Analyse
13:40 Uhr, 28.07.2025

Mühsam ernährt sich der Weltmarktführer – NESTLÉ kämpft gegen die Flaute

Nestlé vollzieht eine strategische Kehrtwende in seinem zweitgrößten Markt China. Der bisherige Fokus auf Distributionsausbau habe sich im gegenwärtigen deflationären Konsumklima als nicht mehr tragfähig erwiesen, erklärte CEO Laurent Freixe im Rahmen der Halbjahreszahlen.

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  • Nestlé S.A.
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  • Nestlé S.A. - WKN: A0Q4DC - ISIN: CH0038863350 - Kurs: 73,000 Fr (SIX)

Statt Verkaufsdruck im Handel will Nestlé nun gezielt in Nachfrage und Markenbindung investieren. "Wir brauchen mehr Pull, weniger Push", so Freixe. Dieser Paradigmenwechsel wird das Wachstum kurzfristig belasten, soll aber die Voraussetzungen für nachhaltigen Erfolg verbessern.

Die einst gefeierte Nestlé-Aktie reagierte mit scharfen Kursverlusten auf die eigentlich soliden Zahlen. Analysten lobten zwar die strategische Klarheit und das entschlossene Handeln – wie Olivier Nicolai von Goldman Sachs, der in seiner Einschätzung „Erleichterung“ über die bestätigte Jahresprognose betonte –, verwiesen jedoch auf wachsende Unsicherheiten in der Umsetzung. Guillaume Delmas (UBS) stellte kritisch fest, dass die China-Strategie im Q1-Update noch keine Rolle gespielt habe und der Strategiewechsel „äußerst abrupt“ wirke. Freixe konterte, es handle sich nicht um einen Bruch, sondern eine „notwendige Anpassung“, die durch die neue Führungsstruktur und persönliche Eindrücke vor Ort initiiert wurde: „Wir haben in China zu viel Bestand in der Handelskette aufgebaut – das behindert die Preisgestaltung, Frische und Markenführung. Das drehen wir jetzt zurück.“

Zahlenwerk: leichtes Wachstum, Marge solide, Ausblick bestätigt

Trotz der Umstellung in China und Gegenwind durch Wechselkurse und Zölle lieferte Nestlé insgesamt solide Zahlen. Der organische Umsatz stieg im ersten Halbjahr 2025 um 2,9 %. Während Preiserhöhungen mit 2,7 % den Löwenanteil des Wachstums ausmachten, fiel das mengenbezogene RIG mit 0,2 % enttäuschend aus – auch wegen Volumenverlusten in China und einer spürbaren Preiselastizität im Süßwarengeschäft.

Die operative Marge (UTOP) erreichte 16,5 % – ein Rückgang von 90 Basispunkten gegenüber dem Vorjahr, aber etwas über den Erwartungen. CFO Anna Manz erklärte: „Der Effekt höherer Inputkosten schlägt zeitverzögert durch, weil Preisverhandlungen nicht sofort möglich sind. Im zweiten Halbjahr wird sich die Marge deutlich abschwächen.“ Dennoch hält Nestlé an seiner Jahresprognose fest: Für 2025 wird ein organisches Wachstum über dem Vorjahr und eine UTOP-Marge von mindestens 16 % erwartet.

Kaffee robust, Süßwaren unter Druck, PetCare stabilisiert sich

Kaffee erwies sich als besonders resilient: Trotz erheblicher Preiserhöhungen blieb das Volumenwachstum stabil. „Die geringe Preiselastizität im Kaffeegeschäft ist bemerkenswert. Es zeigt, wie tief Kaffee im Konsumverhalten verankert ist“, so Manz auf Nachfrage von Analyst Callum Elliott (Bernstein). Anders das Bild bei Süßwaren: Hier führte die aggressive Preissetzung – zum Teil im zweistelligen Bereich – zu Volumenrückgängen. Manz zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass sich das Konsumentenverhalten normalisiere, sobald sich der Markt auf das neue Preisniveau eingestellt habe.

Im Heimtiersegment hat sich das Wachstum zwar deutlich abgeschwächt, verläuft laut Freixe aber "auf solidem Niveau". Analyst Olivier Nicolai (Goldman Sachs) fragte mit Blick auf den US-Markt, ob die rückläufige Preisdynamik in Verbindung mit erhöhter Konkurrenz Anlass zur Sorge gebe. Freixe wies auf die strukturelle Attraktivität des Segments hin: „Die Haustieradoption wächst weiter, Urbanisierung und demografischer Wandel spielen uns in die Karten.“ Kurzfristige Preiszurückhaltung resultiere vor allem aus ausgeglicheneren Angebotsverhältnissen und stabilen Rohstoffkosten – eine "gesunde Korrektur nach dem pandemiegetriebenen Boom".

