Kommentar
16:16 Uhr, 20.04.2022

Krieg und trotzdem keine Rezession: Ist das möglich?

Nicht nur der Aktienmarkt zeigt sich überraschend robust, auch die Wirtschaft fällt in kein tiefes Loch.

Keiner weiß, was im Krieg morgen geschieht. Die EU kann sich immer noch für einen Öl- und Gaseinfuhrstopp entscheiden. Ebenso kann Russland die Rohstofflieferungen aussetzen. Aufgrund der Unwägbarkeiten kann man sich nicht auf einen unumstößlichen Fahrplan festlegen. Das wäre fahrlässig.

Was man hingegen tun kann, ist zumindest eine Beurteilung der aktuellen Lage. Diese ist aus wirtschaftlicher Sicht weniger düster als angenommen. Mit der Pandemie wurden Echtzeitindikatoren immer wichtiger. Vor der Pandemie musste man nach Ende eines Quartals ca. sechs Wochen warten, bis man wusste, wie das Quartalswachstum im abgelaufenen Vierteljahr aussah.

Heute muss niemand mehr so lange warten. Unter anderem die OECD hat einen Echtzeitindikator für das Wirtschaftswachstum entwickelt. Dieser Indikator funktioniert bisher sehr gut. Da der Indikator eine höhere Frequenz hat (wöchentliche Veröffentlichung) als die offiziellen Wachstumsdaten (einmal pro Quartal) sind die Daten nicht deckungsgleich.

In Deutschland begann der Indikator Anfang März ins Bodenlose zu fallen (Grafik 1). Das trifft mit der tatsächlichen Entwicklung gut zusammen. Da die offiziellen Zahlen unregelmäßiger veröffentlicht werden, sieht es allerdings so aus, als ob diese Zahlen den Abschwung früher angezeigt hätten.

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Berücksichtigt man diese technischen Unterschiede, ist der Wachstumstracker ein sehr guter Gradmesser. Aktuell zeigt er in Deutschland weiter nach oben. Seit Kriegsbeginn hat sich der Indikator nicht wesentlich eingetrübt. Es wird immer noch eingekauft, Auto gefahren, verreist, produziert usw.

In einigen Ländern hellt sich die Lage sogar auf. Das gilt etwa für Norwegen, welches von höheren Rohstoffpreisen und höherem Bedarf in der EU profitiert (Grafik 2). Hier sollte sich das Wachstum sogar beschleunigen und nicht verlangsamen.

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Je näher ein Land an der Grenze zu Russland ist und je nachdem, welche Diskussionen geführt werden, gibt es eine Eintrübung. Das ist bei Finnland und Polen der Fall (Grafiken 3 und 4). In Finnland ist die Verunsicherung besonders hoch und ein möglicher NATO-Beitritt entspannt die Lage nicht gerade.

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Generell kann man sagen, dass der Krieg den Wachstumsausblick bisher nicht maßgeblich verändert hat. Das gilt auch für eine ganze Reihe weiterer Länder (Grafik 5). Das Bild ist fast überall in Europa und der Welt gleich. Sofern sich die Lage nicht zuspitzt, die Einfuhr von fossilen Brennstoffen aus Russland ausgesetzt wird und sich der Krieg nicht auf Nachbarländer ausweitet, entkommt Europa einer Rezession mit hoher Wahrscheinlichkeit, zumindest als Folge des Krieges.

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Anderen Gegenwind, seien es steigende Zinsen, eine Verlangsamung in China, Konsumstagnation aufgrund von Inflation, gibt es. Dieser wird das Wachstum früher oder später verlangsamen. Ein wirtschaftlicher Crash aufgrund des Krieges bleibt vorerst aus.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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