Kommentar
13:05 Uhr, 23.12.2021

Notenbanken: Schlechtestes Timing aller Zeiten

Erst ignorierten Notenbanken das Offensichtliche (Inflation) und nun handeln sie, obwohl der Haupttreiber der Teuerung kaum noch ein Thema ist.

Notenbanken haben gleich zwei Mal hintereinander sehr schlechtes Timing bewiesen. Erst verpassten sie den Inflationsanstieg und behaupteten stur, dass Inflation vorübergehend ist. Dann wird nun viel zu spät anerkannt, dass die Teuerung möglicherweise weniger vorübergehend ist als gedacht.

Einige bezeichneten die Prognose der Fed, dass Inflation vorübergehend ist, als die bisher größte Fehlprognose einer Notenbank. Soweit würde ich nicht gehen, denn nun, da plötzlich davon gesprochen wird, dass Inflation ein permanenteres Phänomen sein kann, liegen Notenbanken wieder falsch.

Die Inflationsraten werden nicht gleich morgen wieder unter 2 % fallen. Der Prozess wird Zeit in Anspruch nehmen. Die US-Notenbank geht nun allerdings nicht mehr davon aus, dass über den Prognosehorizont bis 2024 dieser Wert erreicht wird. Sie sagt: Inflation ist ziemlich permanent.

Hier liegt ein Irrtum vor, denn der Haupttreiber höherer Inflation fällt gerade weg. Es gibt viele Einflussfaktoren, die eine höhere Teuerungsrate begünstigt haben. Dazu gehören auch Lieferengpässe. Diese sind vor allem entstanden, weil die Nachfrage nach Gütern plötzlich rasant anstieg.

Das war einerseits eine Folge von Lockdowns. Haushalte konnten nicht mehr in Restaurants gehen oder Filme im Kino ansehen und wichen so auf Güterkonsum aus. Andererseits konnten Haushalte viel konsumieren, weil Regierungen die Transferleistungen an Haushalte (höheres Arbeitslosengeld, Direktzahlungen usw.) massiv erhöhten.

Je höher der Anstieg der Transferzahlungen war, desto höher ist jetzt auch die Kerninflation (Grafik 1). Mit Ende des laufenden Jahres enden viele Programme, die höhere Transferleistungen an Haushalte garantierten.

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In den USA ist das Phänomen besonders stark ausgeprägt. Während die Einkommen in früheren Rezessionen (etwa 2008/09) fielen, stiegen sie dieses Mal (Grafik 2). Wegen Lockdowns ging auch der Konsum zurück. Im Gegensatz zur Finanzkrise, die einen sinkenden Konsum bis 2015 verursachte, konnte dieses Mal das Vorkrisenniveau bereits wieder erreicht werden.

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Nun enden die Transferzahlungen. Es bleibt weniger für den Konsum übrig. Das zeigt sich bereits anhand einer rasch sinkenden Sparquote (Grafik 3). Diese sinkt schneller als die Transferleistungen. Haushalte geben also mehr aus. Dennoch haben sie seit Krisenbeginn einen Sparüberhang. Dieser liegt bei 12 % der Wirtschaftsleistung.

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Erfahrungsgemäß wird dieser Überhang über viele Jahre abgebaut. Ein anhaltendes Konsumfest wie 2021 gibt es nicht mehr. Notenbanken wollen gerade jetzt auf die hohe Nachfrage nach Gütern reagieren, da der Treiber dieser Nachfrage wegfällt. Das ist schlechtes Timing.

Deswegen sind die Abwicklung von Wertpapierkäufen und eine Zinswende nicht automatisch falsch. Es besteht ein kleines Risiko, dass sich hohe Inflation permanent festsetzt. Mehr dazu in einem separaten Artikel.


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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