KI-Gigafactory in Deutschland: Profiteure der Super-Cloud
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Die nächste industrielle Revolution läuft nicht in Werkshallen, sondern in Serverräumen: Weltweit investieren Tech-Konzerne und Staaten Milliarden in die Infrastruktur hinter Künstlicher Intelligenz. Gemeint sind nicht die Algorithmen selbst – sondern die Rechenzentren, die sie antreiben. Denn wer beim KI-Boom mitmischen will, braucht Zugriff auf gewaltige Datenmengen und enorme Rechenleistung. Genau hier entsteht derzeit ein neuer globaler Wettlauf – mit überraschend aktiver Beteiligung aus Deutschland.
SAP, Deutsche Telekom, Siemens, IONOS und die Schwarz-Gruppe schmieden ein Konsortium für eine sogenannte „KI-Gigafactory“ – ein europäisches Super-Rechenzentrum, ausgestattet mit über 100.000 GPUs. Das berichtet das Handelsblatt. Die Bewerbung dafür muss bis zum 20. Juni bei der EU-Kommission eingereicht werden. Ziel ist es, eine europäische Antwort auf die US-amerikanische Stargate-Initiative zu formulieren – und zugleich einen neuen strategischen Wachstumsmarkt zu besetzen. In dieser Goldesel Topstory zeigen wir, wie wichtig Rechenzentren für die KI-Wirtschaft geworden sind, welche Strategien Europa, die USA und China verfolgen – und welche Unternehmen davon besonders profitieren könnten.
Globale KI-Investitionen nehmen zu
Seit dem Durchbruch von ChatGPT, Midjourney & Co. ist Künstliche Intelligenz nicht mehr nur ein Tech-Hype, sondern eine Infrastrukturfrage. Die Nachfrage nach GPU-Leistung explodiert und mit ihr der Bedarf an spezialisierten Rechenzentren. Dabei geht es längst nicht mehr nur um Rechenleistung für einzelne Anwendungen, sondern um das Rückgrat künftiger Wertschöpfungsketten – von autonomen Fahrzeugen bis zur Pharmaforschung.
Rechenzentren sind das neue Öl im KI-Zeitalter. Sie entscheiden darüber, wer KI entwickeln, trainieren und ausrollen kann. Während die USA mit Projekten wie Microsofts „Stargate“-Supercloud vorpreschen und China seine Tech-Konzerne mit massiven Staatsmitteln aufrüstet, will Europa jetzt nachziehen. Ein Überblick über die drei Standorte.
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Wo sitzt die globale Rechenpower?
USA: Stargate und die Superintelligenz
Mit der Stargate-Initiative treiben die USA ihre Ambition voran, bei Künstlicher Intelligenz nicht nur führend zu bleiben, sondern eine Superintelligenz zu erschaffen. Unterstützt durch Tech-Giganten wie OpenAI, Microsoft und Oracle entstehen gigantische Rechenzentren mit hunderttausenden GPUs. Der Staat schafft strategischen Rückhalt und ein politisches Framework, überlässt aber die Umsetzung weitgehend der Privatwirtschaft – ein Innovationsmodell mit extrem hoher Skalierungsgeschwindigkeit.
- Microsoft: Als langjähriger Partner von OpenAI profitiert Microsoft durch die Integration von KI-Funktionen in Produkte wie Azure und Office 365. Die enge Zusammenarbeit ermöglicht es Microsoft, seine Cloud-Dienste zu erweitern und sich als führender Anbieter von KI-Infrastruktur zu positionieren.
- Oracle: Oracle investiert massiv in KI-Infrastruktur, unter anderem durch den Kauf von Nvidia-Chips im Wert von 40 Milliarden US-Dollar für ein neues Rechenzentrum in Texas. Diese Investitionen stärken Oracles Position im Cloud-Markt und ermöglichen es dem Unternehmen, KI-Dienste an Kunden weltweit zu liefern.
China: Staat gibt den Takt vor
China verfolgt einen zentral gelenkten Ansatz, bei dem staatliche Stellen klare Zielvorgaben machen und massive Ressourcen bereitstellen. Nationale KI-Strategien werden mit Industriepolitik, Datensouveränität und Bildungsmaßnahmen kombiniert. Die großen Tech-Konzerne wie Baidu, Tencent und Alibaba sind eng in das politische System eingebunden – was Effizienz sichert, aber wenig Spielraum für unabhängige Innovation lässt.
