MiCAR 2025 – 4 Perspektiven: Das sagt die Branche
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Dieser Beitrag erschien im DACH Insider Ausgabe 08 am 15.12. Der DACH Insider ist das Insider-Journal für die deutschsprachige Digital Assets Industrie. Jeden zweiten Sonntag liefern wir exklusive Analysen und Hintergrundberichte aus dem DACH-Raum. Schau dir hier die komplette Ausgabe an.
Als Coinbase Ende November das Ende seines USDC-Rewardsprogramms für seine europäischen Kunden verkündete, ging ein Aufschrei durch die Industrie. Für viele Nutzer war es das erste Mal, dass sie von den MiCA-Verordnungen spürbar betroffen waren. Zum 30.12. werden nun auch die restlichen Bestimmungen der neuen Regulierung in Kraft treten. Ab diesem Zeitpunkt werden nicht mehr nur Stablecoin-Emittenten, sondern auch Krypto-Dienstleister (CASPs) im Allgemeinen stärker in die Pflicht genommen.
Vor allem in Deutschland gibt es noch einige Fragezeichen. Da das nationale Gesetz zur Umsetzung der MiCAR in Deutschland nach dem „Ampel-Aus“ noch nicht verabschiedet wurde, könnten deutsche Institutionen Probleme haben, rechtzeitig eine MiCAR-Lizenz zu beantragen. Die eventuellen Folgen sind aktuell noch unklar.
Wir wollten besser verstehen, welchen Einfluss die MiCAR-Verordnungen ganz konkret auf den Markt haben werden und haben uns deswegen mit Vertretern von Bitpanda, Circle, Finoa und Osborne Clark zum Kurzinterview verabredet. Sie gaben uns interne Einblicke in ihre operativen Vorbereitungen auf MiCAR und teilten ihre Sicht auf die Chancen und Risiken für die EU als Krypto-Standort.
Bitpanda: Die Börsen-Perspektive
Philipp Bohrn
VP Public and Regulatory Affairs
Wie habt ihr euch intern auf die Anforderungen von MiCAR vorbereitet?
Bitpanda ist bereits in mehreren Ländern lizenziert, weshalb viele der relevanten Prozesse für MiCAR bereits etabliert sind. Die erforderlichen Anpassungen sind daher durch unseren starken Fokus auf Compliance und unseren „Regulatory First“-Ansatz bereits abgedeckt. Wir sind zuversichtlich, dass wir mit dem Erhalt der MiCAR-Lizenz alle Anforderungen erfüllen werden und damit weiterhin unserer Position als sicherster europäischer Player am Kryptomarkt gerecht werden.
Welche Auswirkungen erwartet ihr durch das Inkrafttreten der Regulierung auf euren Markt? Welche Chancen ergeben sich für euch?
Das Inkrafttreten der MiCAR-Regulierung bietet Bitpanda den Vorteil einer einheitlichen EU-Lizenz. Als regulierter Akteur sind wir gut vorbereitet und erwarten eine zügige Erteilung einer MiCAR-Lizenz. Wir gehen zudem davon aus, dass die Anforderungen in allen Mitgliedstaaten auf einem vergleichbaren Niveau liegen werden – ohne übermäßige Regulierungsauflagen in Ländern wie Deutschland und Österreich.
Habt ihr noch Wünsche oder Erwartungen an den Gesetzgeber?
Eine Umsetzung der MiCAR-Verordnung in Deutschland noch vor der Bundestagswahl ist sehr wichtig. Nachfolgend ist die zügige Bearbeitung von Lizenzanträgen für EU-Unternehmen, die die Anforderungen bereits in der Vergangenheit erfüllt haben, ebenfalls von entscheidender Bedeutung, um Fairness und Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten. Unternehmen, die schon früher EU-Standards befolgt und transparent mit den Regulierungsbehörden zusammengearbeitet haben, sollten dabei prioritär behandelt werden.
Circle: Die Stablecoin-Perspektive
Patrick Hansen
Senior Director EU Strategy & Policy
MiCAR ist für euch bereits seit diesem Sommer in Kraft. Welche Veränderung habt ihr bisher im Europäischen Stablecoin-Markt bemerkt?
Wir erleben eine klare Veränderung im europäischen Markt. Krypto-Unternehmen, einschließlich Börsen, nehmen zunehmend Stablecoins aus dem Handel, die nicht die nötigen Genehmigungen haben. Gleichzeitig werden einige Euro-Stablecoins ohne lokale Lizenz nach und nach eingestellt. Der Markt bewegt sich also deutlich in Richtung MiCAR-konformer Token.
Wir sind stolz darauf, als erster großer globaler Stablecoin-Emittent diesen wichtigen Schritt geschafft zu haben. Unser Euro-Stablecoin EURC hat sein Angebot verdoppelt und eine Marktkapitalisierung von über 90 Millionen Euro erreicht. Damit ist er der größte Euro-Stablecoin nach Marktkapitalisierung und hat seinen Marktanteil in den letzten fünf Monaten verdoppelt. Diese Entwicklungen zeigen klar, dass der „MiCAR-Effekt“ bereits in vollem Gange ist.
Was glaubst du, wie sich die Marktstruktur verändern wird, wenn auch die restlichen MiCAR-Regelungen 2025 in Kraft treten?
Wir gehen davon aus, dass sich die Liquidität und das Handelsvolumen weiter auf MiCAR-zugelassene Stablecoins verlagern werden. Sobald MiCAR vollständig umgesetzt ist, dürfte sich der Trend verstärken, dass von der EU regulierte CASPs die Unterstützung für nicht autorisierte Stablecoins einstellen.
