Negative Renditen und der weitere Weg für Anleiheanleger
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Anhaltende deflationäre Trends, besonders in Europa, führten zu einer äußerst expansiven Geldpolitik der Zentralbanken, die in vielen Fällen den direkten Ankauf inländischer Staatsanleihen, forderungsbesicherter Wertpapiere und Unternehmensanleihen einschloss. Diese Trends hatten neben der Tatsache, dass mehr und mehr ein Einkommens- und Sparüberschuss erforderlich ist, zunehmend negativere Wertpapierrenditen zur Folge. Die großen Zentralbanken waren außerstande, die Leitzinsen zu normalisieren, und diejenigen Banken, die zuvor erfolgreich die Zinsen erhöht hatten (z. B. die USA und Norwegen) kehrten ihren Kurs nach dem Beginn der COVID-19-Pandemie abrupt um.
US-Leitzins an der Grenze zum Nullzinssatz – was sind die Folgen?
Der riesige wirtschaftliche Schaden aufgrund der Pandemie führte zu schnellen Maßnahmen der US‑Zentralbank und der US-Regierung, die viele Instrumente nutzten, die zuvor während der großen Finanzkrise eingesetzt worden waren. US-Staatsanleihen legten deutlich zu, was die hochwertigen Kapitalzuflüsse und die Wiederaufnahme quantitativer Lockerungen widerspiegelte. Die steigende Arbeitslosigkeit führte auch zu einer deflationären Produktionslücke. Bei einem Leitzinssatz, der an der Nulllinie liegt, überrascht es nicht, dass die 10-jährigen Renditen im Bereich von 50 bis 80 Basispunkten liegen. Während erwartet wird, dass die US-Notenbank die Zinsen für einen längeren Zeitraum auf dem gegenwärtigen Stand belässt, sind Anleihen mit längeren Laufzeiten anfälliger für den Angebotsdruck. Dass die Inflation mittelfristig nicht in den Preisen berücksichtigt ist, könnte höhere Zinsen bedeuten, da sich die Volkswirtschaften vor dem Hintergrund einer möglichen Impfung wieder öffnen.
Anleiheportfolio neu gestalten ohne zu große Risiken
Staatsanleihen bleiben ein wichtiges Absicherungsinstrument für Anleger. Das derzeitige Niedrigzinsumfeld hat eindeutig zu geringeren Erwartungen an die Renditen (und das Risikomanagement) für den Fall einer Risikoaversion des Marktes und Zuflüsse in sichere Häfen geführt. Allerdings bleibt die Duration eines der stabilsten und kostengünstigsten Absicherungsinstrumente für Anlagen mit höheren Risiken, wie etwa Unternehmensanleihen.
Angesichts der Beschränkungen der Duration im Vergleich zur Vergangenheit könnten die Anleger bestrebt sein, ihre Absicherungen zu diversifizieren, um Bereiche wie aktive Währungsabsicherungen und andere Anlageklassen wie Gold einzubeziehen. Wir möchten jedoch darauf hinweisen, dass die Stabilität und die Wirksamkeit dieser Absicherungen schwanken kann.
Niedrige Renditen für längere Zeit
Wegen der Unsicherheit im Zusammenhang mit der Konjunkturerholung und der potenziellen Auswirkungen auf die Inflation ist es unwahrscheinlich, dass die Zentralbanken der wichtigsten Industrieländer ihre gegenwärtige expansive Geldpolitik in den kommenden Quartalen ändern werden. Niedrige nominale Renditen über die nächsten zwölf Monate bleiben das wahrscheinlichste Szenario, mit gewissen Abweichungen zwischen den Ländern, die von den Toleranzniveaus der Zentralbanken bei der Inflation abhängen.
Wir halten einen nachhaltigen, strukturellen Anstieg der Renditen auf absehbare Zeit für unwahrscheinlich. Niedrige Renditen sind natürlich nichts Neues. Die Renditen 10-jähriger Bundesanleihen sind jetzt seit mehr als einem Jahr negativ, die Renditen 10-jähriger Gilts kratzen an neuen Tiefständen und die neutralen Zinssätze sinken seit Jahrzehnten. Zyklische Faktoren und eine sich abzeichnende Konjunkturerholung könnten für einen gewissen Aufwärtsdruck sorgen. Der allumfassende Hintergrund bleibt aber weiterhin eine Situation mit geringem Wachstum, niedriger Inflation und niedrigen Leitzinsen, die für die kommenden Jahre an ihren unteren Grenzen bleiben. Der Verlauf der Konjunkturerholung selbst dürfte unklar bleiben. In Anbetracht dieses fundamentalen Zusammenhangs ist der Euro-Markt tatsächlich nicht für seine erste Leitzinserhöhung bis Ende 2024 bewertet. Im Vereinigten Königreich dürfte der Markt auch wegen seiner eigenen Diskussion über die negativen Zinsen besorgt sein. Berücksichtigt man diese bestimmenden Faktoren, erscheint uns eine nachhaltige Baisse-Phase bei den Kernzinsen in weiter Ferne zu liegen.
Anpassungen für ein Anleiheportfolio
Die Folge von COVID-19 war, dass Staatsanleihen von Industrieländern teurer und Unternehmensanleihen günstiger wurden. Infolgedessen haben wir die Duration gesenkt und waren bestrebt, das Kreditrisiko hauptsächlich über neue Erstemissionen zu erhöhen, die im März und April günstig waren. Die seitdem zu beobachtende Rally bei den Unternehmensanleihen bedeutet, dass Unternehmensanleihen jetzt bestenfalls fair bewertet sind und dass sich der Fokus mehr auf den relativen Wert und die Titelauswahl im Kreditmarkt als auf eine richtungsbezogene Betrachtung verlagert hat. Wir halten Bereiche des Marktes für strukturierte Produkte weiterhin für attraktiv. Wir fühlen uns durch Schritte zu einer stärkeren fiskalischen Integration in Europa ermutigt und bleiben in Bezug auf Anleihen europäischer Peripherieländer positiv eingestellt. Wir betrachten ausgewählte Schwellenländerwährungen als günstig, da sie hinter dem andernorts kräftigen Anstieg aufgrund bestehender Risikobereitschaft zurückgeblieben sind.
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.