Fundamentale Nachricht
12:29 Uhr, 08.01.2014

Keine neue Blase im Technologie-Sektor

Anders als in den neunziger Jahren können Investoren die Geschäftsmodelle von technologieunternehmen heute besser einschätzen und den tatsächlichen Wert auf der Grundlage von Einnahmen, Gewinnen oder diskontiertem Cashflow bestimmen, meint Mark Hawtin, Manager des GAM Star Technology Fonds

London (BoerseGo.de) - Auch elf Jahre nach dem Zusammenbruch des Neuen Marktes schreckt noch so mancher Investor vor dem Einstieg in Technologiewerte zurück – aus Angst, die damalige Blase könne sich wiederholen. Und das nicht ohne Grund: Viele Unternehmen haben bei Börsengängen Rekorderlöse erzielt, einige Titel eine Rally hingelegt und Bewertungen erreicht, die mit Fundamentaldaten nicht mehr zu erklären sind. Dennoch sollten Investoren gelassen bleiben, rät Mark Hawtin, Manager des GAM Star Technology Fonds. „Im Vergleich zu der Technologieblase, die wir um die Jahrtausendwende erlebt haben, gibt es entscheidende Unterschiede“, erklärt Hawtin. „Viele der Visionen der Dotcom-Ära wie z.B. Video-Streaming in hoher Qualität sind heute Realität und Grundlage funktionierender Geschäftsmodelle geworden.“

In den vergangenen zehn Jahren habe sich das Geschäftsumfeld im Technologiesektor grundlegend geändert. Heute lebten ganze Wirtschaftszweige vom Netz und profitierten von der unstillbaren Nachfrage nach Diensten wie Video-Streaming, nach mobilen Endgeräten, aber auch von neuen Geschäftsideen in den Bereichen Social Media und Software-on-Demand. Anders als in den neunziger Jahren könnten Investoren die Geschäftsmodelle heute besser einschätzen und den tatsächlichen Wert dieser Unternehmen auf der Grundlage von Einnahmen, Gewinnen oder diskontiertem Cashflow bestimmen.

Lange hätten Branchenbeobachter am Geschäftsmodell von Facebook gezweifelt, seien jedoch nun eines besseren belehrt worden: „Facebook hat unter Beweis gestellt, dass es seine Nutzerbasis durch gezielte Werbung zu Geld machen kann.“ Die Marktkapitalisierung des Netzwerkes sei gerechtfertigt, obwohl sie vielen vor dem Börsengang zu optimistisch erschienen sei. Die Investoren, die Facebooks Pläne verstanden und an ihre erfolgreiche Umsetzung geglaubt hätten, würden nun belohnt. „Selbst auf dem Höhepunkt des Hypes um den Börsengang waren Facebooks Bewertungen stets durch verlässliche Zahlen und realistische kurz- bis mittelfristige Projektionen gerechtfertigt“, bilanziert er.

Investoren machten derzeit Jagd auf Wachstumstitel, bevorzugten aber noch immer andere Sektoren wie etwa Konsumgüter, in denen das Wachstum stabiler und sicherer sowie die Geschäftsmodelle einfacher zu verstehen seien. Das führe in diesen Sektoren zu einem überfüllten und überbewerteten Markt. Obwohl auch Technologieaktien von der erhöhten Nachfrage profitierten, schreckten indes noch immer viele Investoren vor der hohen Komplexität des Sektors zurück, so erklärt er: „Technologietitel verlangen den Investoren genaue Kenntnis der jeweiligen Technologien und Märkte ab, um gute Geschäftsmodelle von schlechten zu unterscheiden.“

Ohne Frage seien einige Bereiche des Technologiesektors überbewertet. So nähmen die etablierten Unternehmen aus dem Silicon Valley Milliarden für den Erwerb von Start-Ups in die Hand, die über keinerlei stabile Umsätze, geschweige denn Gewinne verfügten. Auch bei aussichtsreichen Firmen mit spannenden Geschäftsmodellen seien die aktuellen Kurse mitunter durch nichts gerechtfertigt, so zum Beispiel bei der amerikanischen Immobiliendatenbank Zillow. „Solche Übertreibungen gibt es in allen Sektoren“, relativiert Hawtin. „Sie beweisen letztlich nur, dass Investoren die Kennzahlen genau analysieren und Unternehmen meiden sollten, die unrealistisch bewertet sind.“

Allen, die weitere Beweise suchen, dass sich die Dotcom-Blase so bald nicht wiederholen wird, rät Hawtin, einen Blick in die Statistiken werfen. Das Wall Street Journal berichtete Ende Oktober, dass 1999 insgesamt 368 US-Unternehmen im Tech-Sektor an die Börse gegangen seien – in diesem Jahr jedoch erst 32. Damals vergingen zwischen Gründung und Börsengang etwa vier, heute im Schnitt 13 Jahre. Auch ein Blick auf das durchschnittliche Kurs-Umsatz-Verhältnis mache deutlich, dass die Bewertungen heute weitaus moderater seien: Aktuell liege es bei 5,6, während es sich 1999 auf 26,5 belief.

„Ein Symptom der Übertreibungen der Dotcom-Ära waren die außergewöhnlichen Gewinne, mit denen Investoren bei den Börsengängen belohnt wurden“, erklärt der Fondsmanager. 1999 verdoppelten insgesamt 114 frisch an die Börse gegangene Technologiefirmen ihren Wert noch am ersten Handelstag. „Dieses Kunststück gelang dieses Jahr nur einer Aktie, die mit dem Technologiesektor wenig zu tun hat“, bemerkt Mark Hawtin. Die Aktie von Sprouts Farmers Market, einer amerikanischen Kette kleiner Supermärkte, die auf frische und gesunde Lebensmittel spezialisiert ist, verzeichnete am Tag ihres Börsengangs Gewinne von 102 Prozent, das Kurs-Gewinn-Verhältnis stieg damit auf 84. „Manche würden das eine Blase nennen“, stellt Hawtin fest.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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