Kommentar
08:46 Uhr, 06.05.2011

Konstanz - Zins-Zertifikate schütten regelmäßig aus

Der noch immer sehr starke Sicherheitstrend in Form von Kapitalschutz-Produkten geht gerade angesichts der allgemeinen Zinsflaute bei vielen Anlegern einher mit dem gleichzeitigen Wunsch nach regelmäßigen und kalkulierbaren Zinszahlungen. Dies zeigt sich auch an dem Ende Januar 2011 mit über 40 Prozent weiterhin sehr hohen Anteil von strukturierten Anleihen am gesamten Marktvolumen, zeichnet sich dieser Produkttyp doch speziell dadurch aus, dass
auf der Basis eines zum Laufzeitende geltenden Garantieversprechens ein mehr oder weniger fester Kupon ausgeschüttet wird, der darüber hinaus auch an diverse Zusatzbedingungen geknüpft sein kann.

Garantie mit Festzins

In ihrer einfachsten Form umfasst die Palette an strukturierten Anleihen sogenannte Fest- und Stufenzinsanleihen, die von fast jedem Emittenten angeboten werden. Die HSH Nordbank bietet z.B. aktuell ein entsprechendes dreieinhalbjähriges Festzins-Produkt (HSH3PT) mit einer 3-prozentigen Verzinsung für jede Zinsperiode. Da der letzte Betrachtungszeitraum hier allerdings 18 Monate beträgt, ergibt sich insgesamt gesehen eine etwas geringere p.a.-Rendite als drei Prozent. Wer nach Papieren mit festen Zinsstaffeln sucht, wird ebenfalls bei den Hamburgern fündig. Ein neues sechs Jahre laufendes Produkt (HSH3PD) lockt mit einer Verzinsung beginnend bei drei Prozent p.a. in den ersten drei Jahren bis hin zu fünf Prozent p.a. in den letzten 12 Monaten. Ein bereits im September 2013 fälliger Zinsstufen-Kurzläufer (HSH3PC) ermöglicht immerhin noch 2,25 Prozent p.a. nach 12 Monaten und 2,5 Prozent p.a. nach weiteren 18 Monaten.

All diesen Papieren gemeinsam ist ein fixer Kupon, auf dessen Zahlung sich der Anleger in jedem Fall verlassen kann. Insofern unterscheiden sie sich von den später noch darzustellenden Anleihen mit flexiblen „Floating“-Komponenten. Was es allerdings auch hier in jedem Fall zu beachten gilt, ist das Emittentenrisiko, da die Produkte wie ganz normale Zertifikate als Inhaberschuldverschreibungen begeben werden. Dagegen würde beispielsweise eine konkurrierende Anlage in Form eines Festgeldes oder Banksparbriefs dem Einlagensicherungsschutz unterliegen. Dies erklärt auch die etwas höhere Rendite von
Fest- bzw. Stufenzinsanleihen.

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Aktienanleihen - die „riskante“ Kuponvariante

Wer bei Zertifikaten ohne Kapitalschutz an eine feste Kuponzahlung denkt, kommt an der bewegten Geschichte der Aktienanleihen nicht vorbei, die gerade wegen ihrer „sicheren“ Renditegestaltung ebenso wie Garantie-Produkte lange Jahre mit einem Steuermalus belegt waren und deshalb klar im Schatten von den über die sogenannte „Put-Call-Parität“ (Aktie–Call = Festgeld–Put) zum gleichen wirtschaftlichen Ergebnis führenden Discount-Zertifikaten standen. Erst mit der Abgeltungssteuer 2009 kam für sie quasi die steuerliche Befreiung, da ab diesem Zeitpunkt auch alle anderen Produkttypen der Einheitsbesteuerung unterlagen. So verwundert es kaum, dass sich der Marktanteil dieser Spezies am Gesamtvolumen von 0,8 Prozent Ende Dezember 2008 auf mittlerweile 4,5 Prozent (Januar 2011) erholen konnte.

