Langfristige US-Zinsen: Noch länger niedrig?
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Viele festverzinsliche Sektoren haben 2014 bislang hervorragende Ergebnisse erzielt. Manche Anleger fragen sich verständlicherweise, wohin sich die Zinsen entwickeln. Wir stellen zwar gewöhnlich keine Prognosen, erkennen aber mehrere Faktoren, die vermuten lassen, dass die langfristigen Zinsen noch länger niedrig bleiben könnten, als viele Beobachter erwarten.
Wie viele Anleger wissen, setzt die US- Notenbank Federal Reserve generell die kurzfristigen Zinsen fest. Die langfristigen Sätze werden dagegen vom Markt bestimmt, durch Interaktion vieler verschiedener Faktoren. Eine Beleuchtung dieser Faktoren könnte zu einem besseren Verständnis der Rahmenbedingungen für die potenzielle Zukunft der langfristigen Zinsen beitragen.
Ein Faktor ist die Marktpositionierung. Viele große institutionelle Investoren beurteilen die Zinsentwicklung pessimistisch und setzen diese Einstellung durch Short-Positionen in US-Schatzpapieren um.
Tatsächlich bestehen auf den Futures-Märkten weiterhin beträchtliche Short-Positionen. Wie so oft, wenn sich die Anleger mehrheitlich auf eine Seite schlagen, hat der Markt Probleme, sich in diese Richtung zu entwickeln.
Ein zweiter Faktor wäre die steigende Nachfrage nach länger laufenden festverzinslichen Anlagen. Nach dem kräftigen Anstieg der Aktienkurse im letzten Jahr haben Pensionsfonds ihr Vermögen in diesem Jahr umgeschichtet und längerfristige festverzinsliche Anlagen erworben. Außerdem haben US-Geschäftsbanken, die per saldo seit Jahren US-Schatzanleihen abstoßen, in diesem Jahr bislang Nettokäufe getätigt. Auch demografische Aspekte spielen in diesen Trend hinein, da die alternden geburtenstarken Jahrgänge ihre Rentenallokation verstärkt auf länger laufende Anlagen umstellen.
Ein dritter Faktor wäre der relative Wert. US- Anleger betrachten die Renditen von US- Schatzpapieren mitunter isoliert, woraus sich ein verzerrtes Bild der Nachfragesituation ergibt. Eine breitere Perspektive auf das Universum von Staatspapieren aus Industrieländern lässt Investoren erkennen, dass die Renditen entsprechender zehnjähriger Papiere in Japan unter einem Prozent liegen und in Deutschland unter zwei Prozent. Selbst Anleihen gleicher Laufzeit aus Ländern wie Spanien rentieren unter drei Prozent. In diesem relativen Kontext wirken die US-Renditen nicht mehr ganz so niedrig.
Viertens ist der fundamentale Treiber der langfristigen Zinsen – die Inflation – in den USA weiter vergleichsweise gedämpft. Aktuelle Daten weisen zwar offenbar darauf hin, dass die Inflation die Talsohle durchlaufen haben könnte, doch ein entspannter Arbeitsmarkt dürfte noch länger für verhaltene Inflationsentwicklung sorgen.
Der Faktor, der vor allen anderen für niedrige längerfristige Zinsen in den USA sorgen dürfte, ist unseres Erachtens letztlich die enorme weltweit verfügbare Liquidität. Die Zentralbanken haben ihre Bilanzen insgesamt deutlich verlängert. Während die USA ihre quantitativen Lockerungen offenbar letztlich doch zurückfahren, führt Japan den globalen Märkten weiter kräftig Liquidität zu. Selbst die eher konservative Europäische Zentralbank hat im Hinblick auf die unterschiedliche Haushaltssituation ihrer Mitgliedstaaten in den letzten Monaten durchblicken lassen, dass sie ihre Politik in den kommenden Quartalen weiter lockern dürfte.
Aus fundamentaler Sicht sollte das Gleichgewichtsniveau für die Rendite zehnjähriger US-Schatzpapiere vermutlich über den aktuellen Werten liegen. Im Zusammenspiel spricht angesichts der angesprochenen Faktoren unseres Erachtens allerdings noch ziemlich viel dafür, dass die langfristigen US-Schatzpapierrenditen noch länger unter den fundamental angezeigten Werten bleiben könnten, als viele Anleger erwarten
Autor: Christopher J. Molumphy, Executive Vice President und Chief Investment Officer bei der Franklin Templeton Fixed Income Group
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