- Baidu: Baidu investiert stark in KI-Forschung und -Entwicklung, insbesondere in den Bereichen autonomes Fahren und Sprachverarbeitung. Mit Produkten wie dem Ernie-Bot und der Apollo-Plattform für autonomes Fahren positioniert sich Baidu als führender Anbieter von KI-Lösungen in China.
- Tencent: Tencent nutzt KI-Technologien in verschiedenen Geschäftsbereichen, darunter Gaming, Werbung und Gesundheitswesen. Durch die Integration von KI in seine Produkte und Dienste kann Tencent personalisierte Nutzererlebnisse bieten und neue Märkte erschließen.
Europa: Kompetenz im zersplitterten Markt
Europa verfügt über exzellente Forschung, starke Unternehmen und achtet dabei auf ethische Standards – doch der Markt ist fragmentiert, die Regulierung komplex, und koordinierte Großprojekte sind selten. Während Länder wie Frankreich und Deutschland eigene Initiativen starten, fehlt oft die europäische Gesamtstrategie. Die EU will nun mit AI-Gigafactorys gegensteuern. Im Gespräch sind Standorte in Deutschland, Frankreich und Skandinavien. Geplant sind Gigafactorys mit mindestens 100.000 Hochleistungs-GPUs – das wäre viermal so viel wie in den größten bestehenden Rechenzentren Deutschlands. Das Projekt gilt als Europas Antwort auf die US-Stargate-Offensive. Man möchte in Europa Kompetenzen bündeln und unabhängiger von den USA werden. Doch bislang sind Geschwindigkeit und Entschlossenheit entscheidende Schwächen der europäischen Player – und somit Wettbewerbsnachteile gegenüber USA und China.
Die geplante KI-Gigafactory im Detail
Das geplante deutsche KI-Rechenzentrum, eine sogenannte „KI-Gigafactory“, ist ein ambitioniertes Vorhaben eines Konsortiums bestehend aus SAP, Deutscher Telekom, Siemens, IONOS und der Schwarz-Gruppe. Ziel ist es, ein Hochleistungsrechenzentrum mit über 100.000 GPUs zu errichten, um die Entwicklung und den Betrieb großer KI-Modelle zu ermöglichen. Die Bewerbung für dieses Projekt soll bis zum 20. Juni 2025 bei der EU-Kommission eingereicht werden.
Ein möglicher Standort für die Gigafactory ist Lübbenau in Brandenburg, wo die Schwarz-Gruppe bereits ein Rechenzentrum auf einem ehemaligen Kraftwerksgelände plant. Diese Anlage soll eine Fläche von 13 Hektar umfassen und eine Leistung von bis zu 200 Megawatt bieten, was sie zu einem geeigneten Kandidaten für das KI-Rechenzentrum macht. Allerdings ist die endgültige Standortentscheidung noch nicht gefallen, und es werden auch andere Optionen geprüft.
Die Finanzierung des Projekts soll im Rahmen einer Public-Private-Partnership erfolgen, wobei bis zu 35 Prozent der Investitionen von staatlicher Seite kommen könnten. Der Betrieb des Rechenzentrums soll vollständig privatwirtschaftlich organisiert werden. Mit diesem Vorhaben möchte Deutschland nicht nur seine digitale Souveränität stärken, sondern auch eine führende Rolle in der europäischen KI-Infrastruktur einnehmen.
Welche Konzerne profitieren?
Mit SAP, Deutsche Telekom, Siemens, IONOS und der Schwarz-Gruppe stehen deutsche Unternehmen an der Spitze dieser Initiative. Besonders SAP und die Telekom arbeiten laut Berichten an einem Konsortium für ein neues Hochleistungsrechenzentrum – gefördert durch das europäische IPCEI-Programm (Important Project of Common European Interest).
SAP – Software mit KI-Integration
SAP ist Europas größter Softwarekonzern und weltweit führend im Bereich Unternehmenssoftware, insbesondere bei Daten- und Prozesslösungen für Industrie, Handel und öffentliche Verwaltung. In den vergangenen Jahren hat SAP stark in KI-Funktionen investiert – sowohl in die Integration von KI in die eigenen Produkte als auch in strategische Partnerschaften, etwa mit Aleph Alpha oder Nvidia. Im Rahmen der Initiative „RISE with SAP“ will der Konzern zudem mehr Kontrolle über seine Cloud-Infrastruktur gewinnen.
