Kommentar
13:15 Uhr, 15.06.2020

Notenbanken gehen zu Recht von langer Krise aus

Am Aktienmarkt ist die Krise fast abgehakt. Notenbanken sind da sehr viel skeptischer als Anleger. Wer hat Recht?

Die Lage ist für Notenbanker und Anleger neu. Die letzte große Pandemie ist 100 Jahre her und die Bedingungen waren ganz andere. Daher tappen alle gleichermaßen im Dunkeln. Anleger blicken optimistisch in die Zukunft, die Notenbanken eher pessimistisch. Bis zu einem gewissen Grad haben beide Recht. Das klingt etwas paradox, lässt sich aber einfach erklären. Der Aktienmarkt ist nicht die Wirtschaft. Die Kurse der Leitindizes werden von wenigen Unternehmen bestimmt. Viele dieser Unternehmen haben profitiert. Höhere Kurse als im März sind absolut gerechtfertigt. Über das Ausmaß lässt sich allerdings streiten. Die Notenbank interessiert sich nicht für das Wohlergehen einer Handvoll börsennotierter Großunternehmen, sondern für das Wohlergehen der gesamten Wirtschaft. Hier stehen kleinere und mittlere Unternehmen im Fokus. Sie beschäftigen die Hälfte aller Arbeitnehmer in den USA. In Deutschland ist der Wert ähnlich.

Die Lage für diese Firmen ist immer noch kritisch. Die Erholung der Wirtschaft hat begonnen, allerdings langsam. Es gibt auch Rückschläge wie der wöchentliche Index der New Yorker Notenbank zeigt (Grafik 1). Das Niveau ist weit unter dem aus 2008 und 2009. Der Rebound ist nicht V-förmig. Stattdessen trübte sich die Lage Anfang Juni wieder ein.


Es wird lange dauern bis sich die Krise durch die Wirtschaft gearbeitet hat. Ein Grund ist auch der explosionsartig gestiegene Lagerbestand. Konsumenten konnten zunächst viele Dinge nicht mehr wie üblich kaufen. Nun können sie es wieder, doch die Umsätze liegen weit unter Vorkrisenniveau.

Wenn die Lager voll sind, bestellen Verkäufer keine neuen Waren. Produktionsbetriebe müssen mit weniger Bestellungen leben. Der Abbau des Inventars kann viele Monate in Anspruch nehmen. Das wird das Wachstum auf absehbare Zeit hemmen.

Notenbanken geben zu, dass sie auch nicht wissen wie es weitergeht. Die Unsicherheit ist enorm. Es gibt viele Szenarien, die möglich sind. Derzeit ist noch alles dabei, von einem weiteren Einbruch bis hin zu schnellen Erholung. Die Sorge ist, dass es keine schnelle Erholung gibt.

Persönlich teile ich diese Sorge. Es gibt Verbesserungen. Das darf man aber nicht überbewertet. Alles, was nach einem Lockdown kommt, entspricht einer Verbesserung. Gut ist die Lage dadurch noch nicht. Beim derzeitigen Tempo des Rebounds braucht die Wirtschaft bis Jahresende, um sich einigermaßen wieder zu fangen. Man kann sich nur ansatzweise vorstellen, was eine zweite Infektionswelle bedeuten würde.


Auch Anleger müssen sich darüber Gedanken machen. Die Börse ist zwar nicht die Wirtschaft, doch früher oder später arbeitet sich der Abschwung auch zu den bisherigen Profiteuren durch. In der vergangenen Woche bekamen Anleger einen Vorgeschmack auf das, was geschieht, wenn Nervosität aufkommt. Tagesverluste von 5 % können jederzeit auftreten.

Die Kurse sind weit gelaufen. Die Bewertung ist hoch und die Krise noch lange nicht überstanden. Ich würde in den kommenden Monaten den Bedenken der Notenbanken mehr Gewicht geben.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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