Kommentar
07:00 Uhr, 20.06.2011

Klartext abseits des Mainstreams!

Herr Flierl – fast drei Jahre nach dem Zusammenbruch der Lehman Brothers boomt es in Teilen der Welt wieder sehr ordentlich. Deutschland wächst wie lange nicht mehr. Wie ist das zu erklären, und warum läuft es in den USA nicht rund?

Während und nach dem Zusammenbruch wurden überall in der Welt die Geldschleusen weit aufgemacht. Entweder durch direkte Geldinjektionen in die Märkte oder aber indem Garantien für Staaten oder Banken gegeben wurden. Die Märkte preisen diese Garantien in ihr Verhalten ein und somit erhöht sich auch dadurch die zur Verfügung stehende Liquidität. All diese Zusatzliquidität schwirrt nun in der Welt herum und sucht Anlagemöglichkeiten. Deutschland als Exportweltmeister profitiert daher davon sehr stark. Die USA eher weniger, dazu kommt dort noch, dass die geplatzte Immobilienblase einen großen Teil der Wirtschaft belastet.

Sie verwenden seit Jahren den Begriff „Crack Up Boom“ (Katastrophenhausse) in Anlehnung an die Lehre der Österreichischen Nationalökonomie, geprägt von Ludwig von Mises. Können Sie uns kurz erklären, was der CUB genau ist.

Wir hatten in unserer April 2009 Ausgabe ziemlich exakt am Tiefpunkt der letzten Baisse erkannt, dass die Regierungen und Zentralbanken gar nicht anders können werden, als die Schleusen weit aufzumachen und mit Ankurbelungsmaßnahmen die Wirtschaft anzuschieben. Und genau das ist auch passiert, mittlerweile kann man also weltweit schon wieder von einem Boom sprechen. Das Wort Crack-up rührt in unserer Definition daher, dass nun ein Bruch (Aufknacken) zwischen realer und nominaler Entwicklung stattfinden wird. D.h. nominal werden die führenden Nationen ein großes Wirtschaftswachstum bekommen und die Börsen und Rohstoffe werden deutlich zulegen. Allerdings kommt zur gleichen Zeit auch die Teuerung in Fahrt, auch das können wir ja in den letzten Monaten beobachten. Das heißt, real, also nach Abzug der Teuerung, wird immer weniger von den Zugewinnen übrig bleiben. In der Endphase dann, welche vermutlich im Jahre 2012 beginnen wird, werden die Preise durch kaufrauschartige Zustände nach oben gepeitscht werden.

Die Verschuldungsorgie ist nach Meinung der österreichischen Schule das Hauptproblem in der westlichen Welt. Sehen Sie einen gangbaren Ausweg aus der Malaise?

Aus einer Überschuldung gibt es mehrere Auswege, z.B. mehr Wachstum, mehr Sparen usw. In der heutigen Zeit halte ich aber z.B. für die USA oder Europa nur noch einen Ausweg für realistisch bzw. für wahrscheinlich, und das ist der Staatsbankrott. Allerdings wird man uns dies mit wohlklingenderen Namen verkaufen, z.B. als Umschuldung, als Haircut – als ob man einfach mal schnell zum Frisör geht –, oder als Währungsreform. Tatsächlich handelt es sich aber jeweils um einen Staatsbankrott, d.h. es geht jeweils um Ausbuchung bzw. Streichung von Staatsschulden.

In den Emerging Markets, wenn man sie überhaupt noch so nennen kann, spielt die Staatsverschuldung kaum eine Rolle. Was ist dort grundsätzlich anders – oder bekommen diese Länder die gleichen Probleme, nur später?

Diese Emerging Markets halten sozusagen die Gegenposition zu unseren Schulden. Wenn unsere Schulden im Rahmen eines Bankrotts ausgebucht werden, dann haben auch die Emerging Markets nur noch wertlose Staatsanleihen in den Händen. Insofern haben Sie nicht die gleichen Probleme wie wir, sondern die entgegengesetzten.

Kommen wir in Europa (und den USA) um eine Währungsreform noch herum? Und wenn ja, wie stellen Sie sich dieses Ereignis konkret vor. Schließlich liegt der Kontinent nicht gerade in Schutt und Asche wie nach dem Zweiten Weltkrieg.

