Keine Deflation in der Eurozone
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Rotterdam (BoerseGo.de) – Fallende Preise hatten die 1990er Jahre in Japan zu einem „verlorenen“ Jahrzehnt gemacht. Das Risiko einer Deflation ist potenziell ein Problem, da Verbraucher bei fallenden Preisen mit dem Kauf von Gütern warten, in der Annahme, dass diese noch billiger werden. Dadurch besteht die Möglichkeit, dass das Wirtschaftswachstum gebremst wird und zur Deflation ein rezessives Umfeld hinzukommt. Für Léon Cornelissen, Chefvolkswirt von Robeco, sprechen aktuell jedoch verschiedene Gründe gegen eine lang anhaltende Deflation in der Eurozone, die der in Japan ähnelt: „Der wirtschaftliche Aufschwung, die Entschlossenheit der politisch Verantwortlichen und eine gänzlich andere Kultur sind drei Faktoren, die zusammen eine Deflation in der Eurozone äußerst unwahrscheinlich machen”, so der Ökonom in seinem aktuellen Ausblick für Anleger. „Zudem gibt es in den südlichen Peripherieländern einen Aufschwung. Deshalb ist es schwer vorstellbar, wie eine sich beschleunigende europäische Wirtschaft in eine Deflationsfalle tappen sollte.”
Ironischerweise ist das Deflationsrisiko weitgehend auf den Erfolg des Euros in der letzten Zeit zurückzuführen: Der Euro hat seit Mitte 2012 gegenüber anderen wichtigen Währungen um fast 13 Prozent aufgewertet. Zweifellos verdichten sich die Hinweise auf eine Deflation. So geht aus Zahlen vom 7. Januar hervor, dass die auf das Jahr hochgerechnete Teuerungsrate nach 0,9 Prozent (November 2013) auf 0,8 Prozent (Dezember 2013) zurückgegangen ist. Die Kerninflationsrate fiel im Dezember auf einen Rekordtiefstand von 0,7 Prozent, was auf einen langsameren Preisanstieg (Inflationsrückgang) und nicht auf eine gefährlichere Deflation hinweist, bei der die Preise tatsächlich fallen. „Auch wenn einige Beobachter anmerken, Europas Aufschwung würde sich noch nicht selbst tragen und ein Rückfall in eine Rezession wäre angesichts der anhaltenden Sparmaßnahmen wahrscheinlich – dem ist nicht so“, entgegnet Cornelissen. „Wahrscheinlicher ist, dass die Zielvorgaben für die Rückführung der Haushaltsdefizite und den Schuldenabbau erneut verschoben werden, bis die Volkswirtschaften der Eurozone wieder ganz auf dem richtigen Kurs sind.”
Ein weiterer Aspekt ist die Entschlossenheit der Politik und der Aufsichtsbehörden. „EZB-Präsident Mario Draghi hat deutlich gemacht, dass er die Deflationsrisiken erkannt hat und bereit ist, gegen sie vorzugehen”, so Cornelissen. Die Inflationsrate liegt bereits deutlich unter der Zwei-Prozent-Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) und Draghi habe betont, dass diese nicht dauerhaft unter ein Prozent „und damit in die ‚Gefahrenzone‘ absinken darf.” Cornelissen weiter: „Da sich die Zinssätze in der Eurozone auf null zubewegen, ist dies ein klares Signal für die Bereitschaft der EZB, wenn nötig unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen zu ergreifen, entsprechend Druck auf den Euro-Wechselkurs auszuüben und die Deflationsrisiken einzudämmen.”
Daneben unterstreicht Cornelissen die kulturellen Unterschiede zwischen Europäern und Japanern: „Die lang anhaltende Stagnation in Japan lässt sich teilweise aus dem ungewöhnlich starken Konsensbedürfnis der japanischen Gesellschaft erklären, die bereit war, für das Wohl der Nation Opfer zu bringen. Ein solcher Stoizismus ist in der Eurozone unwahrscheinlich.” Für Cornelissen liegt die wirkliche Deflationsgefahr in „dem langsamen, ungenügenden und unbefriedigenden Fortschritt in Richtung einer echten Bankenunion in der Eurozone. Das ist ein Rezept für langsames Wachstum.” In einem solchen Szenario werde es nicht gelingen, die Verbindung zwischen schwachen Banken und schwachen Staaten zu durchbrechen. „Allerdings ist der europäische Bankensektor generell in besserer Verfassung als der japanische. Die ungesunde Nachsicht mit schwachen Banken und Staaten innerhalb der Eurozone ist unserer Meinung nach ein eher langfristiges Problem für die Währungsunion. Dieser Aspekt gerät durch die anhaltende Erholung in den Hintergrund und reicht deshalb nicht aus, um den gemeinsamen Währungsraum in eine mit japanischen Verhältnissen vergleichbare Deflation hineinzuführen”, erläutert Cornelissen.
Robeco bevorzugt zum Jahresbeginn 2014 weiterhin Aktien und geht derzeit nicht davon aus, dass die Bewertungen 2014 zu einem größeren Hindernis für den Aktienmarkt werden könnten. Die Erfahrung zeige, dass die aktuellen Bewertungsniveaus kurzfristig kein signifikantes Risiko für Kursrückgänge darstellen, obwohl eine Korrektur im Rahmen des Möglichen bleibe. Für ebenfalls attraktiv hält Robeco High Yield Bonds; im Umfeld niedriger, aber steigender Zinsen bleiben sie im Vergleich zu anderen Assetklassen interessant. Hinsichtlich Schwellenländeranleihen (Emerging Markets Debt, EMD) ist das Asset-Allokation-Team weiter neutral eingestellt.
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.