Außerdem erwarten wir ein starkes Wachstum bei der Nutzung von Euro-Stablecoins – nicht nur für den Krypto-Handel, sondern auch in Bereichen wie B2B-Zahlungen, Überweisungen und der Abwicklung von tokenisierten Aktien und Anleihen auf neuen Handelsplattformen, die im Rahmen des DLT-Pilotregimes entstehen.
Was kommt nach MiCAR? Gibt es weitere regulatorische Initiativen, die ihr für den europäischen Markt besonders wichtig findet?
Es stehen tatsächlich einige wichtige Vorschriften für Krypto-Unternehmen in der EU an, darunter die Travel Rule (TFR), der Digital Operational Resilience Act (DORA) und ein neues Rahmenwerk für die Steuerberichterstattung. Die Branche konzentriert sich aktuell stark darauf, diese Anforderungen zu erfüllen.
Ein weiteres zentrales Thema, das in der aktuellen Überarbeitung der Zahlungsdiensterichtlinie (PSD) genauer betrachtet werden muss, ist die Frage, wie fiat-gestützte Stablecoins (E-Money-Token) behandelt oder möglicherweise ausgenommen werden – insbesondere da diese Regelungen ursprünglich nicht für Blockchain-Technologien entwickelt wurden.
Finoa: Die Custodian-Perspektive
Jörg Howein
Chief Product Officer
Wie aufwändig waren eure Vorbereitungen auf MiCAR, und wo lagen die größten Herausforderungen?
Tatsächlich waren die MiCAR-Vorbereitungen nicht aufwendiger als die Erfüllung anderer für deutsche Kryptoverwahrer relevante Regularien, wie z.B. MaRisk, BAIT oder DORA (letztere verursacht sogar deutlich mehr Aufwand). Herausfordernd bei MiCAR sind teilweise Unklarheiten in der “1. Version” einer neuen Regulierung, so ist diese z.B. relativ klar auf den Retail-Bereich ausgerichtet und lässt offene Fragen bezüglich institutioneller Kunden.
Welche Chancen und Risiken bringt MiCAR für euer Geschäftsmodell mit sich?
Natürlich bringt MiCAR durch die Harmonisierung Chancen auf eine einfachere, EU-weite Kundenansprache. Dies ist allerdings für Retail relevanter als für institutionelle Kunden.
Für uns, mit einem großen Anteil außereuropäischer, institutioneller Kunden, bringt die MiCAR leider auch Wettbewerbsnachteile. So werden z.B. “Zinsen” auf Stablecoins vielfach nachgefragt, sind aber in der MiCAR verboten und wir verlieren somit Custody-Volumen an außereuropäische oder unregulierte Wettbewerber.
Gibt es Bereiche, in denen ihr euch zusätzliche regulatorische Leitlinien über MiCAR hinaus wünschen würdet?
Grundsätzlich ist klare Regulierung wünschenswert. Vor allem dann, wenn sie einheitlich Europäisch ist wie die MiCAR. Dennoch fühlen wir uns mehr als ausreichend mit Regulierung “versorgt” und wünschen uns eher mehr Freiheiten als weniger, gerade im Bereich der Krypto- und Web3-Innovationen. Hier sind uns andere geographische Regionen deutlich voraus, die aber natürlich teilweise auch einen anderen Regulierungsansatz verfolgen als wir in Europa.
Osborne Clark: Die Kanzlei-Perspektive
Dr. Robert Oppenheim
Partner
Wie nehmt ihr aktuell die Stimmung unter den CASP wahr? Sind die meisten gut vorbereitet?
Die heute in Deutschland bereits regulierten Unternehmen, die Kryptowerte-Dienstleistungen anbieten, sind überwiegend gut auf die MiCAR vorbereitet. Erste Gap-Analysen zeigen, dass die zusätzlichen Anforderungen der MiCAR mit überschaubarem Aufwand erfüllbar sind. Unsicherheiten ergeben sich derzeit vor allem dadurch, dass das nationale Gesetz zur Umsetzung der MiCAR in Deutschland nach dem „Ampel-Aus“ noch nicht beschlossen wurde. Unklar ist beispielsweise, was das für das vereinfachte Verfahren in Deutschland bedeutet. Hier brauchen wir schnell Rechtssicherheit.
Welche Stolpersteine habt ihr bei euren Mandanten in Bezug auf MiCAR besonders häufig beobachtet?
Derzeit bereiten mehrere unserer Mandanten die Ausgabe von Token unter der MiCAR vor. Die Erstellung eines Kryptowerte-Whitepapers ist anspruchsvoll und in keiner Weise vergleichbar mit dem herkömmlich am Markt bei einem ICO bislang veröffentlichten Whitepaper.
Vielmehr hat sich der europäische Gesetzgeber stark an der Regulierung für Wertpapierprospekte orientiert. Erfahrungsgemäß bereitet vor allem die nachvollziehbare Beschreibung des Projekts sowie die damit zusammenhängenden Risiken den Unternehmen Schwierigkeiten.
Was erwartet uns nach MiCAR? Gibt es bereits weitere regulatorische Initiativen im Digital-Assets-Bereich, die für den DACH-Raum relevant werden könnten?
Nach der MiCAR dürfte eine eigene Regulierung von „decentralised finance“ (kurz: DeFi) in den Fokus des europäischen Gesetzgebers rücken. Bereits im Rahmen des MiCAR-Prozesses wurde auf die Notwendigkeit einer solchen Regulierung hingewiesen. Das bedeutet aber nicht, dass DeFi-Geschäftsmodelle heute gar nicht reguliert sind. Soweit nämlich hier Kryptowerte entstehen bzw. transferiert werden, werden diese grundsätzlich von der MiCAR erfasst und können tauglicher Gegenstand einer (erlaubnispflichtigen) Kryptowerte-Dienstleistung sein.
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