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Kommentar
08:33 Uhr, 17.11.2025

Nach dem Rohrkrepierer Frühstart-Rente: Hoffen auf Riester 2.0

Viele fragen sich: Wird die Frühstart-Rente zum Rohrkrepierer? Kann „Riester 2.0“ die private Altersvorsorge endlich einfacher, günstiger und flexibler machen? Ali Masarwah, Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor, zeigt, wie Deutschland von Modellen aus Schweden, der Schweiz und den USA lernen könnte – und was das für Sparer bedeutet.

17. November 2025. FRANKFURT (envestor). In der vergangenen Woche machten Kürzungspläne der Großen Koalition zur Frühstart-Rente in den Medien die Runde, noch bevor diese das Licht der Welt erblickte. Mitte Dezember sollen nun die lang erwarteten Vorschläge zur Riester-Reform ins Bundeskabinett eingebracht werden. Ali Masarwah, Fondsanalyst und Geschäftsführer des Beratungshauses envestor, hat eine Wunschliste für die Reform der privaten Altersvorsorge formuliert.

Man könnte über die Absurdität lachen, wenn die Sache nicht so traurig wäre: Noch bevor sie das Licht der Welt erblickt, wird die Frühstart-Rente bereits beschnitten. Die Große Koalition setzt den Rotstift bei der geplanten Förderung der kapitalmarktgedeckten Vorsorge für jüngere Generationen an. Die Frühstart-Rente umfasst laut Haushaltsgesetz 2026 nicht länger alle Sechs- bis 18-Jährigen, sondern zunächst nur die jüngste Alterskohorte. Nur Sechsjährige bekommen den Zuschuss von zehn Euro monatlich für eine private Altersvorsorge. Die Sieben- bis 18-Jährigen gehen zunächst leer aus. Tröpfchenweise soll jedes Jahr eine neue Jahrgangskohorte dazukommen. Laut Recherche der Tagesschau sind für das nächste Jahr 50 Millionen Euro im Haushalt für die Frühstart-Rente eingeplant. Das ist ziemlich jämmerlich, wenn man bedenkt, dass für das Lieblingsprojekt der CSU, die Mütterrente, im nächsten Haushaltsjahr bis zu fünf Milliarden Euro eingeplant sind.

Der wichtigste Teil der Reform der geförderten privaten Altersvorsorge soll am 17. Dezember im Bundeskabinett eingebracht werden. Eine kapitalgedeckte „Riester 2.0“ war Bestandteil des schwarz-roten Koalitionsvertrags und soll die bisherige Riester-Rente deutlich vereinfachen, günstiger und flexibler machen und auch auf teure Garantien verzichten. Aber nichts Genaues weiß man nicht. Ich habe mir die geförderten Altersvorsorge-Pläne in Schweden, Frankreich, den USA und der Schweiz angeschaut und das Beste aller Welten zusammengetragen. Vielleicht lassen sich die Großkoalitionäre inspirieren – gerade angesichts der mehr als holprigen Riester-Historie wäre gut geklaut besser als schlecht gemacht.

Großzügige staatliche Förderung

Von den Schweizern lernen heißt siegen lernen: Im Schweizer Modell der 3. Säule steht die steuerliche Förderung im Mittelpunkt: Beiträge bis zu 7.258 CHF pro Jahr bei Angestellten und 36.288 CHF bei Selbstständigen können direkt vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden, wodurch ein hoher Steueranreiz entsteht. Während der Ansparphase fallen weder Vermögens- noch Kapitalertragssteuern an, bei Auszahlung wird das Kapital zu einem reduzierten, separaten Steuersatz besteuert. Die 401(k)-Pläne in den USA sind ebenfalls bis 22.500 Dollar steuerfrei. Deutlich weniger ambitioniert ist das PEA-System in Frankreich, wo aber immerhin Kapitalgewinne und Dividenden steuerfrei sind, sofern das Konto mindestens fünf Jahre gehalten wird.

