann keinen inneren Wert
Beispiel: BMW-Aktie steht bei 60 EUR, Basispreis des Calls auf BMW beträgt 80 EUR > innerer Wert null (bzw. –20 EUR).
Preisbildung bei Optionsscheinen – was ist der faire Wert einer Option?
Während diePreisbildung von Hebelzertifikaten und CFDs sehr transparent ist, gestaltet sich die Thematik bei Optionsscheinen viel komplizierter.
Wer ein DAX-Hebelzertifikat hält kann davon ausgehen, dass ein Punkt im DAX einem Cent im Zertifikat entspricht. Bei Optionsscheinen dagegen kann es theoretisch sogar passieren, dass man auf die richtige Richtung gesetzt hat, der OS aber an Wert verliert. Warum das?
Lange wusste man gar nicht, wie man den Wert einer Option überhaupt berechnen soll. Bei einer Option tief im Geld kann man zumindest ein Gefühl dafür haben, denn dann ist der innere Wert sehr hoch. Aber wie schaut es aus, wenn eine Option weit aus dem Geld ist? Was ist ein Call auf BMW wert, dessen Ausübungspreis 20 EUR vom aktuellen Kurs der Aktie entfernt ist?
Solche Fragen konnten ab 1973 endlich zumindest näherungsweise beantwortet werden. Denn damals wurde das „Black-Scholes-Modell“ veröffentlicht. Die Formel war so bahnbrechend, dass die beiden namensgebenden Wirtschaftswissenschaftler 1999 sogar den Nobelpreis dafür erhielten. Ohne nun näher in diese nicht gerade unkomplizierte Formel und ihre Annahmen einzusteigen, sei folgendes festgehalten:
Der Wert einer Option hängt nach Black/Scholes neben dem Ausübungspreis und dem Kurs des Basiswertes (was ziemlich einleuchtend ist) auch von der Laufzeit, dem Marktzins und, ganz wichtig, von der Volatilität ab. Unter sonst gleichen Bedingungen gilt: Je höher die erwartete (implizite) Volatilität, desto höher der Preis der Option.
Warum man mit Optionen „anders“ spekulieren kann als mit anderen Hebelprodukten
Das ist der entscheidende Unterschied zu CFDs und Hebelzertifikaten. Diese Tatsache ermöglicht es, mit Hilfe von Optionen unter anderem auch auf Veränderungen der Volatilitätserwartungen zu spekulieren.
Die implizite Volatilität könnte man auch als eingepreiste Volatilität bezeichnen. Aus dem Optionspreis kann mit Hilfe der Black-Scholes-Formel die implizite Vola iterativ ermittelt werden. Sinkt von einem Tag auf den anderen der Preis einer Option und sind alle anderen Parameter gleich geblieben, dann ist ganz einfach die eingepreiste Vola gefallen. Ist diese im historischen Vergleich gerade besonders niedrig, könnte man etwas simplifiziert sagen: Optionen sind „gerade billig“. Der VDAX NEW dient als guter Indikator dafür, wie es aktuell um die Vola bestellt ist. Der Index wird von der Deutschen Börse berechnet und misst die implizite Volatilität für den DAX, bezogen auf den Zeitraum der nächsten 30 Tage
Die „Griechen“
Die Black-Scholes-Formel brachte außerdem noch einige Kennzahlen mit sich, die die Abhängigkeit des Optionspreises von Änderungen bestimmter Parameter messen. Auf diese (Delta, Gamma, Vega, Theta, Rho, Omega) soll hier nicht näher eingegangen werden. Einzig das Delta sei kurz erläutert: Es zeigt an, wie sich der Preis einer Option absolut ändert, wenn der Preis des Basiswert um eine Einheit steigt. Haben Sie also einen BMW-Call mit einem Delta von 0,4 dann wird die Option ca. um 40 Cents steigen, wenn BMW um einen Euro steigt.
Vor-und Nachteile von Optionen/Optionsscheinen gegenüber anderen Hebelprodukten
Wie bereits erwähnt, spielt die implizite Volatilität für den Preis einer Option eine große Rolle. Man könnte daraus eine approximative Regel ableiten: Ist die implizite Vola im historischen Vergleich gerade sehr hoch, sollte man Abstand von Optionsscheinen nehmen. Denn fällt die Vola deutlich, kann man mit einem Engagement in einer Option sogar dann Verluste machen, wenn die Marktrichtung stimmt, auf die man gesetzt hat.
Andersherum macht es mit der gleichen Begründung Sinn, in Zeiten sehr niedriger Vola Optionsscheine gegenüber Hebelzertifikaten und CFDs vorzuziehen. Nicht zuletzt deswegen, weil ein Optionsschein nicht „ausknocken“ kann. Er bleibt bis zum letzten Tag der Laufzeit etwas wert und kann auch nach heftigsten Schwankungen noch einen Gewinn abwerfen. Das dürfte für viele Trader wohl sogar das Killerargument sein. Denn wer ist in seiner Traderlaufbahn noch nicht KO gegangen?
Ein weiterer wichtiger Unterschied von OS gegenüber anderen Hebelprodukten ist das Aufgeld (Agio). Es zeigt an, um wie viel es teurer ist, den Basiswert über die Option statt direkt zu beziehen. Das Aufgeld (Preis des Optionsscheins minus innerer Wert) ist eine schnell einleuchtende Notwendigkeit, ein Abgeld macht keinen Sinn, da dann risikolose Arbitrage möglich wäre. Es ist umso höher, je weiter die Option aus dem Geld ist
Je weiter eine Option im Geld ist, desto geringer ist auch ihr Aufgeld, desto weniger Sinn macht diese aber auch, da dann der Hebel gegen 1 geht. Auch Hebelzertifikate verfügen über ein Aufgeld, das im Vergleich aber sehr gering ist.
Abschließend kann man festhalten, dass Optionsscheine zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind. Die Möglichkeit auf Veränderungen der Volatilität zu spekulieren ist ebenso attraktiv wie die Tatsache, dass ein Optionsschein während seiner gesamten Laufzeit nicht wertlos verfallen kann. Trader sollten diese Derivate wieder in ihre Anlageüberlegungen mit einbeziehen.
Ihr
Daniel Kühn
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