Keine andere Sparte kann seitdem eine solch rasante Entwicklung vorweisen. Dabei müssen sich Anleger bei Aktienanleihen oder allgemeiner formuliert, bei Reverse-Convertible-Bonds (RCB) immer vor Augen führen, dass es sich hier ebenso wie bei Discountern, bei denen der Rabatt im übertragenen Sinne dem Kupon entspricht, um Vollrisikopapiere handelt. Zwar erhält der Investor bei RCBs die vereinbarte deutlich über dem allgemeinen Marktzins liegende Kuponzahlung fix ausgezahlt, doch gibt er im Gegenzug das tilgungsbezogene Wandlungsrecht an den Emittenten ab, der bei sinkenden Kursen statt dem Nennbetrag die im Wert gefallenen Aktien liefert, deshalb auch zu Deutsch „umgedrehte Wandelanleihe“. Die attraktive Kuponzahlung wirkt dabei ähnlich wie bei Rabatt-Papieren der Discount als Puffer. Von dessen Höhe sollte man sich aber keinesfalls blenden lassen und beachten, dass die durch den Zusatz „Anleihe“ suggerierte Sicherheit bei RCBs grundsätzlich nicht gegeben ist, da bei extremen Kursverlusten des Basiswertes statt des Nominalbetrags der Anleihe nur mehr stark im Wert gefallene Aktien ins Depot gebucht werden und der „Zins“ in einem solchen Fall keinen adäquaten Ausgleich mehr herstellen kann.

Allein vor diesem Hintergrund, mutet der ausgesprochene Siegeszug von Aktienanleihen in der jüngsten Vergangenheit etwas überraschend an. Noch dazu wenn man bedenkt, dass im Gegenzug der Marktanteil der wirtschaftlich vergleichbaren Discounter in dem erwähnten Zeitraum nur moderat von 9,9 auf 7,1 Prozent zurückging. Dies spricht in einem Umfeld kaum mehr spürbarer Zinsen trotz der gerade erfolgen ersten Anhebung ganz eindeutig für eine über die reine Substitution hinausgehende Attraktivität von Produkten mit einer fest zugesicherten Kuponzahlung, scheinen die Zeiten doch längst vorbei zu sein, in denen sich Anleger allein mit der Hoffnung auf eine mögliche Rendite abspeisen ließen. Dass damit natürlich auch ein gewisses Risiko verknüpft ist, liegt auf der Hand, scheint aber immer mehr in Kauf genommen zu werden. So hat man zunächst einmal einen gefühlten Gewinn „im Sack“, auch wenn das möglicherweise bittere Ende später respektive bei Fälligkeit noch hinterher kommen sollte. Aktienanleihen können geradezu als Paradebeispiel für die riskante Form einer kupontragenden Struktur gelten.

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Breite Produktvielfalt

Wie bei anderen Zertifikatetypen wurde das Produktspektrum auch bei RCBs immer mehr erweitert. So beziehen sich viele Papiere mit oder ohne zusätzlicher Barriere längst nicht mehr ausschließlich auf ein einziges Underlying, geschweige denn immer nur auf die Asset-
Klasse Aktien. Manche haben sogar einen ETF als Basiswert mit im Gepäck, wie z.B. die beiden im Januar emittierten Exchange-Traded-Fund-Zertifikate der WestLB (WLZ2PN, WLZ2PM) auf die Fondanteile des ETFlab DAX. Auch über ein zusätzlich eingebautes „Express-Feature“ wundert sich inzwischen keiner mehr. Es sorgt dafür, dass ein mehrjähriges Papier wie z.B. die 5 Prozent Express-Anleihe der Landesbank Baden-Württemberg auf den Euro STOXX 50 (LB0D7K) bereits vorzeitig am jährlichen Stichtag fällig gestellt wird, wenn der Index das Startniveau behaupten kann.

Wer dagegen ganz im Stile der früheren „Fix&Win-Anleihen die Hälfte seines Kapitaleinsatzes schon nach einem Jahr wieder ganz sicher zusammen mit einer stattlichen Verzinsung zurückerhalten möchte, greift zu der Variante „Kombi-Express“ wiederum von der LBBW (z.B. LB0D88) bzw. „Duorendite“ von der Landesbank Berlin (z.B. LBB0AD). Bei beiden Versionen ist der hälftige Anlagebetrag ab dem zweiten Laufzeitjahr weiter in einer Protect-Express- bzw. einfachen Protect-Aktienanleihe auf jeweils einen bestimmten DAX-Titel gebunden. Darüber hinaus kann der rendite-risiko-affine Anleger, der einen immer wiederkehrenden Anlageprozess scheut, bereits seit dem vergangenen Jahr bei der UBS in ein Endlos-Papier (UB2RAA) investieren, das monatlich in eine neue Aktienanleihe auf den Euro STOXX 50 rollt. Damit schließt sich auch hier wieder der Kreis zu der entsprechenden Discount-Variante.

