Kommentar
08:33 Uhr, 10.10.2014

Markt in Angst und Schrecken! Sollte man als Anleger folgen?

Der Markt kommt einfach nicht zur Ruhe. Man kann teilweise schon von etwas Angst reden. Die ist nicht ganz unberechtigt. Draghi hat ganz schön Öl ins Feuer geschüttet.

Seit Monaten haben sich die Hinweise auf eine Konjunkturabkühlung verdichtet. Jetzt sind die Daten so eindeutig, dass es die Zweifel am Aufschwung auch in die breiten Medien geschafft haben. Das kommt in etwa 5 Monate zu spät. Die Vorlaufindikatoren wie ifo und ZEW Index sinken seit Anfang des Jahres.

Es ist nun aber nicht nur die Angst vor einem kurzzeitigen Abschwung in Deutschland und der Eurozone. Ein kleiner Einknick beim Wachstum ist schnell verdaut. Das kehrt keinen Trend um. Draghi hat gestern allerdings etwas gesagt, was vielen endgültig die Augen geöffnet haben dürfte. Er war dabei ungewöhnlich direkt. Draghi sagte deutlich, dass die Probleme in Europa struktureller Natur sind und nicht zyklischer. Ohne Reformen kann und wird es keine Erholung geben.

Das sind nicht nur deutliche Worte, sondern fast schon ein Grabgesang auf die europäische Konjunktur. Ich stimme nicht oft mit Draghi überein. In diesem Punkt hat er aber ganz einfach Recht. 2008 ist lange her. Seitdem hat sich in vielen Ländern immer noch nichts getan. Die EZB kauft der Politik seit über 2 Jahren Zeit. Angefangen hat es mit der Aussage zur "Unumkehrbarkeit" des Euro. Es folgten Zinssenkungen, Geldschwemme für Banken und nun Wertpapierkäufe. Sehr viel mehr kann die EZB kaum noch tun. Sie kann natürlich irgendwann beginnen, Staatsanleihen zu kaufen. Das verschafft der Politik noch einmal Luft - aber Luft wofür? Was in den vergangenen 6 Jahren nicht passiert ist, das passiert wohl auch nicht mehr.

Die EZB versucht sich als Retter aufzuspielen. Beharrlicher Reformwiderstand kann aber auch durch immer mehr Geld nicht auf Dauer aufgewogen werden. Das weiß Draghi ganz genau und er hat es heute besonders deutlich kundgetan. Vielleicht ist es der Versuch die Politiker aufzuwecken. Ob das gelingt, sei dahingestellt.

So oder so: Europa hat keine Wahl als das Ruder herumzureißen. Gelingt das nicht bald, dann kann auch die EZB nicht mehr helfen.

Als Nebenschauplatz gab es im Protokoll der letzten Fed Sitzung, welches gerade erst veröffentlicht wurde, Bedenken wegen eines erstarkenden Dollars. Die Fed sieht die Dollaraufwertung kritisch und einen Wert erreicht, der mehr als genug ist. Was das praktisch heißt, weiß nun niemand so genau. Kurzzeitig kam Hoffnung auf, die Zinsen könnten noch länger niedrig bleiben, um die Dollaraufwertung zu stoppen. Heute gewinnt der Dollar wieder kräftig, nachdem er gestern abwertete.

Ein starker Dollar hält die Inflation niedrig und Inflation brauchen die USA, um Schulden abzubauen. Letztlich hat die Fed den Währungskrieg und Abwertungswettlauf selbst begonnen. Da kann sie sich jetzt kaum beschweren, wenn es andere auch tun. Dazu kommt noch, dass die USA immer wieder gegen China wettern und die chin. Währung für unterbewertet halten. Getan haben sie dagegen nichts.

China hat natürlich eine enorme Marktmacht. Allein die hunderten Milliarden an Staatsanleihen, die sie halten, sind für die USA Grund genug es mit der Kritik dann doch nicht zu übertreiben. Insofern glaube ich nicht, dass die Fed ihren Kurs ändern wird.

In den USA sind die Wirtschaftsdaten noch immer im Aufwind - ganz im Gegensatz zu den europäischen. In den USA gibt es bisher keine Anzeichen einer Trendumkehr. In Europa gab es die Zeichen seit Monaten. Für amerikanische Aktien bin ich daher weiter positiv gestimmt. In Europa halte ich es für zu früh sich jetzt klar für weiter fallende oder wieder steigende Kurse zu positionieren.
Mein Dax Kursziel vom 27.9. wurde gestern im Prinzip erreicht . Das ging deutlich schneller als gedacht. Kritisch ist die Lage damit allemal, nicht nur charttechnisch. Die Lage ist insgesamt ernst. Krisen gibt es genug und Europa befindet sich an der Grenze zum Desaster. Das tut es aber bereits seit mehreren Jahren. Draghis Erkenntnis, dass die Probleme strukturell sind, ist eigentlich nicht neu. Wer das heute für neu verkaufen möchte, hat die letzten 4 Jahre verschlafen. Heißer essen als gekocht wird, muss man auch nicht gerade. Die Untergangsstimmung ist meiner Meinung nach etwas übertrieben. Was Europa in den vergangenen Jahren nicht geschafft hat, schafft es auch morgen nicht. Genauso gilt aber, dass Europa in den vergangenen Jahren nicht untergegangen ist. Das wird es auch morgen nicht.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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