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10:44 Uhr, 18.10.2012

Merkel vs. Steinbrück: Schlagabtausch im Bundestag

Berlin (BoerseGo.de) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in ihrer Regierungserklärung zur Euro-Krise einen tiefgreifenden Umbau der Europäischen Union als Reaktion auf die Finanzkrise gefordert. Die derzeitigen Probleme seien auch Fehlentscheidungen bei der Gründung des Euro-Raums geschuldet, sagte die Kanzlerin am Vormittag vor dem Bundestag in Berlin. Missstände müssten behoben werden, um Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Nötig sei mehr europäische Zusammenarbeit bei der Fiskal-, Finanzmarkt- und Wirtschaftspolitik sowie eine stärkere demokratische Legitimation.

Die Kanzlerin verteidigte in diesem Zusammenhang die Forderung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach mehr Kompetenzen für den EU-Währungskommissar. Deutschland sei dafür, der EU Kommission bei Verstößen gegen die Haushaltsdisziplin echte Durchgriffsrechte gegenüber den nationalen Haushalten zu gewähren, sagte Merkel. Die Autorität dafür läge dann beim Währungskommissar. Auch wenn es gegen den Vorschlag bei anderen Staaten noch Vorbehalte gebe, werde die Bundesregierung weiter auf eine solche Änderung drängen auch beim EU-Gipfel in Brüssel.

Merkel hat in ihrer Erklärung zugleich einer zeitnah eingeführten Möglichkeit direkter Finanzspritzen an Banken durch den Rettungsfonds eine Abfuhr erteilt. Zunächst müsse eine arbeitsfähige und effektive Bankenaufsicht eingerichtet werden. "Voraussetzung für eine direkte Rekapitalisierung ist eine auch wirksame (europäische) Aufsicht", sagte sie. Der bloße Abschluss der Gesetzgebung reiche nicht aus. An dieser Stelle gehe Qualität vor Schnelligkeit, betonte Merkel. Zur Unterstützung von Reformen in europäischen Partnerländern hat die Kanzlerin zudem einen Fonds als „ein neues Element der Solidarität“ ins Spiel gebracht. Daraus könnten projektbezogene Gelder in Anspruch genommen werden. Voraussetzung sei, dass Mitgliedsstaaten mit der europäischen Ebene verbindliche Reformvereinbarungen für mehr Wettbewerbsfähigkeit schließen und auch die nationalen Parlamente zustimmen. Gespeist werden könne der Fonds beispielsweise aus den Einnahmen der geplanten Finanztransaktionssteuer,

Die Kanzlerin rief nochmals dazu auf, alles zu tun, um die Eurokrise in den Griff zu bekommen. Der Euro seit weit mehr als eine Währung, sagte Merkel. „Dieser Euro steht symbolhaft für die wirtschaftliche, soziale und politische Einigung Europas“. Manches sei bereits geschafft. „Wir können die Konturen einer Stabilitätsunion bereits deutlich erkennen“.

Im Anschluss an die Regierungserklärung der Kanzlerin hat SPD-Frontmann Peer Steinbrück vor dem Bundestag gesprochen. Zunächst hat der SPD-Kanzlerkandidat die Regierung und Angela Merkel zu mehr Anstrengungen zur Überwindung der Euro-Krise aufgerufen. Kein Rettungsschirm sei zu groß, um Europa zu bewahren, so Steinbrück. „Kleinmut würde dem nicht gerecht“. Er ergänzte: „Deutschlands Zukunft ist Europa und in diese Zukunft werden wir investieren müssen“. Die Kanzlerin solle den Menschen ehrlich sagen, dass Griechenland weitere Hilfe benötige. Wenn der erste Stein aus dem europäischen Haus gebrochen sei, würden weitere folgen. Steinbrück warf Merkel vor, im Sommer „ein Mobbing“ in den eigenen Reihen gegen Griechenland zugelassen zu haben.

Europa müsse sich neu konstituieren, betonte Steinbrück weiter. Dieses Europa müsse ein Europa mit „innerem Gleichgewicht“ und mit Chancen für alle sein, nur ein solches Europa sei stark genug, um allen Menschen Frieden und Schutz und Freiheit zu bieten. „Es ist an Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, diesen Weg fortzusetzen, Ihre Politik der letzten zwei Jahre und auch Ihre Rede heute ist dem nicht gerecht geworden“. Ein Jahr vor der Bundestagswahl im Herbst 2013 war dies das erste Schlagabtausch zwischen der Kanzlerin und ihrem Herausforderer.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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