Fundamentale Nachricht
15:34 Uhr, 08.02.2023

Marktrotationen nutzen, mit Fokus auf China

Vincent Mortier, Group CIO Amundi und Matteo Germano, Deputy Group CIO Amundi, haben auch für Februar wieder die Lage an den Finanzmärkten analysiert und kommentiert.

An den Märkten verlagert sich der Fokus von der Inflation auf das Wachstum, mit etwas entspannteren wirtschaftlichen Aussichten für Europa und einem optimistischeren Blick auf China. Dies führt zu starken Rotationen: Die Outperformance von China und den Schwellenländern war der auffälligste Trend, gefolgt von der deutlichen Trendwende beim Dollar.

Auch innerhalb der Märkte kam es zu Rotationen, wobei in Europa zyklische Aktien gegenüber defensiven Titeln bevorzugt wurden, während in den USA die Erwartung einer weniger aggressiven Politik der US-Notenbank Fed Technologiewerte unterstützte. Für die Zukunft dürften nach unserer Auffassung vier Themen von entscheidender Bedeutung sein: (1) die Balance zwischen Inflation und Wachstum, (2) die Maßnahmen der Zentralbanken, (3) die Abschwächung des Dollars und (4) die Entwicklung der Unternehmensgewinne. Jede negative Wachstums- und Gewinnüberraschung könnte die Märkte nach unten treiben, während es bei den derzeitigen Bewertungsniveaus keine kurzfristigen Auslöser für Aufwärtsbewegungen gibt. Dies erfordert aus unserer Sicht eine defensive Allokation, aber Investoren sollten nach unserer Auffassung folgende Rotationen erwägen:

  • Risikoneigung: An einer vorsichtigen Risikoposition festhalten, aber regionale Präferenzen anpassen. Wir stehen chinesischen Aktien jetzt positiver gegenüber als Aktien der Industrieländer, bei denen wir vorsichtig sind und uns mehr an der Marktkapitalisierung orientieren (Reduzierung der negativen Haltung gegenüber europäischen Aktien). Aus einer anlageübergreifenden Perspektive sind wir bei der Duration – einem Maß für die Zinssensitivität von Anleihen – leicht positiv eingestellt, da wir glauben, dass Staatsanleihen ihre Vorteile bei der Portfolioabsicherung beibehalten. Bei Hochzins-Unternehmensanleihen sind wir etwas vorsichtiger, während wir uns auch weiterhin auf die Diversifizierung durch Rohstoffe wie Öl und Gold konzentrieren.
  • Anleihen: Ein aktives Durationsmanagement ist entscheidend. Inflations- und Leitzinserwartungen manifestieren sich am schnellsten in den Anleiherenditen, die eine Abwärtsbewegung erfahren haben, was unsere leicht positive Haltung zur US-Duration und eine etwas vorsichtige Haltung in Kerneuropa unterstützt. Obwohl die kurzfristigen Wachstumssorgen sich als konstruktiv erweisen sollten, würden wir dies nicht als gegeben hinnehmen, da die Inflation immer noch hoch ist. Die Zentralbanken sind entschlossen, die Inflation zu bekämpfen, insbesondere die hartnäckige Dienstleistungsinflation, und dies rechtfertigt eine aktive Haltung. Andererseits wird die japanische Zentralbank wahrscheinlich ihre Negativzinspolitik beenden, nachdem sie ihre Inflationsprognosen für 2023 nach oben korrigiert hat, was uns bei japanischen Staatsanleihen vorsichtig werden lässt.
  • Unternehmensanleihen: Im Rahmen des Mantras "Bonds are back" bei Unternehmensanleihen einen selektiven Ansatz verfolgen. Die Auswirkungen der geldpolitischen Straffung auf die Unternehmensanleihen waren bisher begrenzt, da der Refinanzierungsbedarf begrenzt ist und die Unternehmen viel interne Liquidität einsetzen. Letzteres hat zwar bisher die Renditeabstände (Spreads) gestützt, aber auch zu einer Verschlechterung der Liquidität im Vergleich zum Vorjahr geführt, insbesondere bei Emittenten mit niedrigem Rating. Mit Blick auf die Zukunft werden die Auswirkungen steigender Zinssätze und des geringen Wirtschaftswachstums eher bei den Emittenten von Hochzinsanleihen mit niedrigem Rating zu spüren sein. Daher bevorzugen wir weiterhin Unternehmensanleihen hoher Bonität (Investment Grade) gegenüber Hochzins-Unternehmensanleihen. Aus regionaler Sicht sind die Spreads für europäische Investment Grade-
    Anleihen im historischen Vergleich günstig, was für US-amerikanische Investment Grade-Anleihen nicht zutrifft.
  • Aktien: Bei den entwickelten Märkten sollten sich Investoren mehr auf die Resilienz der Erträge auf der Ebene der einzelnen Unternehmen konzentrieren. Die Veränderungen auf der makroökonomischen Ebene und die Währungsdynamik sprechen für eine vorsichtigere Haltung in den USA und Japan, während die verbesserten Wirtschaftsaussichten für Europa hier eine weniger negative Sicht rechtfertigen. Dieses positive Szenario, das die Märkte einkalkuliert haben, könnte sich jedoch aufgrund geopolitischer Risiken oder unerwartet restriktiverer Zentralbanken leicht ins Gegenteil verkehren. Man sollte auch erwähnen, dass der Jahresanfang oft kein guter Indikator für die Renditen im restlichen Jahr ist. Die laufende Gewinnsaison dürfte ein klareres Bild für das erste Halbjahr liefern.
  • Schwellenländer: Chancen in den Schwellenländern nutzen, insbesondere in China. China setzte seine rasche wirtschaftliche Wiederöffnung fort und stützt seinen Immobilienmarkt, was uns veranlasst, konstruktiv zu bleiben, da wir auch unsere Wachstumsaussichten für das Land angehoben haben. Dies könnte sich positiv auf Länder mit engen Handelsbeziehungen zu China auswirken. Bei den Schwellenländeranleihen gehören der USD-Trend, das Wirtschaftswachstumsgefälle zwischen den Schwellen- und den Industrieländern sowie die Bewertungen zu den wichtigsten Stimmungsfaktoren.

Insgesamt treten wir nach unserer Auffassung in eine risikoreichere Phase ein, da die Märkte die Ertragsaussichten neu bewerten, was dazu führen könnte, dass einige Marktbereiche korrigieren, während sich in den nächsten Wochen aber auch einige Gelegenheiten ergeben könnten um zusätzliche Risikopositionen aufzubauen. Wesentlich ist, dass wir selbst bei einer "sanften Landung" der Wirtschaft eine Gewinnrezession erleben könnten. In dieser Phase ist daher Agilität gefragt, allerdings ist vorerst noch Vorsicht geboten.

2 Kommentare

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  • Gustaf-Anton
    Gustaf-Anton

    Kann wirklich so tun als gäbe es keinen Krieg in Europa?

    12:38 Uhr, 14.02.2023
  • Gustaf-Anton
    Gustaf-Anton

    Ich verstehe wirklich nicht, wieso man in der heutigen Zeit noch chinesische Werte kaufen kann.

    China ist fast ähnlich aggressiv wie Russland, nur macht es verdeckter.

    Ein wenig ethische Aspekte sollte man schon berücksichtigen oder?

    12:35 Uhr, 14.02.2023