Wie schon angedeutet, ist eine Währungsreform die logische Folge dessen, was in den letzten Jahrzehnten passiert ist, nämlich eine ständige Aufschuldung der Volkswirtschaften. Wie eine solche Währungsreform am Ende aussehen kann, darüber kann nur spekuliert werden. Die Frage ist überhaupt, ob das nächste Finanzsystem noch so kapitalistisch geprägt sein wird wie dieses. Ich habe den Verdacht, dass wir uns eher in Richtung Sozialismus bewegen werden, also in ein gigantisches Umverteilungssystem, wie wir es ja in einigen Teilen schon jetzt beobachten können.

Was sind die Alternativen? Die „Österreicher“ plädieren für ein „Free Banking“-System, in dem praktisch jeder eigenes Geld ausgeben kann – und der Markt entscheidet was er benutzt. Was halten Sie davon? Ist ein einziges gesetzliches Zahlungsmittel unter Effizienzgesichtspunkten nicht hoch überlegen?

Free Banking bedeutet nur, dass der Staat nicht mehr die Hoheit über die Geldproduktion hat. Prinzipiell könnte jeder Geld ausgeben, aber der Markt wird sich sehr schnell auf Geld festlegen, welches allgemeinen Ansprüchen genügt. Vermutlich wird sich sehr schnell Gold, Silber oder Kupfer als Geld etablieren. Ob das effizient wäre? Schauen Sie: noch vor zehn Jahren musste man Geld wechseln, wenn man in ein anderes europäisches Land fahren wollte, na und? Wo war das Problem? Andere Länder, andere Sitten, anderes Geld. Mir ist die damalige Zeit nicht als ineffizient in Erinnerung. Ineffizienz ist doch vielmehr, dass weniger produktive Länder wie Griechenland das gleiche Geld haben wie produktive Länder wie z.B. Deutschland und damit das gleiche Geld in verschiedenen Regionen Europas unterschiedlichen Bedingungen und Umständen ausgesetzt ist.Ein marktwirtschaftliches Geld ist die einzige Möglichkeit, den Staat zurechtzustutzen und ihn daran zu hindern immer weiter zu wuchern. Denn in einem solchen Free Banking System könnte der Staat nur das ausgeben, was er vorher eingenommen hat. Damit würde er schlagartig auf das nur unbedingt Notwendige schrumpfen, und könnte sich alles mögliche Nicht-Notwendige bzw. Sinnlose – wie z.B. Krieg – gar nicht mehr leisten.

Sie trafen kürzlich den bekannten Zukunftsforscher Gerald Celeste in den USA. Der malt ja nicht gerade rosarot für die nähere Zukunft.

Oh Gott, wollen Sie wirklich wissen, was er mir in dem zweistündigen Interview alles gesagt hat? Ganz verkürzt: er hat über den Untergang dieses Finanz- und Gesellschaftssystems gesprochen und darüber, dass es jetzt schon – und bald noch viel mehr – verstärkt überall zu Kampf bzw. Krieg kommen wird. Zwischen dem Westen und den islamischen Ländern, zwischen den Griechen und den Deutschen, zwischen dem Staat und den Bürgern, zwischen Arm und Reich usw. Er meint dies nicht unbedingt nur als physischen Krieg, sondern auch im übertragenen Sinne. Wie gesagt, das Interview dauerte zwei Stunden, demnächst wird es im Smart Investor nachzulesen sein.

Zum Schluss noch ein Tipp für die Leser: Wie kann man sich für den Fall X am besten vorbereiten?

Als Einsiedler im nördlichen Norwegen oder im hintersten Kanada könnte man das, was demnächst bevorsteht, sicherlich recht unbeschadet überstehen. Hier aber inmitten des dicht bevölkerten Mitteleuropa wird man sehr wohl in den kommenden Jahren mitbekommen, wie uns die Bestandteile unseres Finanz- und Gesellschaftssystems um die Ohren fliegen werden. Wer also – so wie ich auch – aus seiner gewohnten Umgebung nicht weg möchte, der sollte sich zumindest ein paar Edelmetalle zuhause unters Kopfkissen legen, ein paar Lebensmittelvorräte anschaffen und ansonsten darauf aus sein, sich heute schon Netzwerke von Gleichgesinnten aufzubauen.Wer all das, was ich hier erzählt habe, für Unfug hält, der kann natürlich auch weiterschlafen. Er sollte sich dann allerdings nicht wundern, wenn er eines Tages recht ruppig aus seinem Schlaf geweckt wird.Vielen Dank für das Gespräch!

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der vielseitig interessierte Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3. Besondere Interessenschwerpunkte des überzeugten Liberalen sind politische und ökonomische Fragen und Zusammenhänge, Geldpolitik, Aktien, Hebelprodukte, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie generell neuere technologische Entwicklungen.

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