Kommentar
13:54 Uhr, 17.07.2018

NETFLIX - Einstiegschance nach dem Abverkauf?

Nach den gestrigen Quartalszahlen sind die Aktien des Streaminganbieters Netflix unter die Räder gekommen. Ist das eine Chance zum Einstieg? Oder sollten Anleger eher von weiter fallenden Kursen ausgehen?

Erwähnte Instrumente

Für langfristige Anleger gab es in den vergangenen Jahren kaum eine Aktie, mit der so exorbitante Gewinne möglich gewesen wären wie mit den Aktien von Netflix. So hat sich der Aktienkurs in den vergangenen zehn Jahren ungefähr verhundertfacht. Aus 1.000 Dollar wären also innerhalb von 10 Jahren ganze 100.000 Dollar geworden. Dieser extreme Anstieg des Aktienkurses zeigt auch der folgende langfristige Chart.

Netflix-Aktien im Langfristchart
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Der langfristige Erfolg der Aktien widerspricht nicht nur dem gesunden Menschenverstand, sondern ist auch mit der fundamentalen Entwicklung des Unternehmens jedenfalls auf den ersten Blick nicht zu erklären. Zwar wächst das Unternehmen rasant und verdient inzwischen auch unter dem Strich Geld, wie die folgende Grafik zeigt.

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Doch der Nettogewinn von Netflix ist letztlich das Ergebnis eines Rechentricks: Die Ausgaben des Unternehmens für die Produktion und die Lizensierung von neuen Inhalten wird in der Gewinn- und Verlustrechnung nicht in der Zeitperiode verbucht, in der die Ausgaben tatsächlich anfallen. Stattdessen werden die milliardenschweren Ausgaben für Content über den Zeitraum der Nutzung der Inhalte verteilt. Dieser Zeitraum der Nutzung kann sich je nach Inhalt von sechs Monaten bis hin zu zehn Jahren erstrecken. Die Logik dahinter ist, dass Netflix mit den produzierten und lizensierten Inhalten ja nicht nur in dem Quartal, in dem die Ausgaben anfallen, Gewinne erzielt, sondern über einen deutlich längeren Zeitraum.

Verzichtet man auf diesen "Buchhaltungstrick" des Unternehmens, ist und bleibt Netflix eine gigantische Geldvernichtungsmaschine. Allein im Jahr 2018 wird Netflix ungefähr drei Milliarden Dollar mehr Geld ausgeben, als es einnimmt. Das zeigt der sogenannte Free Cashflow. Netflix selbst erwartet, dass der Free Cashflow noch für viele Jahre negativ bleiben wird, weil das Unternehmen ganz bewusst eine Strategie der hemmungslosen Expansion fährt.

Die Bewertung des Unternehmens anhand aktueller Fundamentaldaten wie dem Free Cashflow ist bei Netflix wenig sinnvoll. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Strategie des Unternehmens darauf ausgerichtet ist, unter allen Umständen eine Position der globalen Dominanz zu erreichen. Bei der Bewertung des Unternehmens spielt es deshalb kaum eine Rolle, was Netflix aktuell umsetzt oder verdient: Wer in die Aktien von Netflix investiert, tut dies, weil er langfristig mit einem extrem starken weiteren Wachstum der Plattform rechnet. Die Idee: Irgendwann ist Netflix weltweit die erste Adresse für den Konsum von Filmen und Fernsehserien. Der traditionellen Fernsehsendern bleibt bestenfalls ein Nischendasein.

Diese Hoffnung erklärt auch, warum bei den Quartalszahlen von Netflix letztlich Umsatz, Gewinn und Cashflow von den Analysten kaum beachtet werden. Entscheidend ist vielmehr, wie viele neue Nutzer Netflix auf die Plattform ziehen kann. Das Nutzerwachstum ist tatsächlich beeindruckend. So konnte Netflix die Anzahl der zahlenden Kunden in den vergangenen drei Jahren ungefähr verdoppeln.

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Die gestern Abend nachbörslich veröffentlichten Quartalszahlen kamen bei den Händlern und Anlegern nicht gut an. Zwar lag der Gewinn über den Schätzungen, bei Umsatz, Abo-Wachstum und Abo-Ausblick wurden aber die Erwartungen klar verfehlt. Im zweiten Quartal konnte Netflix nach 7,4 Millionen neuen Kunden im Vorquartal nur 5,2 Millionen neue Kunden gewinnen, womit die Erwartungen von rund 6,3 Millionen klar verfehlte wurden. Auch der Ausblick ist ernüchternd: So soll das Wachstum im dritten Quartal nur noch bei 5 Millionen Neukunden liegen, was deutlich unter dem Wall Street-Konsens von 5,9 Millionen liegen würde.

Das schwache Nutzerwachstum im zweiten Quartal könnte aber zumindest zum Teil auf saisonale Effekte zurückzuführen sein. So entwickelt sich das zweite Quartal in dieser Hinsicht bei Netflix meist schwächer als andere Quartale. Im zurückliegenden Quartal könnte außerdem die Fußball-Weltmeisterschaft das Nutzerwachstum bei Netflix gebremst haben.

Nach der Veröffentlichung der Quartalszahlen am Montagabend brachen die Aktien von Netflix nachbörslich um 11,67 Prozent ein. Ob Anleger dies als exzellente Long-Einstiegsgelegenheit betrachten oder von weiteren Kursverlusten ausgehen, hängt vor allem davon ab, wie sehr sie Netflix zutrauen, auf Dauer tatsächlich zum weltweit führenden Contentanbieter zu werden und die traditionellen Film- und Fernsehanbieter zu verdrängen. Sollte diese Strategie tatsächlich aufgehen, könnte die aktuell astronomisch hohe Bewertung von Netflix tatsächlich gerechtfertigt sein. Sehr wahrscheinlich ist das allerdings nicht, zumal Netflix selbst mit zunehmender Konkurrenz durch andere Streaminganbieter rechnet.


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Über den Experten

Oliver Baron
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Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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