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„Langsam wachs ma zamm“

Das verlockende „Fix-Kupon“-Prinzip wird mittlerweile aber auch von anderen Strukturen „kopiert“, werden doch gerade Express-Papiere zunehmend mit einem festen Kupon-Feature ausgestattet, wie beispielsweise die Fix-Kupon-Express-Zertifikate der BNP Paribas auf den Euro STOXX 50 (z.B. BN6WM9) beweisen, bei denen an jedem Stichtag unabhängig von der Indexentwicklung ein Kupon in Höhe von vier Prozent ausgeschüttet wird. Um in den Genuss einer weiteren 4,5-prozentigen Bonuszahlung und der Möglichkeit eines vorzeitigen Ausstiegs gelangen zu können, wurde wiederum ein klassischer Express-Mechanismus installiert, der die Einhaltung des Startniveaus am jeweiligen jährlichen Stichtag erfordert. Darüber hinaus schützt auch hier wieder ein üppiger Sicherheitspuffer vor einem möglichen Verlust. Die UBS geht bei ihren neuen Fixkupon-Express-Papieren ebenfalls auf die Euroland-Benchmark (UB59AD, UB59AA) noch einen Schritt weiter und zahlt sogar die vollen Kupons in Höhe von 6,50 bzw. 7,50 Prozent p.a. viertel- bzw. halbjährlich fest aus. Das Express-Feature entscheidet hier lediglich über die Möglichkeit einer vorzeitigen Kündigung.

„Vorsicht bei der Namensgebung.“

Wo bitte ist hier noch die Grenze zu einer Express-Indexanleihe-Protect zu sehen? Ein weiteres Beispiel gefällig? So sichert das vor ein paar Wochen unter dem Label „Bonus-Zertifikat“ von der österreichischen Raiffeisen Centrobank emittierte 6 Prozent Gold/Silber-Papier (RCE0V0) dem Anleger in jedem Fall eine entsprechende jährliche Bonuszahlung zu, egal wie sich die beiden Edelmetalle entwickeln. Über die Nominaltilgung nach zwei Jahren entscheidet dann wieder eine bei 50 Prozent fixierte Barriere bzw. in letzter Instanz das Startniveau selbst, wobei im schlimmsten Fall nach dem „Worst-of“-Prinzip die Wertentwicklung des schlechteren der beiden Basiswerte zugrundegelegt wird. Anstatt der Bezeichnung „Bonus-Zertifikat“ wäre hier eigentlich eher der Begriff „Multi-Rohstoffanleihe Protect“ angebracht gewesen.

Ähnlich verhält es sich auch mit den Kupon-Index-Zertifikaten (z.B. WLZ3FA) der WestLB auf den Euro STOXX 50. All diese Beispiele zeigen bereits stellvertretend einen Trend auf, der sich immer mehr am Zertifikatemarkt vollzieht und an den Refrain eines Liedes von Austro-Popper Wolfgang Ambros erinnert, dem im übertragenen Sinne fortschreitenden Zusammen-wachsen von Strukturen bzw. Auszahlungsprofilen. Da Produkte bzw. deren Varianten heute vielfach Merkmale verschiedener Zertifikate-Gattungen gleichzeitig in sich tragen, werden auch die Übergänge immer fließender. Manchmal genügt aber auch schon eine Art „kreativer Umetikettierung“ seitens der Anbieter, um für eine gewisse Verwirrung zu sorgen. Vor diesem Hintergrund muss auch ein noch so intelligent aufgezogenes Produkt-Klassifizierungssystem zum Scheitern verurteilt sein.

Dieser Artikel ist in unserer Sonderpublikation Zertifikate erschienen. Weitere spannende Themen können Sie nach einer kurzen kostenfreien Anmeldung hier herunterladen.

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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