Ökonom Sinn zu Griechenland: Vorgaukeln, Täuschen, Lügen
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München (BoerseGo.de) - Der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, hat die Politik bei den Griechenland-Hilfen zu mehr Aufrichtigkeit ermahnt. Es sei doch offensichtlich, dass Athen seine Schulden nicht zurückzahlen könne, sagte Sinn am Donnerstag im Interview mit dem Deutschlandfunk. Es mache keinen Unterschied, ob man die Hilfen für Griechenland Kredite oder gleich Geschenke nenne. „Ich finde es problematisch, dass man die Schuldenschnitte nicht wirklich ausweist, sondern das alles über Zinssenkungen macht. Da sind riesige Lasten, die auf die Gläubigerländer zukommen, ohne dass das heute verbucht werden muss, und das (....) ist nicht die wirkliche Wahrheit, denn die Wahrheit ist, dass doch erhebliche Lasten im Umfang von 30, 40 Milliarden auf die anderen Länder zukommen. Das ist nun so, aber man sollte es auch sagen“, ereiferte sich Sinn. „Griechenland hat bislang insgesamt an Krediten und an Leistungen durch Schuldenschnitt 380 Milliarden bekommen. Es sind weitere Kredite angesagt, sodass das dann insgesamt 490 Milliarden sind. Das sind Kredite und schon gewährte Schuldenschnitte“, so Sinn. Das Ganze sei ein Fass ohne Boden.
Er betonte außerdem, Griechenland habe die Forderungen der internationalen Geldgeber bislang nicht erfüllt. Vielmehr seien die Kriterien sukzessive zurückgenommen worden. „Ich bin nur dafür, dass man ehrlich vorgeht. Es wird zum Beispiel gesagt, die Griechen würden sparen. Das stimmt alles gar nicht. Sie sparen natürlich gar nicht, sie reduzieren nur ihre Netto-Neuverschuldung. Das ist eine öffentliche Begriffsverwirrung, die da Platz gegriffen hat, die die Bürger über die wahren Verhältnisse hinwegtäuscht“, so Sinn in deutlichen Worten. Der „Welt“ sagte der Ökonom in diesem Zusammenhang, das seien bisher alles reine Zweckbehauptungen, um dafür zu sorgen, dass „die Deutschen beruhigt sind und weiter bereitwillig ihre Portemonnaies aufmachen“. Griechenland sei immer noch nicht wettbewerbsfähig und weit, weit entfernt davon.
Sinn kann es zudem nicht verstehen, dass ein großes Land wie Deutschland nicht gemäß seiner Größe in den europäischen Gremien repräsentiert ist. „Im EZB-Rat insbesondere, also dem Leitungsgremium der Europäischen Zentralbank, hat die Gruppe der Südländer mit Frankreich, ihrem größten Gläubiger, zusammen genommen 70 Prozent der Stimmen und die beschließen Dinge, die für sie richtig und gut sind, und die Bundesbank ist da häufig anderer Meinung“, erklärte der Ifo-Präsident im Deutschlandfunk. Sein Vorwurf: Die Beschlüsse würden über Deutschland hinweg gefasst. „Wir müssen Stimmrechte nach der Haftung kriegen und es kann nicht sein, dass ein kleines Land, ein klitzekleines Land so viel zu sagen hat wie die Bundesrepublik Deutschland“, forderte der Ökonom.
Der Bundestag soll am morgigen Freitag über die weiteren Hilfen für Griechenland abstimmen, auf die sich die Euro-Finanzminister und der Internationale Währungsfonds in der Nacht zum Dienstag geeinigt hatten.
Derweil hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erstmals Haushaltsausfälle in Milliardenhöhe im Zuge der neu verabredeten Griechenland-Hilfen eingräumt. Das geht aus einem Brief an SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hervor, der der „Leipziger Volkszeitung“ vorliegt. Schäuble habe in dem Schreiben ausgeführt, man habe für die nächsten Jahre rund zehn Milliarden Euro ausfallende Gewinne bei der Europäischen Zentralbank (EZB) im Zuge der vereinbarten Anleihen-Aufkaufprogramme verabredet. Der deutsche Anteil entspreche dem Anteil an der EZB von rund 27 Prozent. Dies bedeute, dass „rund 600 Millionen Euro im Jahr 2013 und rund 530 Millionen Euro im Jahr 2014“ zulasten des Bundeshaushaltes anfielen. Insgesamt belaufe sich der rechnerische deutsche Anteil aus aktueller Sicht auf rund 2,74 Milliarden Euro, so Schäuble. Darüber hinaus verzichte der Bund „pro Jahr auf rund 130 Millionen Euro an Zinsgewinnen“.
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