Mehr Erfolg mit der Fischteich-Strategie
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Im Kapitalteil der Webseite der BBC, dem britischen Pendent unserer ARD und ZDF, erschien kürzlich ein recht spannender Artikel des Wissenschaftsautors David Robson. Der Artikel handelte vom Fischteicheffekt, einem sozialen bzw. ursprünglich pädagogischen Phänomen, wonach Schüler, die in einer Klasse mit überwiegend schwächeren Mitschülern unterrichtet werden, zu besseren Leistungen angespornt werden, als würden sie in einer Klasse mit tendenziell „schlaueren“ Schulkameraden konkurrieren.
Der Fischteicheffekt lässt sich auch auf andere Bereiche übertragen, wie z.B. berufliche Entscheidungen oder die Auswahl von Finanzinstrumenten an der Börse.
Der Name des Phänomens ist eine Kurzübersetzung aus dem Englischen: „Big-Fish-Little-Pond-Effect“, was soviel heißt wie „großer Fisch, kleiner Teich Effekt“. Der Begriff skizziert, dass in einem kleinen Teich die großen Fische besonders auffallen, während sie möglicherweise im großen Meer neben vielen anderen großen Fischen kaum hervorstechen würden.
Warum funktioniert der Fischteicheffekt?
Ganz natürlich würden wir davon ausgehen, dass z.B. bei der Wahl der richtigen Schule oder Universität nur die Besten der Besten für uns oder unsere Kinder gut genug wären. Jedes Jahr ziehen Eltern bis vor Gerichte, damit ihre Kinder doch noch das Gymnasium besuchen oder auf eine renommierte Privatuniversität gehen dürfen.
Doch möglicherweise ist das zu kurz gedacht. Vielleicht hoffen wir, dass andere intelligente Kinder unsere Kinder zu besseren Leistungen anspornen - oder sie zumindest bei der Abschlussarbeit bei sich abschreiben lassen. In der Praxis ist jedoch oft das Gegenteil der Fall. Denn leider, so argumentiert der Autor David Robson (1), seien Menschen sehr eifersüchtige Wesen und würden sich ständig mit den Eigenschaften anderer Mitmenschen vergleichen. In einer Schulklasse mit vielen überdurchschnittlich intelligenten Mitschülern könnte das dazu führen, dass ein Kind sich weniger selbstsicher fühlt oder gar Zweifel an der eigenen akademischen Fähigkeit entwickelt.
Tatsächlich haben Studien auf Basis von PISA-Daten genau die Kehrseite dieser Medaille belegen können. Schüler entwickelten durch leistungsschwächere Mitschüler eine größere Motivation neues Wissen und neue Kompetenzen zu erlernen. Das förderte das Selbstbewusstsein und die Kompetenz der Kinder neues Wissen aufzunehmen. Der Volksmund kennt diese Weisheit schon lange, denn "unter den Blinden ist der Einäugige König."
"Small Town Success"
David Robson hat den Fischteicheffekt aber auch in anderen Bereichen identifiziert. So hat sich neben Untersuchungen bei Kindern vor allem der Profisport als ein Betätigungsfeld erwiesen, das wiederum Rückschlüsse auch auf Karriereentscheidungen zuließ. Im Profisport ist der Fischteicheffekt als „Small Town Success“ („Der Kleinstadt-Erfolg“) bekannt. Robson zitiert eine US-amerikanisch-kanadische Studie, die 2.240 professionelle Athleten aus verschiedenen Sportarten (z.B. Hockey, Basketball oder Golf) daraufhin analysiert hat, wo diese Sportler geboren und aufgewachsen sind. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Profisportler überwiegend aus mehr oder weniger relativ kleinen Städten oder Regionen kamen, wo sie eine größere Chance hatten, dass ihr Potenzial erkannt werden würde.
