Optimismus zur Jahresmitte
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New York (GodmodeTrader.de) - Zur Jahresmitte konstatieren wir erfreut und ein wenig überrascht, dass Aktien seit Januar erhebliche Zugewinne verzeichnen. Das bisherige Anlagejahr 2019 zählt mit einem Kursplus von gut 17 Prozent bei deutschen, Schweizer und amerikanischen Aktien und gut fünf Prozent bei zehnjährigen Bundesanleihen zu einem der stärksten der letzten Jahrzehnte. Hut ab und Glückwunsch an alle, die dies Ende Dezember vorausgesagt hatten. Viele dürften es nicht sein, wie Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.
Hilfreich sei es aber allemal, sich zu vergegenwärtigen, was zu dieser bemerkenswerten Performance geführt habe, denn eines sei klar: Die Welt sei immer noch ein unberechenbarer Ort, regiert von teilweise gewöhnungsbedürftigen Gestalten, Wachstum und Unternehmensgewinne blieben unsicher, Eskalation diverser Brandherde nicht ausgeschlossen. Was Anlegern vielmehr ihre Halbjahresbilanz gerettet habe, seien wieder einmal die Zentralbanken gewesen, die mit Versprechen von vorausschauenden Zinssenkungen, eventuell sogar weiterer Asset-Käufe, das Sicherheitsnetz wieder komplett aufgespannt hätten, das sie im Vorjahr so vorsichtig zu entfernen versucht hätten. Vielleicht würden wir in einigen Jahren mit Blick zurück feststellen, dass der Zeitraum zwischen dem letzten Quartal 2018 und der ersten Hälfte 2019 derjenige gewesen sei, in dem das Experiment „geldpolitische Normalisierung“ krachend gescheitert sei, heißt es weiter.
„Riskant wäre hierbei vor allem, die nach wie vor gültigen Grundregeln für Finanzanlagen zu missachten, legen diese doch nahe, dass wir die Kursentwicklung der ersten Jahreshälfte nicht unbedingt auf die zweiten sechs Monate extrapolieren sollten. Zwar wissen wir aus Erfahrung der jüngeren Vergangenheit, dass eine Absicherung durch die Zentralbanken auch erhebliche geopolitische Schocks wie Randereignisse aussehen lassen kann und die üblicherweise damit verbundene Volatilität entsprechend abpuffert. Dennoch sind Unsicherheiten, die wir etwa im Marktausblick vor zwei Wochen aufgelistet haben, keineswegs besser geworden und hängen weiterhin wie ein Damoklesschwert über der zweiten Jahreshälfte. Dies gilt auch und gerade bzgl. des Handelsstreits, nachdem der G20-Gipfel in Osaka doch scheinbar mit einem Erfolg zu Ende gegangen ist“, so Lück.
Unterm Strich bleibe aber, dass Donald Trump und Xi Jinping bei der zu einem G2 reduzierten Gipfelshow vereinbart hätten, zunächst keine weiteren Zölle zu erheben und die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Auch wenn dies kurzfristig gute Nachrichten seien, sollten sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass damit fundamental überhaupt nichts gelöst sei und die Unsicherheit in der zweiten Jahreshälfte – und möglicherweise darüber hinaus – wohl erhalten bleibe, heißt es weiter.
„Ähnliches gilt für die Risiken des Haushaltsstreits zwischen der EU und Italien oder die Brexit-Aussichten unter einem Premierminister Boris Johnson. Von Iran, der Türkei und Venezuela ganz zu schweigen. Überall dort drohen Eskalationspunkte, die zumindest temporär für Risk-off- Momente sorgen können. Dies gilt insbesondere, zumal die Aktienpreise zuletzt eben nicht von Gewinnen, sondern den Handlungen der Zentralbanken getrieben wurden und die Bewertungen damit anfälliger geworden sind“, so Lück.
Damit könnte ein Rückschlagrisiko in der zweiten Jahreshälfte genau von der Seite drohen, die bisher am meisten zur positiven Performance beigetragen habe, nämlich den Zentralbanken. Bis zum Jahresende 2020 seien in den Fed Fund Futures inzwischen vier Zinssenkungen (um jeweils 25 Basispunkte) eingepreist, der Dollar habe entsprechend abgewertet. Ob die Fed aber wirklich Veranlassung hat, den Leitzins derart stark herunterzuschrauben, erscheine aus heutiger Sicht fraglich, heißt es weiter.
„Sollten starke amerikanische Konjunkturdaten dafür sorgen, dass sich die Erwartung einer sehr defensiven US-Notenbank wieder verflüchtigt, könnte dies somit ein entsprechend negatives Signal an die Aktienmärkte senden. Gerade das Jahr 2018 hat uns gezeigt, wie sehr Niedrigzinsen und Asset-Käufe die Risikomärkte in den letzten Jahren geprägt haben. Droht Entzug der liebgewonnenen zinspolitischen Absicherung, werden Aktien relativ betrachtet weniger attraktiv, außerdem steigen die Diskontierungszinsen für zukünftige Gewinne“, so Lück.
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