Kommentar
14:08 Uhr, 23.02.2021

Öl: Zeit für Gewinnmitnahmen?

Öl hat in den letzten Wochen viele überrascht. Jetzt sind Gewinnmitnahmen nicht falsch.

Erwähnte Instrumente

  • WTI Öl
    ISIN: XC0007924514Kopiert
    Kursstand: 61,97000 $/bbl. (FXCM) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • WTI Öl - WKN: 792451 - ISIN: XC0007924514 - Kurs: 61,97000 $/bbl. (FXCM)

Ende November kürte ich Öl als Anlage des Jahres 2021. Der SPDR Ölsektor bzw. der Öl und Gas Exploration and Production Index sollten um 30 % steigen. Letzterem gelang das per Ende letzter Woche. Der erste Index, der z.B. Exxon und Chevron beinhaltet, hat erst die Hälfte erreicht. Ein wenig unentschlossen darf man sein, wenn es um Gewinnmitnahmen geht. Es gibt Argumente für höhere oder stabile Preise, aber auch eine ganze Reihe an Argumenten für einen Rücksetzer. Technisch ist Öl überkauft. Allein das sollte zur Vorsicht mahnen. Fundamental sprechen jedoch noch einige Trends für Öl. Der Ölpreis ist wie jedes andere Gut auch von Angebot und Nachfrage bestimmt. 2020 gab es wenig Nachfrage und zunächst ein hohes Angebot. Das führte nicht nur zu einem niedrigeren Preis, sondern auch dazu, dass sich die Lager füllten. Volle Lager sind das Angebot von morgen. Je größer der Lagerbestand ist, desto niedriger ist der Preis. Aktuell fällt der Lagerbestand. Ein Ende des Trends ist nicht in Sicht. Das stützt.


Es stützt auch, weil sich die OPEC+ Staaten weiterhin an die Fördermengenkürzung halten. Die OPEC, Russland und USA fördern derzeit fast 10 Mio. Barrel weniger Öl pro Tag als vor Krisenbeginn. So wenig Öl wurde seit fast 20 Jahren nicht mehr gefördert (Grafik 2). So niedrig die Nachfrage auch noch sein mag, das Angebot wurde so stark verknappt, dass der Markt ein Gleichgewicht gefunden hat.

Soweit, so gut. US-Produzenten bereiten sich nun auf eine Ausweitung der Produktion vor. Es wird wieder mehr gebohrt. Die Bohraktivität geht der Fördermenge mehrere Monate voraus. Im Februar ist die US-Produktion kurzfristig stark eingebrochen. Verantwortlich war der Wintereinbruch in Texas. Tendenziell dürfte die US-Produktion nun aber wieder zu steigen beginnen (Grafik 3).

Die USA können bereits in wenigen Monaten 2 Mio. Barrel/Tag mehr fördern. Das bringt den Markt vermutlich wieder aus dem Gleichgewicht. Zudem befindet sich der Ölmarkt nach wie vor nur durch künstliche Angebotsverknappung in einem fragilen Gleichgewicht. Als es das letzte Mal ein Überangebot vom heutigen Ausmaß gab (in den 80er Jahren), dauerte es lange bis die Preise nachhaltig steigen konnten (Grafik 4).

Trotz des Anstiegs des Ölpreises in den letzten Wochen ist der Verlauf immer noch ähnlich. Solange das Überangebot nicht verschwunden ist, bleibt das Aufwärtspotential begrenzt. Auf natürliche Art und Weise ist vor Mitte der 20er Jahre nicht mit einer Angebotsknappheit zu rechnen.

Öl und Ölaktien sind eine kurz- bis mittelfristige Spekulation. Allein aufgrund der Ziele, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, ist es keine Anlage für Generationen. Der kurzfristige Aufschwung hat wie prognostiziert stattgefunden. Persönlich ziehe ich mich daher aus den Anlagen zurück und warte auf die nächste Gelegenheit.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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