Werbeinvestitionen steigen – dank Effizienz früher als geplant

Ein zentrales Element der Strategie ist die Intensivierung der Markeninvestitionen. Die Werbe- und Marketingquote (A&P) stieg im ersten Halbjahr auf 8,6 % des Umsatzes – ein Niveau, das ursprünglich erst gegen Jahresende geplant war. Möglich machte dies das konzernweite Effizienzprogramm „Fuel for Growth“, das bereits in H1 rund 150 Mio. CHF Einsparungen in der Erfolgsrechnung brachte. Für das Gesamtjahr rechnet Nestlé nun mit über 700 Mio. CHF an Hebeln, die vollständig zur Gewinn- und Markenstärkung eingesetzt werden sollen.

Anna Manz betonte, dass die Wirkung der Investitionen nicht allein an der Quote gemessen werden dürfe: „Wir erzielen durch eine bessere Datenbasis und gezieltere Kommunikation mehr Wirkung pro investiertem Franken.“ Analystin Victoria Petrova (Bank of America) hinterfragte, ob das ursprünglich avisierte 9 %-Ziel jetzt vom Tisch sei. Manz erklärte, dass die Effektivität der Maßnahmen schneller gestiegen sei als erwartet, sodass in absoluten Zahlen wie geplant investiert werde – nur eben mit effizienteren Mitteln.

Ein Wermutstropfen bleibt der freie Cashflow, der sich im ersten Halbjahr auf nur 2 Mrd. CHF halbierte. Analyst Warren Ackerman (Barclays) zeigte sich besorgt, dass die Cashgenerierung derzeit nicht ausreiche, um die Dividende zu finanzieren. CFO Manz verwies auf Saisonalität, höhere Lagerkosten und Währungseffekte: „Das erste Halbjahr ist traditionell cashschwach. Wir haben gezielt Lager aufgebaut, um Zöllen zuvorzukommen. In der zweiten Jahreshälfte wird sich das normalisieren.“ Ziel bleibe eine deutliche Verbesserung des Working Capital – auch durch digitale Steuerung und konzernweite Lageroptimierung.

Im Segment Nestlé Health Science steht eine tiefgreifende Portfolioüberprüfung bevor. Marken aus dem Mainstream- und Value-Bereich, darunter Nature’s Bounty, Osteo Bi-Flex und Puritan’s Pride, stehen zur Disposition. Freixe: „Wir fokussieren uns künftig auf Premium-Marken, bei denen wir durch Wissenschaft und Markenführung echten Mehrwert bieten können.“ Die betroffenen Marken erwirtschaften einen Umsatz von rund 1,2 Mrd. CHF bei niedriger einstelliger Marge. Analyst Ackerman bezeichnete die mögliche Desinvestition als „Rücknahme der Bountiful-Expansion“, stellte jedoch anerkennend fest, dass der Fokus auf werthaltige Marken konsistent sei.

Auch auf eine persönliche Frage nach seiner Amtszeit reagierte der CEO mit Entschlossenheit: „Vorausgesetzt, der Verwaltungsrat wünscht es und die Umstände erlauben es, bin ich bereit, Nestlé auch über das 65. Lebensjahr hinaus zu führen.“

Fazit: Nestlé hält trotz spürbarer externer Belastungen an seinen Jahreszielen fest und treibt die Transformation konsequent voran. Die Markenfokussierung, der Strategiewechsel in China und die operative Umsetzung der Wachstumsplattformen („Big Bets“) gelten am Markt immer noch als richtiger Kurs – auch wenn kurzfristige Rückschläge einkalkuliert werden müssen. Freixe zeigte sich gelassen: „Wir investieren heute in die Basis für nachhaltiges Wachstum – und das zahlt sich bereits aus.“

Dennoch, die Kursreaktion zeigt das große Misstrauen in die Strategie. Man mag zwar vorne schön reden, doch überzeugen muss man am Ende mit Zahlen. Nestlé plagen zudem hohe Schulden von netto zuletzt ca. 60 Mrd. CHF, die dank Nullzinsen in der Schweiz aber gut finanzierbar bleiben. Die hohe Verschuldung schränkt die Flexibilität des Konzerns aber auch ein und bleibt ein großer Kritikpunkt. Nur sehr langfristig orientierte Investoren greifen daher bei der Nestlé-Aktie zu und wetten damit wieder auf bessere Zeiten. Die Dividendenrendite von derzeit 4,2 % fällt so hoch aus, wie zuletzt in der Finanzkrise 2008/2009 und sollte als Stütze fungieren.

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Jahr 2024 2025* 2026e*
Umsatz in Mrd. CHF 91,35 90,00 92,13
Ergebnis je Aktie in CHF 4,77 4,38 4,62
KGV 15 17 16
Dividende je Aktie in CHF 3,05 3,08 3,14
Dividendenrendite 4,16% 4,20% 4,28%

*e = erwartet, Berechnungen basieren bei
US-Unternehmen auf Non-GAAP-Daten

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