Kommentar
07:45 Uhr, 11.11.2015

Negative Zinsen? Das sind die Alternativen

Negative Zinsen haben sich weltweit noch nicht durchgesetzt, da kommen schon Ideen zu Alternativen auf. Diese sind nicht nur radikal, sondern auch gefährlich.

Der frühere US Notenbankchef Ben Bernanke wurde auch „Helicopter Ben“ genannt. Der Spitzname kam nicht von ungefähr. Während des vorletzten wirtschaftlichen Abschwungs von 2000 bis 2002 hielt Bernanke eine Rede, in der er das Thema Deflation adressierte. Er verwies dabei auf den Ökonomen Milton Friedman. Dieser sah die Möglichkeit, im Notfall Geldscheine aus dem Helikopter zu werfen, um die Geldmenge einfach und wirksam zu erhöhen.

Bernanke wurde nach der Referenz auf Friedman Helicopter Ben genannt, weil seine Rede so interpretiert wurde, dass er notfalls Geld vom Himmel schmeißen würde. Die Interpretation war 2002 deutlich näher an der Realität, als man sich jemals hätte träumen lassen. Zwei Jahre, nachdem Bernanke die Position des Notenbankchefs einnahm, begann sein Helikopter zu kreisen, erst mit Notkrediten, dann mit 3 Anleihenkaufprogrammen. Wie effektiv das alles war, darüber wird heute noch kontrovers diskutiert.

Der Internationale Währungsfonds und die meisten Zentralbanken stehen hinter den QE-Programmen. Der IWF trat zuletzt als größter Unterstützer der lockeren Geldpolitik auf und forderte von der US Notenbank mit der ersten Zinsanhebung mindestens bis 2016 zu warten. Die Forderung mag überzogen wirken, doch der IWF macht sich Gedanken über das Aufkommen einer globalen Deflation. Das letzte, was die Welt in einer solchen Situation braucht, sind steigende Zinsen in einem Land, welches noch immer über 20% der weltweiten Wirtschaftsleistung ausmacht.

Ginge es nach dem IWF und einigen Notenbankern, dann müssten die Geldschleusen noch weiter geöffnet werden. Doch selbst wenn dies politisch durchsetzbar wäre, ist es nicht so einfach. Die japanische Notenbank zögert weitere Maßnahmen zu ergreifen, weil sie Bedenken hat, dass sie eine Ausweitung auch umsetzen kann. Notenbanken brauchen willige Verkäufer von Staatsanleihen, andernfalls können sie die angekündigten Kaufvolumina nicht erreichen. Genau darin besteht ein gewisses Problem, insbesondere in Japan.

Der japanische Pensionsfonds, der über eine Billion Dollar in Anlagen hat, hielt einen Großteil seines Vermögens in Staatsanleihen. Durch eine Änderung der Anlagepolitik durfte der Fonds seinen Anleihebestand deutlich reduzieren. Die Notenbank trat als dankbarer Käufer auf. Sind diese Anleihen erst einmal aufgekauft, dann gibt es kaum noch große Verkäufer, die es der Notenbank möglich machen, ihr Programm vollumfänglich umzusetzen, geschweige denn auszuweiten.

QE stößt früher oder später an Grenzen. Das muss auch die EZB erleben, deren QE für Schuldverschreibungen jeglicher Art schon jetzt fast am Ende ist. Das Ratsmitglied Ewald Nowotny äußerte sich dahingehend, dass die EZB bereits jetzt an ihre Grenzen stößt, da es einfach nicht ausreichend viele dieser strukturierten Produkte gibt, die von der EZB gekauft werden könnten.

Kurz gesagt: Notenbanken haben es schwer die Geldschleusen weiter zu öffnen. Was können sie dann noch tun, um Deflation zu verhindern?

Eine Möglichkeit gegen Deflation anzukämpfen ist die Zinsschraube. Viele Notenbanker sind von der Existenz des ZLB (Zero Lower Bound) überzeugt. Das ZLB besagt, dass Zinsen nicht substantiell unter null gesenkt werden können. Theoretisch ließen sich zwar Zinsen von -5% festlegen, doch die Umsetzbarkeit ist fraglich. Unternehmen und Konsumenten würden ihr Geld einfach in Bargeld halten, anstatt negative Zinsen auf dem Konto zu erdulden.

