Fundamentale Nachricht
12:51 Uhr, 15.06.2020

Nach dem Rebound

Die Zeit der Veröffentlichung von Unternehmenszahlen im Sommer wird laut Nina Lagron, Head of Large Cap Equities bei La Française AM, entscheidend sein. Nicht nur wegen des Schadens, der durch die Beschränkungen verursacht wurde, sondern auch um das Tempo der Erholung abzuschätzen.

Die Gesundheitskrise entspannt sich allmählich in den Vereinigten Staaten, insbesondere in Europa und in der restlichen westlichen Welt. Auf der wirtschaftlichen Seite sind die Auswirkungen in der Privatwirtschaft in den meisten Branchen spürbar.

Die Maßnahmen von historischem Ausmaß durch Zentralbanken und Regierungen stützten jedoch die Märkte und ermöglichten eine deutliche Erholung aller Risikoanlagen. Die Verluste, die im Jahr 2020 bei den wichtigsten Aktienindizes verzeichnet wurden, sind nicht mit denen großer Wirtschaftskrisen vergleichbar. Diese Erholung wird eindeutig durch den Zufluss von Liquidität, aber auch durch die erheblichen Zinssenkungen in den USA sowie durch die Überzeugung unterstützt, dass die Zentralbanken und Regierungen den Umfang ihrer Maßnahmen zur Bewältigung der aktuellen Situation und möglicherweise bevorstehender Korrekturen nicht einschränken werden.

Dieser „Makro“-Ansatz muss nun von der Realwirtschaft übernommen werden und begründet unserer Ansicht nach eine neue Phase des Finanzaspekts der Corona-Krise.

Eine Finanzkrise historischen Ausmaßes – Phasen I bis III

Die Aktienmärkte verzeichneten mit einem Verlust von 33,8 % auf den € MSCI World Net TR zwischen dem 19.02.2020 und dem 23.03.2020 ihren stärksten Rückgang .

Umfangreiche Maßnahmen der Zentralbanken trugen zur Stabilisierung der Finanzmärkte bei. Nachdem die Anleger davon überzeugt waren, dass die staatlichen Konjunkturpakete ausreichen, um die Wirtschaft zu retten, erholten sich die Finanzmärkte deutlich (der stärkste jemals beobachtete Rebound: +43,5 % auf den € MSCI World Net TR zwischen dem 23.03.20 und dem 08.06.2020).

Phase IV – zurück zu den Fundamentaldaten

Wir haben die geldpolitischen Konjunkturpakete, die Risiken auf dem Kreditmarkt begrenzten, sehr begrüßt. Die eindrucksvollen finanzpolitischen Maßnahmen haben die Verschlechterung der Finanzergebnisse der Unternehmen auf ein Niveau begrenzt, das mit dem einer „normalen“ Rezession vergleichbar ist. Die vierte Phase, die gerade erst begonnen hat, wird jedoch entscheidend sein und stärker von wirtschaftlichen Fundamentaldaten beeinflusst werden.

Die Lockerung verlief ohne größere Schwierigkeiten, und Investoren sind zunehmend zuversichtlich, dass die wirtschaftliche Erholung rasch erfolgen und eine „V“-Form annehmen wird. Dies hat dem Markt seit Ende März zu einer deutlichen Erholung verholfen.

Die Hochfrequenzdaten (Autoverkehr, Auslastung der Einkaufszentren, Daten im Zusammenhang mit der Lockerung...) deuten derzeit auf eine rasche Erholung hin. Dies gilt insbesondere für die Sektoren, die am stärksten von der Krise betroffen waren, wie Gastronomie, Einzelhandel, Hotels, Luftverkehr und Automobilindustrie. Jedoch sollten wir bedenken, dass das derzeitige Marktniveau nahe den historischen Höchstständen liegt.

Analysten erwarten, dass der Gewinn pro Aktie im zweiten Quartal um fast 30 % sinken und sich dann zügig normalisieren wird. Diese Hypothese einer raschen Konjunkturerholung könnte sich als zu optimistisch erweisen, sollten die Maßnahmen der sozialen Distanzierung die Wirtschaftsakteure daran hindern, zu ihren normalen Verhaltensweisen zurückzukehren, oder im späteren Verlauf des Jahres eine zweite Infektionswelle eintreten. Zu wenig ist über neue Geschäftsprozesse, insbesondere hinsichtlich der zusätzlichen Kosten, bekannt, um sich zu den in einigen Monaten zu erwartenden Gewinnen äußern zu können. Obwohl sich der Konsum langsam wieder zu erholen scheint, sind die Effekte der Arbeitslosigkeit schwer abschätzbar.