Die folgenden Zahlen lassen vermuten, dass dieser Zusammenhang nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Während die Hälfte der US-Bevölkerung in Städten oder Gemeinden mit weniger als 500.000 Einwohnern lebt (vice versa die andere Hälfte lebt in Metropolen), kommen 87 % aller NHL-Spieler aus eben jenen „smaller cities“. In der NBA stammen 71 % aller Profispieler aus kleinen Städten, also 20 % mehr als man bei einer Zufallsverteilung erwarten würde. David Robson findet einige gute Argumente, warum kleine Gemeinden einen Nährboden für eine aussichtsreiche Sportkarriere liefern. Vielleicht bieten diese mehr Angebote, bei denen Kinder in einer sicheren Umgebung draußen spielen und sich ausprobieren können.
Doch einen wesentlichen Vorteil sieht Robson eben im Fischteicheffekt. Die Konkurrenz ist in der Provinz geringer, die Wahrscheinlichkeit von einem Talent-Scout gefunden zu werden, weil man durch Leistung hervorsticht, größer. Eine andere Studie der englischen Fussballprofiliga hat gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit zum Durchbruch eines jungen Profispielers zum Top-Star in einer Mannschaft höher ist, die gerade abgestiegen ist, als in einer Mannschaft, die kontinuierlich um die oberen Plätze der ersten Liga mitkämpft. Der Grund ist so einfach wie logisch: Während die meisten Topspieler eine Abstiegsmannschaft verlassen und zu einem anderen Erstligaverein wechseln, bekommen die jungen Spieler (die vielleicht vorher die Bank warm gehalten haben) nun eine seltene Chance und Leistung zu zeigen und von der Presse und Fans entdeckt zu werden.
Karrieretipp: Fronterfahrung in kleinen Unternehmen sammeln
Komplizierter wird es für die Wissenschaftler, wenn es um die Karrieren von uns „gewöhnlichen“ Menschen geht, schlichtweg weil es hier wenig messbare Daten gibt. Dennoch sind die Experten überzeugt, dass junge Talente bei einem kleinen oder mittleren Unternehmen eine höhere Wahrscheinlichkeit auf einen Karriereschub haben, als bei internationalen Großkonzernen. Der Grund ist die sogenannte „front-line experience“ („Fronterfahrung“).
So werden laut Robson beispielsweise bei großen Unternehmensberatungen die wertvollsten Kunden an die erfahrenen und älteren Senior-Berater gegeben. Junge „Greenhorns“ haben kaum die Chance, auch nur in die Nähe eines Kunden zu kommen, um wichtige Berufserfahrung zu sammeln und Netzwerke zu knüpfen. Für den Lebenslauf hört es sich vielleicht gut an in einem weltweit agierenden Top-Unternehmen zu arbeiten, aber die Chancen, hier als mittelmäßiger Sachbearbeiter zu enden, seien nicht zu unterschätzen. Auf Basis des Fischteicheffekt empfiehlt der Autor sich seine Sporen in „flacherem Wasser“, also bei kleinen erfolgreichen Unternehmen, zu verdienen und dort sichtbare Erfolge zu erzielen.
Funktioniert der Fischteicheffekt auch an der Börse?
Meiner Einschätzung nach lässt sich der Fischteicheffekt auch an der Börse beobachten. Ich stelle immer wieder fest, dass vor allem jene Fondsmanager dauerhaft stabile Überrenditen erzielen, die sich auf kleine bis mittlere Unternehmen oder Spezialanlagethemen fokussieren. (2) Ein Beispiel: Die Daimler AG wird von über 28 Analystenteams gecovert, darunter so renommierte Adressen wie Morgan Stanley, die UBS oder die Berenberg Bank. Kleinere oder junge Unternehmen werden von den Investmenthäuser kaum beachtet. Zum Vergleich, die im SDAX gelistete HelloFresh wird lediglich von 5 Analysten beobachtet. Die Wahrscheinlichkeit, sich einen entscheidenden Vorteil dort zu erarbeiten, wo weniger Augen hinschauen, ist nachvollziehbar höher.
Auch im Trading ist der Fischteicheffekt wahrnehmbar. Während die überwiegende Zahl der Daytrader große Indizes wie den DAX oder Forexmarkt handelt (und dabei im permanenten Wettbewerb mit milliardenschweren Investmentprodukten, z.B. automatisiert allokierten ETFs steht), konzentrieren sich die wenigen erfolgreichen Trader auf Spezialstrategien oder Nebenwerte, die nicht von der Mehrheit verfolgt werden.
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