Die Tendenz Bargeld zu halten, wenn die Zinsen negativ sind, ist real, doch bisher haben es Pensionsfonds, Unternehmen und Bürger unterlassen, ihr Geld unter dem Kopfkissen zu horten, wenn die Zinsen im Bereich von -0,35% (Schweden) bis -0,75% (Schweiz) liegen. Entsprechend freunden sich immer mehr Notenbanker mit dem Gedanken an, dass negative Zinsen im Bereich von -2% durchsetzbar sind.

Einige Ökonomen denken bereits weiter. Was, wenn -2% Zinsen nicht ausreichen, um Deflation zu verhindern? Sobald Zinsen unter -2% sinken dürften Sparer und Anleger immer stärker auf Geldalternativen setzen. Dazu gehören Edelmetalle ebenso wie digitale Währungen (z.B. Bitcoin), die nicht von negativen Zinsen betroffen wären.

Deflation lässt sich nur bekämpfen, wenn die Nachfrage nach Gütern steigt. Die Nachfrage soll angeheizt werden, indem das Horten von Geld so unattraktiv wie möglich gemacht wird. Wer Geld verliert, wenn es einfach nur auf dem Konto liegt, überlegt sich, ob er es nicht lieber ausgibt. Die Nachfrage würde steigen.

Einen Nachfrageanstieg kann es nur geben, wenn Menschen überhaupt Geld für Konsum haben. Das ist in wenigen Ländern der Fall. Es muss Kredit für zusätzlichen Konsum aufgenommen werden. Doch auch hier sind viele Länder bereits am Limit. Haushalte und Staaten sind überschuldet. Es gibt schlichtweg niemanden mehr, der noch im großen Stil zusätzliche Schulden aufnehmen kann, um die Nachfrage anzukurbeln.

Während die Welt überschuldet ist und zusätzlicher Konsum nicht durch noch mehr Kredit ermöglicht werden kann, altert die Bevölkerung. Auch das hemmt das Nachfragewachstum erheblich. In Japan sieht man die Folgen der demographischen Entwicklung. Das Wachstumspotential der Wirtschaft wird auf 0,5% pro Jahr geschätzt. Es ist so gering, weil die Bevölkerung altert und schrumpft.

Die einzige Möglichkeit, die unter diesen Umständen noch bleibt, um die Nachfrage zu steigern, ist Geld aus dem Helikopter abzuwerfen. Ein Paper von Adair Turner (früherer Vorsitzender der britischen Finanzmarktaufsicht) beschäftigt sich mit diesem Thema. Dieses Paper wurde in Vorbereitung auf eine Konferenz des IWF erstellt.
Bei dieser Konferenz wird es um die Gefahr einer globalen Deflation gehen und wie sie sich verhindern lässt. Turner beschreibt die Möglichkeit des „Monetary Financing.“ Hierbei geben Notenbanken dem Staat zinslosen Kredit, der nicht getilgt werden muss. Letztlich ist das eine nette Umschreibung der Finanzierung von Staatsausgaben durch die Notenpresse.

Um die globale Nachfrage zu steigern, wird also inzwischen ernsthaft darüber nachgedacht, Staatsausgaben direkt über die Notenpresse zu finanzieren. Wie das enden kann hat Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg erlebt. Theoretisch muss so etwas nicht in Hyperinflation enden, wenn mit diesem Instrument vernünftig umgegangen wird. Doch glaubt wirklich irgendjemand ernsthaft daran, dass Regierungen von einem solchen Instrument nicht exzessiv Gebrauch machen würden?

Ist dieser geldpolitische Damm gebrochen, dann ist es zu spät. Schon allein die Diskussion darüber ist kontraproduktiv, denn das Interesse von Politikern an einem solchen Instrument dürfte so groß sein, dass sie bereitwillig Gesetze ändern würden.

Es ist auch darüber hinaus etwas verwege,n gegen eine demographische Entwicklung mit der Notenpresse anzukämpfen. Dies führt letztlich nur zu einem: der Verschwendung von Ressourcen.