Da wir derzeit die Auswirkungen auf die kurz- oder mittelfristigen Ergebnisse nicht vollständig greifen können, erweist sich die individuelle oder sektorale Analyse von Unternehmen als problematisch: Die Bewertungsniveaus scheinen auf Basis von 2020 sehr hoch zu sein, auf Basis der Gewinne von 2021 jedoch weit weniger überhöht.

Bezüglich einer Marktbewertung war die Dividendenrendite im Verhältnis zur Rendite festverzinslicher Wertpapiere wie Anleihen einer der verlässlichsten Indikatoren. Betrachtet man die Nominalrenditen, scheint der Aktienmarkt im Vergleich zu historischen Dividendenrenditen unterbewertet zu sein. Die derzeitigen Niveaus deuten jedoch darauf hin, dass die Investoren die Dividendenprognosen übermäßig optimistisch einschätzen und erwarten, dass die Unternehmen die hohen Barbestände beibehalten möchten. Nochmals – ein rascher Weg aus der Krise müsste gefunden werden, um das Vertrauen vollständig wiederherzustellen.

In der Eurozone hinken die zyklischen Sektoren immer noch deutlich hinter den defensiven hinterher und haben daher im Vergleich zum US-Markt erheblichen Aufholbedarf.

Sollte sich eine rasche Konjunkturerholung oder die Auflage wichtiger Konjunkturprogramme wie der Green Deal für Europa bestätigen, könnte dies die Erholung zyklischer Aktien beschleunigen.

Die Stilrotation ist in der Eurozone weiter fortgeschritten, auch wenn der „Value“-Stil (diskontierte Aktien) während der Erholung nicht dem Rest des Marktes folgte. Der „Growth“-Stil (Aktien, deren Kapitalwert von Jahr zu Jahr steigt) wird durch das gegenwärtige makroökonomische Umfeld grundsätzlich begünstigt, da ein großer Teil des Wertes aus Gewinnen stammt, die langfristig realisiert werden sollten. Daher reagieren sie empfindlich auf Änderungen des Diskontsatzes, aber weniger empfindlich auf kurzfristige Gewinnrückgänge. Bei den aktuellen Wachstumswerten handelt es sich eher um Technologieunternehmen, die eindeutig von der Corona-Krise profitiert haben.

Die durch die Pandemie verursachte Wirtschaftskrise ist keine Liquiditätskrise, wie das hohe Niveau an Börsengängen und Anleiheemissionen beweist. Das Ausbleiben einer Bankenkrise in Verbindung mit einem hohen Liquiditätsniveau sorgt für ein stabiles Bewertungsniveau an den Aktienmärkten, es sei denn, die Konjunkturerholung bestätigt sich nicht oder es kommt zu einer zweiten Infektionswelle. Kurzfristig sehen wir in der Eurozone ein größeres Kurspotenzial als in den USA mit einer stärkeren Aufholbewegung, einer unmittelbareren konjunkturellen Erholung aufgrund einer weitreichenderen Lockerungen und niedrigeren Bewertungen. Zusammen mit einer positiven gesundheitlichen Entwicklung wird es zu einer höheren Risikobereitschaft kommen.

Die Zeit der Veröffentlichung von Unternehmenszahlen im Sommer wird entscheidend sein. Nicht nur wegen des Schadens, der durch die Beschränkungen verursacht wurde, sondern auch um das Tempo der Erholung abzuschätzen.

Die abwartende Haltung der Investoren und das Ausbleiben neuer Zuflüsse an den Aktienmärkten in den letzten Quartalen könnten dazu führen, dass der Markt eine ähnliche Aufwärtsbewegung wie zu Jahresbeginn zeigt, die von der Begeisterung über die Entwicklung des Handelskrieges zwischen den USA und China ausgelöst wurde.

Zu berücksichtigende Risikofaktoren sind die Brexit-Verhandlungen, die von Frankreich und Deutschland eingeleiteten Unterstützungspläne, die US-Präsidentschaftswahlen und ihre Auswirkungen auf die Beziehungen zu China.

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