Kommentar
07:56 Uhr, 03.06.2015

Niedriger Ölpreis: Schlecht für die Wirtschaft?

Bisher wurde davon ausgegangen, dass ein niedriger Ölpreis gut für die Wirtschaft ist. Politiker und Notenbank betonen das bei jeder Gelegenheit. Die Daten sagen allerdings etwas anderes.

Ende letzten Jahres war US Notenbankchefin Janet Yellen noch regelrecht begeistert von den niedrigen Ölpreisen. Sie verkündete, dass dies für den privaten Konsum und die ganze Wirtschaft ein Segen sei.

Die Überlegung dahinter ist einfach wie bestechend. Müssen Verbraucher nicht mehr so viel für Benzin oder Heizöl ausgeben, dann bleibt mehr Geld übrig, welches sie an anderer Stelle ausgeben können. Der Rückgang der Ausgaben für Ölprodukte führt bei Ölunternehmen zu einer Reduktion der Investitionen und zum Stellenabbau, doch unterm Strich sollte der Effekt positiv sein – sogar deutlich positiv.

Die Rechnung scheint ohne den Wirt gemacht worden zu sein. Der Wirt ist in diesem Fall der US Verbraucher. Dieser hat entgegen aller Erwartungen nicht mehr, sondern weniger konsumiert. Im ersten Quartal 2015 gaben US Verbraucher gegenüber dem Vorquartal 79 Mrd. USD weniger für Benzin aus. Die Gesamtkonsumausgaben sanken im gleichen Zeitraum um 7,5 Mrd.

Grafik 1 zeigt, wie viel US Bürger über die letzten Jahre für Benzin und andere Güter ausgegeben haben. Als der Ölpreis in den 70er Jahren im Zuge der Ölkrise rasant anstieg machten Ölprodukte über 6% aller Konsumausgaben aus. In den letzten Jahren schwankte dieser Wert zwischen 3 und 4,5%. Aktuell liegt der Wert bei 2,5%.

Das Wachstum der gesamten Konsumausgaben läuft parallel zum Anteil der Ölprodukte zu den Gesamtausgaben. Was bedeutet das? – Steigt der Ölpreis, dann muss mehr für Benzin ausgegeben werden. Das, was Konsumenten mehr für Benzin ausgeben müssen sparen sie nicht 1 zu 1 an anderer Stelle ein. Steigen die Ausgaben für Ölprodukte z.B. um 100 Mrd. USD, dann sinken die restlichen Konsumausgaben nicht um genau 100 Mrd.

Im umgekehrten Fall ist es nicht anders. Sparen Konsumenten bei Benzin, dann kommt das nicht in gleicher Höhe bei den restlichen Konsummöglichkeiten an. Sinken die Kosten z.B. um 100 Mrd., dann wird nicht automatisch um 100 Mrd. mehr essen oder shoppen gegangen. Genau davon waren Notenbank und Politik allerdings ausgegangen. Von der Ersparnis im ersten Quartal 2015 ist wenig in anderen Sektoren hängengeblieben. Konsumenten haben einen Teil der Ersparnis nicht ausgegeben, sondern auf die Seite gelegt oder Schulden abgebaut. So war das natürlich (von der Notenbank) nicht geplant!

Zu allem Überfluss hat die Ölindustrie ca. 30.000 gut bezahlte Jobs abgebaut. In diesem Jahr zahlt die Industrie wahrscheinlich über 3 Mrd. weniger an Löhnen, weil sie Jobs gestrichen haben. Dort hört die Geschichte jedoch noch lange nicht auf. Die Investitionen wurden drastisch zurückgefahren. Das gefährdet Jobs bei Serviceunternehmen und Lieferanten.

Grafik 2 zeigt die Investitionen der Ölbranche und die übrigen Investitionen aller anderen Branchen. An den Gesamtinvestitionen machten Investitionen der Ölbranche bis vor kurzem noch fast 8% aus. Der Anteil ist nun auf gut 6% gesunken und wird bis Ende 2015 wohl weiter sinken. Im Vergleich zum vierten Quartal 2014 wurde im ersten Quartal 2015 um knapp 17% weniger investiert. Das entspricht ca. 27 Mrd. USD. Die Gesamtinvestitionen sinken durch den Rückgang bei Ölunternehmen und werden in diesem Jahr kaum steigen.

Schließt man vom ersten Quartal auf den Rest des Jahres, dann hat der niedrigere Ölpreis netto einen negativen Effekt aufs Wachstum. Es dürften über das Gesamtjahr ca. 30 bis 35 Mrd. weniger investiert werden. Ebenso sparen Amerikaner an die 60 Mrd. USD anstatt sie auszugeben. Zieht man noch die wegfallenden Arbeitsplätze mit ein, dann liegt der negative Effekt bei ca. 100 Mrd. Das sind ca. 0,5% der US Wirtschaftsleistung. Der niedrige Ölpreis wird entgegen aller Erwartung in diesem Jahr das US Wachstum senken und nicht steigern. Das steht alles unter der Annahme, dass sich der Konsum- und Investitionstrend des ersten Quartals fortsetzt.

Wer für die US Wirtschaft in diesem Jahr ein Wachstum von z.B. 2% erwartete, sollte nicht überrascht sein, wenn es am Ende nur 1,5% sind. Konsumenten freuen sich zwar über niedrige Preise, aber das schlägt sich nicht in Wachstum nieder. Das war auch in früheren Zeiten nicht anders.

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2 Kommentare

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  • netzadler
    netzadler

    tja, sowas nennt man wohl volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. Diese Kausalkette kam mir sofort in den kopf, als der Ölpreis fiel.

    Die kann man auch global aufmachen. Den Ölstaaten fehlt nun die Hälfte der üblichen Einnahmen, mit entsprechender Wirkung auf deren Ausgaben. Diesen Sachverhalt kann man doch eigentlich bei allen Rohstoffen feststellen.

    in einem globalen System, dass auch global auf Wachstum angewiesen ist, sind sinkende preise immer mist. wie man da sinkende rohstoffpreise toll finden kann, bleibt mir ein rätsel.

    sicher scheint es für rohstoffimporteure vorteilhafter als für Exporteure. durch die globale Vernetzung von wirtschaft und kapital hat aber unter dem strich gar keiner was von sinkenden preisen.

    ...ausser man hält cash

    08:45 Uhr, 03.06. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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