Als Teil des Gigafactory-Konsortiums bringt SAP nicht nur Know-how in der Unternehmensdigitalisierung ein, sondern auch einen konkreten Anwendungsfokus: Die geplante KI-Infrastruktur soll dafür sorgen, dass KI-basierte Geschäftsanwendungen künftig in Europa trainiert, betrieben und gehostet werden können – unabhängig von US-Plattformen. Damit sichert sich SAP strategische Unabhängigkeit, stärkt seine Marktposition und kann gleichzeitig als Ankeranwender auftreten, um die Grundauslastung der neuen Infrastruktur mitzugestalten.
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Die Aktie von SAP notiert in einer engen Handelsspanne zwischen dem 0,618er und 0,786er Fibonacci Level der gesamten Abwärtsbewegung ab Mitte Februar. Die Konsolidierung schadet dem Aufwärtstrend aktuell nicht und könnte auch ein schöner Boden für eine größere Aufwärtsbewegung sein. Dazu sollte die Aktie nachhaltig über 270 EUR schließen. Anschließend ist das Allzeithoch bei 283,50 EUR das nächste Ziel. Nach unten unterstützen sowohl 50er als auch 200er SMA, die sich beide von unten dem aktuellen Kurs nähern.
Long über 270 EUR mit Stop unterhalb von 255 EUR. Erstes Ziel wäre das Allzeithoch, man kann jedoch auch auf weiter steigende Kurse setzen, da SAP auch in Zukunft vom KI-Boom profitieren dürfte. Das vorgestellte Szenario könnte auch mit einem K.O.-Zertifikat der HSBC, WKN: HS4TWY (2,77er Hebel) umgesetzt werden.
Deutsche Telekom – Infrastruktur für Rechenzentren
Die Deutsche Telekom zählt zu den größten Telekommunikationskonzernen Europas und ist über ihre Tochter T-Systems auch ein bedeutender Anbieter für Cloud- und IT-Dienstleistungen im B2B-Segment. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen gezielt in souveräne digitale Infrastrukturen investiert – etwa mit der „Open Telekom Cloud“ oder durch Partnerschaften im Gaia-X-Kontext. Auch im KI-Bereich verfolgt die Telekom eigene Entwicklungen, etwa bei Netzoptimierung, Sprachdiensten und Kundeninteraktion.
In der Gigafactory-Initiative positioniert sich die Telekom als technischer Rückgratgeber: Sie kann sowohl Konnektivität, sichere Cloud-Infrastruktur als auch IT-Services für Betrieb und Management großer KI-Systeme bereitstellen. T-Systems-Technikchefin Christine Knackfuß-Nicolic hat bereits öffentlich erklärt, dass die Telekom eine führende Rolle im Projekt übernehmen will. Damit kann das Unternehmen nicht nur eigene Angebote ausbauen, sondern sich auch als zentrale Kraft für eine europäische, unabhängige KI-Infrastruktur etablieren.
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Die Aktie der Deutschen Telekom hat sich nach dem Abwärtsimpuls Anfang April schnell wieder gefangen und konnte einen schönen Boden ausbilden, der dann Mitte Mai nach oben verlassen wurde. Aktuell macht die Aktie einen Pullback auf eine Unterstützung und den 50er SMA. Dieses Niveau könnte sich für einen Einstieg anbieten. Dazu sollte sich die Aktie auf kürzerer Zeitebene stabilisieren und einen Aufwärtstrend etablieren.
Long über 33,50 EUR mit Stop unter 32,50 EUR – Take Profit am ATH bei 35,90 EUR (CRV 2,3). Das vorgestellte Szenario könnte auch mit einem K.O.-Zertifikat der DZ-Bank, WKN: DQ3PC3 (2,84er Hebel) umgesetzt werden.
Siemens – Industrie trifft KI
Siemens ist ein global führender Technologiekonzern mit Schwerpunkten in der Automatisierung, Digitalisierung und industriellen Infrastruktur. Das Unternehmen ist in zahlreichen Zukunftsmärkten aktiv – von der Gebäude- und Energietechnik über Industrie-Software bis zur Medizintechnik (über die Tochter Siemens Healthineers). Siemens ist in mehreren strategischen Zukunftsprojekten rund um KI und Cloud-Infrastruktur eingebunden. Zum Beispiel entwickelt das Unternehmen selbst KI-Lösungen für die Industrie – etwa über die Plattform „Industrial Edge“ und durch Partnerschaften mit Nvidia und AWS.