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11 Kommentare

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  • FJHaydn
    FJHaydn

    Mehr Konsum ist doch keine Lösung. Das ganze auf beständiges Wachstum ausgerichtete Wirschaftssystem ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Ich wundere mich immer, dass diese Wachstumslogik immer wieder vorgebracht wird.

    Wir leben so schon über unsere Verhältnisse was die endlichen Ressourcen und das Funktionieren des Ökosystems angeht, d.h. wir wirtschaften nicht nachhaltig. Mehr Konsum von einer noch größeren Anzahl von Menschen führt unweigerlich in die Katastrophe. Wir dürfen nicht mehr wachsen, sondern müssen im Gegenteil weniger konsumieren, dabei aber gleichmäßigere und gerechtere Verteilung achten.

    Würde man das bei wenigen konzentrierte (Schein-)Vermögen verteilen, würde sofort der virtuelle Charakter desselben deutlich. Es käme einfach zur Inflation und "weg isses". Das Missverhältnis von Geldvermögen zur realen Gütern fällt nur deshalb nicht auf WEIL es die, die das Geld besitzen, nicht ausgeben ( sondern "investieren", wo es einfach noch mehr virtuelles Geld erzeugt).

    Die Nullzinspolitik und QE sind ganz offensichtlich eine Sackgasse. Das ist ein Pfeil mit Widerhaken, den man zwar einfach rein, aber nur schwer wieder herausbekommt. Realwirtschaftlich hat es kaum einen Effekt, sondern es dient wieder nur dem Aufpumpen des Scheinvermögens. Das wird im wirtschaftlichen Zusammenbruch enden. Nicht wegen der beiden Maßnahmen, sondern weil die Wachstumslogik nicht funktioniert, die durch diese beiden Maßnahmen gestützt werden soll. Statt umzudenken, hat man sich einfach entschieden, ALLES auf eine Karte zu setzen, in der natürlich vollkommen illusorischen Hoffnung es werde sich irgendwie alles von alleine regeln.

    08:58 Uhr, 11.11. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • shark
    shark

    Jetzt bin ich allerdings überrascht von Ihnen Hr.Schmale .,bei aller Wertschätzung

    Haben Sie nicht vor wenigen Tagen noch behauptet ,Deflation sei kein Thema !

    Und nun Kurz gesagt: Notenbanken haben es schwer die Geldschleusen weiter zu öffnen. Was können sie dann noch tun, um Deflation zu verhindern?

    08:57 Uhr, 11.11. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • derOngi
    derOngi

    Wenn wir negative Zinsen für das Sparen bekommen sollten wir auch irgendwann negative Zinsen für Geld aufnehmen haben :-D und das kurbelt die Wirtschaft an :-) dann nehme ich auch Geld auf wenn ich dann 1% Zinsen bekomme...

    08:42 Uhr, 11.11. 2015
  • weißnix
    weißnix

    Könnte es sein, dass die 'Falschen' das Geld haben? Die, die es haben, können es nicht ausgeben, und die, die es ausgeben würden haben es nicht!?

    08:29 Uhr, 11.11. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • bembes
    bembes

    An alle EZB-ler:

    Macht weiter so....................Geld drucken und Minus-Zines....................Alles wird gut !!!!!!!!!!!

    Super-Draghi und "Erika" Merkel haben alles im Griff.

    08:25 Uhr, 11.11. 2015
  • 0815
    0815

    Es braucht einfach eine gesunde Lohnentwicklung, viele Länder haben dort noch Aufholpotential - Deutschland, UK und USA insbesonders.

    Eine höhere Lohnquote und entsprechend niedrigere Kapitaleinkommensquote sorgt automatisch für mehr Nachfrage, ein höheres Lohnniveau für mehr Inflation. Die Entwicklung seit den ökonomischen Spinnereien der 80iger muss hier eindeutig umgekehrt werden.

    Leider versucht sich nur jeder Währungsraum intern und extern abzuwerten und wettbewerbsfähiger zu werden.

    Eine Vermögenssteuer hätte den selben Effekt wie Negativzinsen, nur wesentlich transparenter. Die Politik kommt ihrer Verantwortung nicht nach und lässt stattdessen die Notenbanken die Drecksarbeit machen.

    08:22 Uhr, 11.11. 2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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