Einfache, digitale Verwaltung

Ich bin ein großer Fan der Schweizer Säule 3a: Beiträge werden hier im Online-Banking direkt überwiesen. Jeder kann einzahlen, egal ob selbstständig oder angestellt. Die Steuervergünstigung ist unbürokratisch: Der einbezahlte Betrag ist jährlich als Sonderausgabe direkt abziehbar – die Meldung an die Steuerverwaltung erfolgt digital durch die Bank. Produktwechsel, Vererbung und Auszahlungen sind ebenfalls klar geregelt. Es gibt in der Schweiz zwar keine staatlichen Zulagen, aber einen klaren, planbaren Steuervorteil, der unbürokratisch umgesetzt wird. Auch beim französischen PEA-Plan läuft alles über das Broker-Depot - die Kapitalzuflüsse werden erfasst und steuerliche Vorteile werden ohne separaten Antrag gutgeschrieben.

Garantiefreies, günstiges Standardprodukt

Das „Deutschland-Depot“ sollte als Opting-out-Produkt auf einen breit streuenden Aktienfonds oder Aktien-ETF setzen. Das Produkt sollte keine teuren Garantien enthalten und Verwaltungskosten von deutlich unter 0,5% aufweisen. Der schwedische AP7-Aktiefond kostet 0,1% und sollte auch bei uns Pate stehen. Das schließt nicht aus, dass Anleger die Freiheit der Wahl haben und auch auf andere, zertifizierte Fonds zurückgreifen, sofern deren Kosten in einem engen Korridor liegen. Auch in Schweden gibt es entsprechende Optionen, wie in Frankreich und den USA und der Schweiz. Bis auf Schweden (AP7) gibt es in den anderen Ländern keine Vorgaben zu Kosten. Allerdings haben bei den US-401(k)-Plänen Arbeitgeber und Pensionsplan-Anbieter treuhänderische Pflichten und achten auf „marktübliche“ Kosten. Da die deutsche bzw. europäische Aufsicht Fonds mit Blick auf die Gestaltung von Performance-Gebühren Vorgaben macht, wäre das Thema Kostenbegrenzung kein Neuland.

Flexible Ein- und Auszahlphase

Einzahlungen sollen jederzeit – auch unregelmäßig bzw. flexibel wie beim französischen PEA oder 401(k) – erfolgen, ohne Begrenzung auf Jahresbeiträge oder Mindestansparzeiten. Auch Einmalanlagen (wie in Frankreich) sind möglich. In der Auszahlphase bestehen drei gleichberechtigte Optionen: Einmalzahlung, Entnahmeplan oder lebenslange Rente wie beim schwedischen Modell, wobei keine Umwandlungspflicht in eine Rentenzahlung bestehen sollte.

Schutz vor staatlichem Zugriff – und dem der Anleger

Die Ansparpläne bleiben in kritischen Situationen (Arbeitslosigkeit, Insolvenz) geschützt, wie in Schweden und den USA. Kapital bleibt in kritischen Situationen (Arbeitslosigkeit, Insolvenz) geschützt, wie in Schweden und den USA. Ein Ansparschutz vor behördlichem Zugriff ist ebenfalls zwingend vorzusehen, wie in der Schweiz, Schweden und den USA. Allerdings muss das Vorsorgekapital auch vor dem Zugriff der Anleger geschützt werden. Eine vorzeitige Entnahme soll grundsätzlich nicht möglich sein, außer im Fall schwerer Krankheit, Erwerbslosigkeit, selbst genutztem Wohneigentum oder bei Todesfall (das Kapital sollte bei Riester 2.0 vererbbar sein).

Von Ali Masarwah, 17. November 2025, © envestor.de

Über den Autor

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor.de, eine der wenigen Fondsplattform, die Cashbacks auf Fonds-Vertriebsgebühren zahlt. Masarwah analysiert seit über 20 Jahren Märkte, Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar. Seine Expertise wird auch von zahlreichen Finanzmedien im deutschsprachigen Raum geschätzt.

Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von Deutsche Börse. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.