Als Teil des Gigafactory-Konsortiums könnte Siemens eine zentrale Rolle bei der Ausstattung der neuen Rechenzentren spielen – etwa mit Automatisierungslösungen, intelligenter Gebäudetechnik und Energieeffizienzsystemen. Zusätzlich profitiert Siemens von einem strukturell wachsenden Markt: Der weltweite Ausbau von KI-Infrastruktur steigert den Bedarf an genau den Produkten, für die Siemens im industriellen B2B-Geschäft Marktführer ist.
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Die Siemens-Aktie hatte Anfang März ein neues Allzeithoch (245 EUR) markiert, rutschte dann jedoch im Zuge der Marktschwäche auf bis zu 162 EUR ab. Seither folgte eine fast V-förmige Erholung bis auf rund 227 EUR, wo ein Widerstand wirkte. Aktuell notiert die Aktie bei etwa 212 EUR – eine wichtige Marke. Gelingt hier eine Stabilisierung, könnte Siemens mit Rückenwind durch die Gigafactory-Pläne erneut Kurs auf das Allzeithoch nehmen. Fällt die Aktie jedoch nachhaltig unter 200 EUR, wäre Vorsicht angebracht. Kurzfristig entscheidet sich nun, ob der Boden steht oder ob die Korrektur in die nächste Runde geht.
Als mögliches Szenario könnte man eine Position in der Aktie über 216,50 EUR einnehmen, hier bricht der Trend auf Stundenbasis. Im aggressiven Szenario mit Stop unter dem Tief vom letzten Donnerstag bei 212,50 EUR, alternativ und eher konservativ unter dem Tief vom 23. Mai bei 208,40 EUR. Erstes Ziel das Verlaufshoch bei 226,75 EUR mit der Möglichkeit die Aktie im besten Falle bis zum Allzeithoch bei 245 EUR zu halten.
Das vorgestellte Szenario könnte auch mit einem K.O.-Zertifikat der HSBC, WKN: HS2TTX (2,54er Hebel) umgesetzt werden.
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IONOS – Europas Cloud-Hoffnung
IONOS ist einer der führenden europäischen Anbieter für Cloud-Infrastruktur, Webhosting und Serverlösungen – und Teil der börsennotierten United Internet AG. Mit einem klaren Fokus auf DSGVO-konforme Datenverarbeitung und eigenen Rechenzentren in der EU positioniert sich IONOS als Alternative zu US-Giganten wie AWS oder Azure.
IONOS gehört zum engeren Kreis der Unternehmen, die sich aktuell im Konsortium um eine EU-geförderte KI-Gigafactory bewerben – gemeinsam mit SAP, Telekom, Siemens und der Schwarz-Gruppe. Sollte die Bewerbung erfolgreich sein, wäre IONOS potenziell direkt an Aufbau und Betrieb eines der größten Rechenzentren Europas beteiligt. Die Kombination aus europäischer Regulierungskompetenz, staatlicher Förderung und wachsender Nachfrage nach KI-Cloudleistungen verleiht dem Geschäftsmodell zusätzlichen Rückenwind.
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Die IONOS-Aktie hat sich seit Mitte März von rund 22 auf fast EUR fast 40,50 EUR nahezu verdoppelt – ein beeindruckender Aufwärtstrend mit starkem Momentum. In den letzten Tagen markierte der Titel mehrfach neue Allzeithochs und bestätigte damit die bullische Dynamik. Technisch ist der Trend intakt, allerdings wirkt die Aktie kurzfristig überhitzt. Ein Rücksetzer in Richtung 36 EUR wäre gesund und könnte eine gute Einstiegsgelegenheit bieten. Wer investiert ist, bleibt dabei.
Die Schwarz-Gruppe – Vom Discounter zum Digitalpionier
Die Schwarz-Gruppe mag auf den ersten Blick als unerwarteter Kandidat für eine AI-Gigafactory erscheinen – schließlich verbinden die meisten das Unternehmen vor allem mit den Handelsketten Lidl und Kaufland. Doch der Konzern ist längst weit mehr als ein Einzelhändler: Mit rund 595.000 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von über 175 Milliarden EUR gehört er zu den größten Unternehmen Europas – und seit 2020 auch zu den ambitioniertesten Akteuren im Cloud- und IT-Sektor. Mit der Gründung der Digitalsparte Schwarz Digits verfolgt der Konzern das Ziel, sich unabhängiger von US-Anbietern zu machen und zugleich als souveräner Infrastrukturanbieter für Wirtschaft und öffentliche Hand zu etablieren.
