Fundamentale Nachricht
10:38 Uhr, 16.02.2017

Kapitalschutz wird wichtiger

In diesem außergewöhnlichen Konjunkturzyklus haben Investoren MFS-Chefinvestmentstratege James Swanson zufolge hohe Gewinne gemacht. Kurzfristig noch mehr zu verdienen, könnte seiner Meinung nach jedoch schwierig werden.

Erwähnte Instrumente

  • Dow Jones
    ISIN: US2605661048Kopiert
    Kursstand: 20.611,86 Pkt (NYSE) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Boston (GodmodeTrader.de) - Seit den US-Wahlen im letzten Herbst waren die Anleger wie elektrisiert, doch nach meiner Erfahrung haben Präsidentenwechsel einem in die Jahre gekommenen Konjunkturzyklus noch nie neues Leben eingehaucht. Der derzeitige Aufschwung wird jetzt acht Jahre alt. Zum Vergleich: Im Schnitt dauerten Konjunkturzyklen in den USA fünf Jahre, und der längste Zyklus aller Zeiten gerade einmal zehn, wie MFS-Chefinvestmentstratege James Swanson in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

In den letzten Monaten habe sich das Weltwirtschaftswachstum etwas beschleunigt. Es gebe aber wenig Anzeichen dafür, dass dies mehr sei als ein kurzfristiges Zwischenhoch, in einem Zyklus mit vielen Auf und Abs. In den USA stiegen die Realeinkommen weniger stark und die Gewinnmargen gingen zurück. Hinzu kämen einige schwache Frühindikatoren, heißt es weiter. Swanson meint deshalb, dass Investoren über den Schutz ihres Kapitals nachdenken sollten – für den Fall, dass der Konjunkturzyklus plötzlich endet.

„Ist der fast achtjährige Anstieg der Aktienkurse und der Bewertungen gerechtfertigt? Eindeutig ja. Seit März 2009 verzeichnete der S&P 500 Index etwa 250 Prozent Gesamtertrag, vor allem aus zwei Gründen: erstens wegen der weltweit extrem lockeren Geldpolitik nach der Bankenkrise, durch die die Erträge sicherer Anlagen so niedrig wurden, dass risikoreichere Titel plötzlich wesentlich attraktiver schienen als sonst. Und zweitens wegen der gestiegenen Gewinnmargen - die in diesem Konjunkturzyklus etwa 80 bis 90 Prozent höher waren als im Langfristdurchschnitt - und der höheren Cashflows“, so Swanson.

Aber beides könnte schon bald zu Ende gehen. Die Notenbanken würden weniger expansiv. Die Fed befinde sich in einem Zinserhöhungszyklus, und es steige der Druck auf die Europäische Zentralbank und andere, ihr Quantitative Easing zu verringern. Die Gewinnmargen gingen zurück, weil internationale Unternehmen aufgrund der zurzeit wenig globalisierungsfreundlichen Politik weniger stark auf billige ausländische Arbeitskräfte zurückgriffen. Hinzu kämen steigende Kapitalkosten, da die Zinsen stiegen. Wegen niedriger Investitionen hätten sich die Gewinnmargen zwar einigermaßen gehalten, doch schwäche dies auch den zukünftigen Produktivitätsanstieg. Die Bilanzen grundsolider Unternehmen hätten sich zuletzt verschlechtert, da Fremdkapitalquote und Schuldendienstdeckungsgrad auf ein Niveau gestiegen seien, wie wir es letztmals vor dem Höhepunkt des US-Immobilienzyklus im Jahr 2007 hatten. All dies lasse Zweifel aufkommen, ob die Unternehmen ihre Gewinne tatsächlich so stark steigern könnten, dass die derzeit sehr hohen Bewertungen gerechtfertigt seien, heißt es weiter.

