Kommentar
19:21 Uhr, 28.01.2016

Kehrtwende: Goldman mag nicht mehr auf Inflation wetten

Bereits nach wenigen Wochen im neuen Jahr streicht Goldman Sachs einen seiner Top Trades für das Jahr 2016. Der Top Trade setzte auf steigende Inflationserwartungen. Diese brechen nun aber weiter ein.

Am Ende eines jeden Jahres präsentieren Investmentbanken ihre Top Trades für das Folgejahr. Goldman hatte einige interessante Pfeile im Köcher. Dazu zählte auch eine weitere Aufwertung des Dollars oder eine Outperfromance von großen US Banken gegenüber dem S&P 500. Für viele Trades ist es zu früh, um sie für erfolgreich oder gescheitert zu erklären, doch für den Inflationstrade nimmt Goldman Sachs dem Markt das Urteil ab. Sie erklären den Trade für nicht mehr sinnvoll. Das ist wahrscheinlich ein Fehler.

Der Inflationstrade sollte auf die Differenz zwischen 10-jährigen US Staatsanleihen und 10-jährigen inflationsgebundenen Anleihen setzen. Die Differenz entspricht der langfristigen Inflationserwartung. Diese erreichte Ende 2015 ein Tief bei weniger als 1,4 %. Goldman Sachs Idee folgend sollte sie auf 2 % steigen. Daraus dürfte der Einschätzung der Investmentbank nun 2016 nichts werden.

Die Inflationserwartungen sinken tatsächlich immer weiter. Grafik 1 zeigt wieso das so ist. Dargestellt sind der Ölpreis, die Inflationsrate und die Inflationserwartungen. Die Inflationserwartungen bewegen sich parallel zum Ölpreis. Die Inflationsrate selbst bewegt sich ebenfalls parallel zum Ölpreis, wobei beide Zeitreihen zeitlich versetzt verlaufen. Sinkt der Ölpreis heute, dann sinkt die Inflation nicht im vollen Umfang sofort. Bis sich niedrigere Energiepreise im gesamten Warenkorb widerspiegeln, vergehen für gewöhnlich 4 bis 6 Monate.

Der Ölpreis fällt nun seit Sommer 2015 wieder. Ob eine Stabilisierung im Bereich von 30 Dollar gelingt, ist noch unklar. Selbst wenn sich der Ölpreis bei 30 Dollar stabilisiert, macht sich das nicht vor Mitte 2016 in der Inflationsrate bemerkbar. Diese stieg gegen Jahresende 2015. Das geschah 6 Monate nach der Rallye der Ölpreise im Frühsommer. Da der Ölpreis in der zweiten Jahreshälfte wieder fiel, sollte auch die Inflationsrate wieder sinken – und zwar voraussichtlich bis Mitte 2016.
Der Markt geht von weiter fallender Inflation aus. Das macht angesichts der fallenden Ölpreise auch Sinn. Die Inflationsrate ist stark vom Ölpreis abhängig, aber sie ist nicht allein auf Energiepreise zurückzuführen. Grafik 2 zeigt die Inflationserwartungen, die Inflationsrate und die Kerninflation (exkl. Nahrungsmittel und Energie).

Die Kerninflation stieg fast das gesamte Jahr 2015 über, von 1,6 % auf 2,1 %. Sobald nun Energiepreise nicht mehr sinken und einen negativen Einfluss auf die Inflationsrate haben, nähert sich die Inflationsrate schnell der Kerninflation an. Stabilisieren sich die Energiepreise innerhalb des ersten Quartals 2016, dann haben wir in den USA Ende des Jahres eine Inflationsrate von 2 %.

Der Markt geht momentan davon aus, dass eine Inflationsrate von 2 % nicht vor 2020 erreicht wird. Um das so eintreffen zu lassen, dürften die Energiepreise keinesfalls steigen, sondern müssten weiterhin leicht sinken. Nun kann man sich bei rekordtiefen Preisen vorstellen wie realistisch das ist.

Beobachter erwarten von der US-Notenbank, dass sie die Zinsen wegen der niedrigen Teuerungsrate in diesem Jahr kaum noch anheben wird. Die Notenbank achtet jedoch weniger auf die Inflationsrate als auf die Kerninflation. Hier zeigt sich ein Aufwärtstrend. Sie wird aufgrund der Preisentwicklung kaum ihre Zinserhöhungen aussetzen.

Die Inflationserwartungen kann die Notenbank kaum beeinflussen. Das muss sie auch gar nicht. Sobald der Ölpreis nicht mehr fällt, stabilisiert sich die Erwartung von ganz alleine. Steigt dann die Inflation gegen Ende 2016 rasch auf 2 %, dann werden die Inflationserwartungen von ganz alleine Richtung 2 % oder sogar 3 % marschieren.

Für Anleger hat das zwei Konsequenzen: einerseits sollten sie nicht darauf setzen, dass die Inflation wirklich bis 2020 unter 2 % bleibt und sie sollten wegen der aktuell niedrigen Inflationserwartungen auch nicht darauf setzen, dass die Zinserhöhungen ausgesetzt werden. Persönlich kann ich mir gut vorstellen, dass Goldman Sachs den Misserfolg des Inflationstrades zu früh ausgerufen hat.

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3 Kommentare

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  • bembes
    bembes

    Der Ölpreis ist in den lezten zwei wochen bereits um knapp 20 % gestiegen.....So wird es schon weiter gehen. Die Inflation wird kommen, so sicher wie das Amen in der Kirche.

    07:30 Uhr, 29.01. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Sascha Huber
    Sascha Huber Experte für Kryptowährungen

    Guter Artikel, das würde ich so unterschreiben. Ich bin zwar auch noch nicht ganz sicher ob wir die Tiefs im Ölpreis schon gesehen haben, aber wir sind m.E. definitiv nah an den Tiefs dran. Und schon eine Stabilisierung des Ölpreises dürfte reichen, um die Inflation nach oben zu treiben!!

    19:36 Uhr, 28.01. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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