Schwarz Digits verantwortet dabei unter anderem die Cloud-Plattform STACKIT, die als DSGVO-konforme Alternative zu AWS & Co. vermarktet wird. Ergänzt wird das Angebot durch Lösungen für Cybersicherheit (XM Cyber), Dateninfrastruktur und Kommunikation – alles entwickelt und betrieben unter höchsten deutschen Datenschutzstandards. Die strategische Ausrichtung ist klar: Schwarz Digits will zur führenden IT-Plattform für europäische Unternehmen werden und investiert gezielt in die technologische Souveränität des Kontinents. In Zeiten geopolitischer Spannungen versteht sich die Gruppe als Gegengewicht zur Abhängigkeit von US-Cloud-Giganten – und positioniert sich aktiv im Konsortium, das sich um die EU-Ausschreibung zur Errichtung einer AI-Gigafactory bewirbt.
Ein zentrales Projekt dafür entsteht derzeit in Lübbenau, Brandenburg, wo die Schwarz-Gruppe auf einem ehemaligen Kraftwerksgelände ein Rechenzentrum mit bis zu 200 Megawatt Leistung aufbaut. Die Anlage umfasst 13 Hektar und soll bis Ende 2027 in Betrieb gehen. Ihre Dimensionen und technische Ausstattung machen sie zu einem potenziellen Kernstandort für KI-Training auf europäischem Spitzenniveau – nicht nur für Schwarz selbst, sondern auch für Partner wie SAP, deren Cloud-Lösung RISE with SAP künftig auf STACKIT laufen soll. Parallel beteiligt sich Schwarz Digits auch an Datahub Europe, einer Plattform für die Bereitstellung europäischer Trainingsdaten für KI-Anwendungen, sowie an der zweiten Finanzierungsrunde des Heidelberger KI-Start-ups Aleph Alpha – ein klares Bekenntnis zur Stärkung der gesamten europäischen KI-Wertschöpfungskette.
Dass sich ein Handelskonzern mit solcher Konsequenz im KI-Bereich engagiert, hat gute Gründe: Künstliche Intelligenz bietet enormes Potenzial zur Prozessoptimierung – ob in der Logistik, Warensteuerung, Lebensmittelproduktion oder im Recycling. Gleichzeitig erschließt Schwarz Digits mit seinen Infrastrukturlösungen neue Geschäftsfelder jenseits des klassischen Handels. Die geplante AI-Gigafactory wäre somit nicht nur ein Prestigeprojekt, sondern ein logischer nächster Schritt in der Transformation der Schwarz-Gruppe vom Handelsriesen zum Technologieanbieter mit europäischem Anspruch.
Wichtiges Know-how an deutschen Forschungseinrichtungen
Auch deutsche Universitäten und Forschungseinrichtungen spielen eine zentrale Rolle beim Aufbau einer souveränen KI-Infrastruktur. Ein Beispiel ist die JUPITER AI Factory (JAIF) am Forschungszentrum Jülich, die zusammen mit Partnern wie der RWTH Aachen, Fraunhofer FIT und IAIS sowie hessian.AI entstanden ist. Hier treffen Grundlagenforschung, Anwendungsentwicklung und Europas erster Exascale-Supercomputer aufeinander – eine Kombination, die gezielt Start-ups, Unternehmen und Forschungseinrichtungen unterstützt.
Ziel ist es, vertrauenswürdige und datenschutzkonforme KI-Anwendungen in Bereichen wie Gesundheit, Klima oder Bildung zu ermöglichen. Mit starker öffentlicher Förderung und enger Verknüpfung zur Wissenschaft liefert JAIF eine Blaupause dafür, wie Forschung, Rechenleistung und Innovation in einer AI-Gigafactory zusammenwirken können.
