Kommentar
06:36 Uhr, 13.03.2017

Muss Yellen die EZB retten?

In der Geldpolitik tut sich gerade wirklich viel. Die neuesten Spekulationen sind besonders pikant.

Gerade erst hat die EZB ihren geldpolitischen Entscheid gefällt und nur einen Tag später ist das bereits wieder überholt. Der Entscheid an sich war wenig überraschend. Alles bleibt so wie es auch vorher war. Konkret bedeutet das: der Einlagesatz bleibt bei -0,4 %, der Leitzins bei 0 % und das QE-Programm läuft wie geplant weiter.

Im Vorfeld wurde darüber spekuliert, ob sich zumindest das Statement der EZB ändern würde. Darin hieß es seit langem: Die Zinsen bleiben für längere Zeit auf derzeitigem oder tieferem Niveau, auch über das Ende der Wertpapierkäufe hinaus. Diese Forward-Guidance hätte geändert werden können, um den ganz langsamen Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik vorzubereiten.

Ein Änderung wäre nicht schwierig gewesen. Man hätte den Schlüsselsatz leicht anpassen können, etwa indem die Worte "oder tieferem Niveau" gestrichen worden wären. Das Signal einer solchen Änderung ist eindeutig. Die Zinsen würden zumindest nicht weiter sinken. Die Option noch tieferer Zinsen wäre gestrichen worden. Dazu kam es nicht, obwohl dies den Kritikern entgegengekommen wäre.

Ein Direktoriumsmitglied spekulierte ja öffentlich über den Sinn der Androhung noch tieferer Zinsen. So langsam sei das überholt. Am Ende konnten sich die Kritiker wieder einmal nicht durchsetzen - auf den ersten Blick. Hinter den Kulissen wurden radikale Optionen erörtert, wie Bloomberg berichtete.

Die EZB hat dabei die Möglichkeit diskutiert, die Zinsen noch vor Ende des QE-Programms anzuheben. Das steht der Forward-Guidance diametral entgegen, da dort ganz eindeutig die Rede von tiefen oder tieferen Zinsen über das Ende des Programms hinaus ist. Das ist so anscheinend nicht in Stein gemeißelt.

Das kann man auf unterschiedliche Arten interpretieren. Einerseits funktionieren die negativen Zinsen nicht. Man will sie loswerden. Andererseits geht es auch der Peripherie etwas besser und es wird auf Dauer immer schwieriger die Kritiker der Niedrigzinspolitik dazu zu bewegen, die Kröte alle sechs Wochen erneut zu schlucken.

Negativzinsen haben nicht funktioniert. Sie schaden vermutlich sogar mehr als sie nützen. Die Margen der Banken werden kleiner und kleiner. Das hindert sie daran, mehr Kredit zu vergeben. Die Zinsen sind zu niedrig, um die Kreditvergabe anzukurbeln. Das hielt im Vorfeld niemand für möglich, doch so kam es letztlich.

Vielleicht erkennt die EZB trotz ihrer vordergründigen Gelassenheit auch an, dass die Inflation dauerhaft zurückkehren könnte. Bleibt sie bei ihrer Forward-Guidance, kann der erste Zinsschritt erst Mitte oder Ende 2018 erfolgen. Das ist, sofern sich der Trend bestätigt, viel zu spät. Um früher aus der ultralockeren Geldpolitik aussteigen zu können, bietet sich ein Kompromiss an: der Leitzins bleibt bei 0 %, doch der negative Einlagesatz wird bis Ende 2017 auf 0 % angehoben. 2018 erfolgt der erste "echte" Zinsschritt noch im ersten Quartal.

Seitdem die vertraulichen Informationen in die Welt gelangt sind, legt der Euro kräftig zu. Das ist nicht im Sinne der EZB. Die Südländer können einen stärkeren Euro derzeit nicht brauchen. Das lässt sich jedoch kaum vermeiden, wenn vielleicht schon beim nächsten Entscheid die Kommunikation verändert wird. Die EZB kann die Geldpolitik nicht gleichzeitig so locker lassen wie sie derzeit ist und gleichzeitig den Ausstieg vorbereiten ohne dadurch eine Straffung durch den Markt zu provozieren.

Aus den Dilemma kommt die EZB nicht von alleine heraus. Sie braucht Hilfe, die Hilfe der US-Notenbank. Bekennen sich die Notenbanker diese Woche zu mehr und schnelleren Zinsschritten als noch zuletzt, gleicht dies das Vorhaben der EZB aus. Nur die Fed und Yellen können die EZB aus diesem Dilemma befreien. Möglicherweise tut sie dies sogar gerne. Die Fed wollte 2016 noch nicht mehr straffen, weil der Dollar zu stark zu werden drohte. Bewegen sich Fed und EZB wieder synchron, ist möglicherweise beiden Währungsräumen geholfen. Und nicht zuletzt dürfte sich die EZB in der letzten Woche zurückgehalten haben, um der Fed ihren Zinsschritt in der kommenden Woche zu ermöglichen. Es wäre für den Markt dann doch zu viel gewesen, innerhalb einer Woche den nächsten US-Zinsschritt und die Ankündigung der Ultraniedrigzinspolitik im Euroraum zu verkraften.

Clemens Schmale

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6 Kommentare

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  • bembes
    bembes

    Alles Spekulationen.....wenn ...was ...wäre......Blommberg hat alle schön verarscht. Vermutlich haben sie Bund Future verkauft und nun schöne Gewinne eingefahren !!!!

    10:54 Uhr, 13.03.2017
  • geht_wen_an
    geht_wen_an

    vllt nen paar insider trades ist ja nicht das erste mal bei der EZB

    edit:konnte man doch gut noch am Sonntag den Euro gegen BTC auscashen

    09:09 Uhr, 13.03.2017
  • geht_wen_an
    geht_wen_an

    Schöne mal die Finanzmärkte verarscht, die netten Zentralbanken :D

    08:59 Uhr, 13.03.2017
  • tourguide
    tourguide

    Hallo Herr Schmalle, sie machen sich immer sehr viel Mühe, mit Ihren Beichten. Es ist auch sehr viel theoretisches Wissen dort verankert! Aber wenn ich mal die derzeitigen,geopolitischen Zusammenhänge betrachte stellt sich für mich die Frage: Wenn die Behörder der USA derzeit einen wahren Wirtschaftskrieg gegen Europa und sogar verstärkt gegen Deutschand fahren, warum sollte die FED uns helfen wollen? Es gibt ein Sprichwort. In der Politik geschiet nichts aus Zufall. Wem nützt ein starker Doller, bzw was kostet uns ein schwacher Euro!

    07:31 Uhr, 13.03.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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