„Natürlich könnten Aktien weiter steigen, aber die Investorenerträge hängen sehr stark vom Einstiegszeitpunkt ab. Wer jetzt, bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 21 (gemessen an den Gewinnen der letzten zwölf Monate) in den S&P 500 einsteigt, hat nur einen kleinen Puffer, wenn die derzeitige Euphorie nachlässt. Noch deutlicher wird dies, wenn man das durchschnittliche KGV der letzten 40 Jahre betrachtet, das nahe 16 liegt. Small Caps und Substanzwerte sind sogar noch teurer. Ihre KGVs nähern sich Allzeithochs“, so Swanson.

In der Vergangenheit seien die Erträge meist niedrig gewesen, wenn man Aktien zu überdurchschnittlichen Bewertungen gekauft habe. Hinzu komme, dass der durchschnittliche Aktienpreisrückgang während einer Rezession nach Angaben von Ned Davis Research 24 Prozent betrage (seit dem letzten Höchststand). Manchmal fielen die Kurse sogar noch stärker. Während der internationalen Finanzkrise habe der S&P 500 fast 57 Prozent nachgegeben, bis er im März 2009 seinen Tiefststand erreicht habe, heißt es weiter.

„Wie eingangs gesagt, setzte der Markt in diesem Herbst zu einem Aufschwung an, als sich der Weltwirtschaftsausblick verbesserte. Als dann ein neuer US-Präsident gewählt wurde, der eine Reflationspolitik mit Steuersenkungen, Infrastrukturausgaben und aufsichtsrechtlichen Reformen ankündigte, beschleunigte sich die Kursrallye weiter. Eine meiner größten Sorgen ist aber, dass die Marktteilnehmer zurzeit vom besten aller denkbaren Szenarien ausgehen und die vielen Risiken ausblenden, während sie die Reflationsgeschichte nur zu gerne glauben. Auch Präsident Trump muss sich damit abfinden, dass in Washington die Mühlen bestenfalls langsam und schlechtestenfalls überhaupt nicht mahlen“, so Swanson.

Selbst wenn ein Gesetz verabschiedet sei, könne es Monate oder Jahre dauern, bis die Infrastrukturprojekte tatsächlich in Gang kämen - denn sie erforderten langwierige Genehmigungsverfahren und Umweltverträglichkeitsprüfungen. Das schwäche die Stärkung der Konjunktur. Da der Kongress alle zwei Jahre neu gewählt werde, habe der neue Präsident realistisch gesehen nur etwa 18 Monate Zeit, um seine wichtigsten Gesetzesvorhaben durchs Parlament zu bringen. Danach beschäftigten sich die Mitglieder des Repräsentantenhauses mit ihrer Wiederwahl, was das politische System weiter bremse. An den Märkten scheine man aber damit zu rechnen, dass große Konjunkturprogramme bereits in diesem Jahr wirkten, heißt es weiter. „Ich glaube, dass man sie erst später spürt - und auch nicht so stark wie die Kurse glauben machen“, so der MFS-Chefinvestmentstratege.

Es sei nicht einfach, das Ende eines Konjunkturzyklus zu prognostizieren. Es gebe aber eine Reihe von Warnsignalen, auf die er achte und die zurzeit, wenn auch in unterschiedlichem Maße, relevant seien. Dies seien: 1. abnehmende Gewinnmargen und abnehmender Anteil der Gewinne am BIP, 2. deutlich mehr Fusionen und Übernahmen, 3. steigende Zinsen, 4. ein starker US-Dollar, 5. eine „Story‘‘, die trotz nachlassender Fundamentaldaten ein Andauern des Zyklus rechtfertigt, 6. mangelnde private Investitionen und 7. ein deutlicher Anstieg der Unternehmens- und Verbraucherkredite. „Ich kann nicht prognostizieren, ob der Markt 2017 steigt oder fällt. Angesichts der äußerst hohen Bewertungen sollten sich Investoren aber vielleicht mit dem Thema Kapitalschutz befassen. In diesem außergewöhnlichen Konjunkturzyklus hat man viel verdient. Kurzfristig noch mehr zu verdienen, könnte aber schwierig werden“, so Swanson.

Passende Produkte

WKN Long/Short KO Hebel Laufzeit Bid Ask
Keine Ergebnisse gefunden
Zur Produktsuche

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

Mehr Experten