Risiken und offene Fragen
Trotz ambitionierter Pläne bestehen erhebliche Risiken und offene Fragen. Die Investitionskosten für eine KI-Gigafactory sind gewaltig – hinzu kommen Ausgaben für tausende spezialisierte GPUs, die weltweit knapp und teuer sind. Experten warnen, dass genau dieser Engpass an Hochleistungsprozessoren zum Flaschenhals werden könnte. Gleichzeitig verschärfen hohe Energiepreise die Lage: Nach Angaben des Digitalverbands Bitkom zahlen Betreiber in Deutschland im EU-Vergleich besonders viel – teils doppelt so viel wie in Nachbarländern. Energie macht damit bis zur Hälfte der Betriebskosten aus. Auch Reuters hebt hervor, dass die Projekte große Herausforderungen bei Stromversorgung und Chipverfügbarkeit meistern müssen. Ein weiteres Risiko liegt in der unklaren Auslastung: Ob die geplanten Kapazitäten langfristig rentabel genutzt werden können, hängt stark von der tatsächlichen Entwicklung der KI-Nachfrage ab. Bleibt das Wachstum hinter den Erwartungen zurück, drohen teure Überkapazitäten – mit direkten Folgen für die Wirtschaftlichkeit.
Auf politischer Ebene zeigt sich ein ähnlich komplexes Bild. Zwar strebt die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag an, mindestens eines der EU-Zentren nach Deutschland zu holen, und signalisiert finanzielle Unterstützung – doch viele zentrale Fragen sind noch offen. Etwa: Nach welchen Kriterien wird gefördert? Wie sehen Genehmigungsprozesse und Betreiberkonzepte aus? Und wird der Staat als verlässlicher Ankerkunde auftreten? Ohne langfristige Abnahmezusagen von Bund, Ländern oder öffentlichen Einrichtungen droht die Nachfrage zu schwanken. Auch fehlt bislang eine abgestimmte nationale Strategie. Währenddessen locken andere EU-Staaten mit günstigerer Energie und schnelleren Verfahren – ein Wettbewerbsnachteil, der Deutschland beim Rennen um die Super-Cloud ins Hintertreffen bringen könnte.
Ausblick: Wie kann Deutschland die digitale Souveränität sichern?
Der Blick nach vorn zeigt: Wenn Deutschland seine digitale Souveränität sichern will, muss es gezielt in eigene Infrastrukturen investieren und starke Allianzen innerhalb Europas schmieden. Lokale Cloud- und KI-Technologien sollten strategisch gefördert und durch Initiativen wie Gaia-X oder das IPCEI-Programm auf Basis offener Standards und föderierter Systeme vernetzt werden. Der öffentliche Sektor kann dabei als Katalysator wirken, etwa durch gezielte Ausschreibungen und den Einsatz souveräner Dienste wie STACKIT – ein Angebot, das Schwarz Digits über den kommunalen Dienstleister GovDigital Behörden bereits heute zur Verfügung stellt. „Um in Zukunft nicht von anderen Ländern abhängig zu sein, müssen wir nationale und europäische Lösungen stärken“, so bringt es Schwarz Digits auf den Punkt.
Es geht nur in Partnerschaft, das ist ganz klar.
Thomas Saueressig, SAP-Vorstand
Entscheidend sind jedoch nicht nur Rechenzentren, sondern ein ganzheitliches Ökosystem. Projekte wie Datahub Europe oder Kooperationen mit Partnern wie Aleph Alpha zeigen, wie Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Start-ups gemeinsam europäische KI-Modelle auf Basis vertrauenswürdiger, lokaler Daten entwickeln können. Solche Vorhaben reichen von öffentlich geförderten Assistenzsystemen bis hin zu föderierten Datenplattformen – und markieren den Weg zu einer eigenständigen europäischen Technologiearchitektur. Deutschland hat das Potenzial, hier eine führende Rolle zu übernehmen – doch dazu braucht es Tempo, Entschlossenheit und koordinierte Strategien. Denn im globalen KI-Wettlauf entscheidet sich jetzt, wer künftig die Spielregeln bestimmt.
Langfristig könnten gleich mehrere Akteure zu den Gewinnern dieses Infrastrukturprojekts zählen: Für Konzerne wie SAP, Telekom, Siemens, IONOS und die Schwarz-Gruppe ergeben sich neue Geschäftsfelder, größere digitale Unabhängigkeit und ein Imagevorsprung als Technologietreiber. Auch Start-ups und Forschungseinrichtungen profitieren durch besseren Zugang zu Rechenkapazitäten, Trainingsdaten und Plattforminfrastruktur. Nicht zuletzt könnte auch der Mittelstand gestärkt werden – vorausgesetzt, es entstehen offene, zugängliche Ökosysteme statt abgeschotteter Elite-Clouds. Wer heute die Basis für KI-Infrastruktur schafft, gestaltet morgen nicht nur Technologie – sondern auch Marktverhältnisse und digitale Souveränität.
Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte
Der Autor ist in den folgenden besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse nicht investiert.