Fundamentale Nachricht
18:39 Uhr, 01.12.2015

Negativzinsen: Wie tief kann es gehen?

Die Experimente mit Negativzinsen gehen weiter. Erfahrungen aus Schweden zeigen, dass die Leitzinsen deutlich in den negativen Bereich gesenkt werden können, ohne dass das Finanzsystem kollabiert. Was bedeutet das für die EZB?

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Am Donnerstag entscheidet die Europäische Zentralbank (EZB) über eine weitere Lockerung der Geldpolitik in der Eurozone. Neben einer möglichen Ausweitung der Anleihenkäufe dürfte die EZB auch eine weitere Absenkung der bereits negativen Einlagezinsen beschließen. Negative Einlagezinsen bedeuten, dass die Geschäftsbanken Strafzinsen zahlen müssen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Aktuell beträgt der sogenannte Einlagesatz in der Eurozone minus 0,20 Prozent. Beobachter erwarten eine weitere Absenkung, möglicherweise auf minus 0,35 oder minus 0,40 Prozent.

Doch wie weit können die von der Notenbank festgelegten Zinsen überhaupt in den negativen Bereich gesenkt werden?

Erfahrungen aus Schweden zeigen, dass die Zinsen wohl noch deutlich tiefer unter die Nullmarke abgesenkt werden können, ohne dass das Finanzsystem Schaden nimmt. Der Einlagesatz in Schweden, der fällig wird, wenn Banken über Nacht Geld bei der Riksbank parken, liegt aktuell bereits bei minus 1,1 Prozent. Die Riksbank, die schwedische Notenbank, will so eine zu starke Aufwertung der Schwedischen Krone verhindern. Denn wegen der Euro-Krise war immer mehr Geld nach Schweden geflossen und hatte so zu einer deutlichen Kronen-Aufwertung und immer deutlicheren deflationären Tendenzen geführt.

Besonders bemerkenswert in Schweden ist allerdings, dass die Riksbank nicht nur den Einlagesatz, sondern auch die Repo Rate, also den eigentlichen Leitzins, schon deutlich in den negativen Bereich gesenkt hat. Die Repo Rate beträgt in Schweden aktuell minus 0,35 Prozent.

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Brisant: Eine negative Repo Rate bedeutet, dass die Banken weniger Geld zurückzahlen müssen, als sie sich von der Zentralbank leihen (und zwar beim normalen siebentägigen Refinanzierungsgeschäft)!

Das klingt zunächst nach einem risikolosen Geschäft für die Banken, ist es aber nicht. Denn das von der Zentralbank geliehene Geld können die Banken ja nicht einfach auf ihrem Konto bei der Zentralbank liegen lassen – da sonst Strafzinsen fällig werden. Die Banken müssen also durch Kreditvergabe oder den Aufkauf von Aktiva an die Realwirtschaft dafür sorgen, dass ihre sogenannten Überschussreserven bei der Zentralbank sinken.

Eine weitere Möglichkeit wäre, das Geld in Form von Bargeld zu bunkern. Doch bei sehr großen Beträgen ist das sehr unpraktisch und lohnt sich erst, wenn die Zinsen sehr deutlich unter null liegen. Außerdem könnte die Zentralbank eine übermäßige Bargeldhaltung der Geschäftsbanken einfach verbieten.

Zwar kann die Notenbank die Leitzinsen nicht beliebig weit in den negativen Bereich senken, da dann tatsächlich eine Flucht ins Bargeld einsetzen würde. Doch die Untergrenze des Möglichen scheint erkennbar deutlich unter null Prozent zu liegen.

Wenn die EZB die Geldpolitik in der Eurozone also weiter lockern will, könnte sie in den kommenden Monaten und Jahren auch über eine weitere Absenkung der Leitzinsen in den negativen Bereich nachdenken. Eigentlich hatte die EZB dies im vergangenen Jahr ausgeschlossen. Die Leitzinsen seien, so die Sprachregelung der EZB, auf der faktischen Untergrenze angekommen. Doch die Erfahrungen aus Schweden könnten die EZB irgendwann dazu bewegen, weiter am Zinsrad zu drehen – und zwar nicht nur beim Einlagesatz, wie es bereits für den kommenden Donnerstag erwartet wird, sondern irgendwann auch beim Hauptrefinanzierungsatz – dem eigentlichen Leitzins. Dann könnten negative Zinsen auch für private Sparer in der Eurozone immer wahrscheinlicher werden.

Börsen-Talk zur EZB-Sitzung: Lockert die Europäische Zentralbank die Geldpolitik noch weiter?

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5 Kommentare

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  • Investor
    Investor

    Es gibt mehrere Abweichungen zwischen Schweden und Eurozone

    - Bargeldzahlungen in der Eurozone deutlich höher

    - Kein QE in Schweden. De facto teilweise Haushaltsfinanzierung durch die EZB, da die Zinsen der mit QE gekauften Anleihen als Gewinne der nat. ZB wieder in die Haushalte zurückfliessen

    - Die schwedische Krone ist an den Euro orientiert, da die Eurozone einer der größten Handelspartner (D größter Exportpartner Schwedens)

    - Es eine Wirtschaftspolitik in Schweden aber viele verschiedene Wirtschaftspolitiken in der Eurozone gibt

    Gleichzeitig muß auch der Ansatz der EZB hinterfragt werden, 2% Inflation zu schaffen. Wenn ich mir zB Japan als Exportland ansehe, dann gibt es dort eine leichte Deflation aber dies stört das Wachstum nicht.

    Wichtiger wäre, daß die Inflation innerhalb der Eurozone gleich wäre. Ist die Inflation in einzelnen Ländern niedriger, dann führt dies zu Produktionsverlagerung innerhalb der Eurozone. Da die Löhne in D im Vergleich zu anderen Euroländern deutlich niedriger waren, gab es eine Verlagerung der Produktion nach D oder D hat Arbeitslosigkeit zu Lasten der anderen Euroländer exportiert.

    08:46 Uhr, 02.12. 2015
  • moneymaker22
    moneymaker22

    ich bin mir nicht sicher ob Schweden so ein gutes Beispiel ist da dort die Gehirnwäsche zum Thema Bargeldabschaffung deutlich weiter fortgeschritten ist als z.B. in Deutschland

    07:10 Uhr, 02.12. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • Marco Soda
    Marco Soda

    riecht das nicht nach Sanierung der Banken auf kosten der Steuerzahler ???

    06:57 Uhr, 02.12. 2015
  • bembes
    bembes

    Auf gehts........liebe LZB mit Super-Draghi....................die Zinsen alle ins MINUS setzen,

    dann wird die Inflationsrate steigen..................nur wie.............das weis sicher SUPER-Draghi !!

    19:24 Uhr, 01.12. 2015

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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