Kommentar
06:12 Uhr, 23.05.2016

Kann eine Notenbank wie die EZB pleite gehen?

Notenbanken weltweit beladen ihre Bilanzen mit Staatsanleihen, Unternehmensanleihen und teilweise auch Aktien. Das birgt hohes Verlustpotenzial, aber ist das überhaupt von Bedeutung?

Durch die immensen Bilanzausweitungen haben sich Notenbanken sehr viel Risiko in die Bilanzen geholt. Hohe Verluste können jederzeit auftreten. Bewiesen hatte das die Schweizer Nationalbank (SNB) im vergangenen Jahr. Sie erwirtschaftete einen Jahresverlust von gut 23 Mrd. Franken.

Die SNB konnte diesen Verlust absorbieren. Sie hatte in den Vorjahren hohe Rücklagen gebildet. Das Eigenkapital sank auf Jahressicht um gut 25 Mrd. Franken, doch unterm Strich hat die SNB nach wie vor ein bequemes Eigenkapitalpolster von 61 Mrd.

Nicht jede Notenbank hat so hohe Rücklagen. Die EZB wies für 2015 Eigenkapital von lediglich 7,7 Mrd. Euro aus. In der Bilanz schlummern allerdings hohe Risiken. Durch Wertpapierkäufe und Notkredite an Krisenländer wie Griechenland sind Anlagen von 150 Mrd. ausfallgefährdet. Bereits ein Verlust von 5 % auf diesen Anlagen kann das Eigenkapital komplett aufzehren.

Für die gesamte Eurozone sieht es nicht besser aus. Ein Großteil des Verlustpotenzials liegt nicht bei der EZB, sondern den einzelnen Notenbanken der Mitgliedsstaaten. Sie sind es, die die Staatsanleihen kaufen und in ihren Bilanzen halten. Inzwischen ist die kombinierte Bilanzsumme aller Notenbanken der Eurozone auf über 2 Billionen angewachsen. Auf 1,2 Billionen können hohe Verluste anfallen.

Den Anlagen steht Eigenkapital in Höhe von 97 Mrd. gegenüber. Das wirkt auf den ersten Blick nicht einmal so schlecht, doch das Eigenkapital wächst sehr viel langsamer als die Bilanzsumme. Die Bilanzsumme weitet sich durch die Anleihenkaufprogramme sehr schnell aus. Der Aufbau von Rücklagen kann da nicht Schritt halten.

Weder die EZB noch die einzelnen Notenbanken sind akut in Gefahr, ihr Eigenkapital zu verlieren. Geht man nun aber davon aus, dass ein Staat seine Anleihen nicht mehr bedienen kann und folglich bankrottgeht, dann ist das Eigenkapital verschwunden. Die Notenbank müsste negatives Eigenkapital ausweisen. In diesem Fall übersteigen die Verbindlichkeiten die Vermögenswerte.

Notenbanken können bankrottgehen, da die Verbindlichkeiten die Vermögenswerte übersteigen können. Das ist allerdings nicht wirklich relevant, da Notenbanken nicht insolvent sein können. Übersteigen die Verbindlichkeiten die Anlagen, dann sind herkömmliche Unternehmen insolvent. Sie haben keine Mittel mehr, um Verpflichtungen nachzukommen. Da sie keine Sicherheiten mehr haben, leiht ihnen auch niemand mehr Geld. Die Abwicklung des Unternehmens ist unausweichlich.

Bei Notenbanken ist das anders. Die Verbindlichkeiten können zwar größer als die Vermögenswerte sein, doch eine Insolvenz ist trotzdem nicht möglich. Notenbanken können einfach neues Geld erschaffen. Eine Zahlungsunfähigkeit kann daher nicht eintreten. Die EZB beschrieb das in einem Paper vor kurzem so: Zentralbanken sind vor der Insolvenz geschützt, weil sie Geld schaffen und dadurch auch mit negativem Eigenkapital operieren können. (Nachlesen lässt sich diese Einschätzung der EZB in ihrer Publikation auf Seite 14, Fußnote 7 : ).

Rein formal und technisch gesehen ist ein Bankrott möglich. Praktisch hat das keine Bedeutung, weil sie Notenbank im Notfall einfach mehr Geld druckt, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Das ist für Notenbanken eine sehr bequeme Ausgangslage, denn dieser Umstand ermöglicht es ihnen, unbegrenzt Risiken in ihre Bilanz aufzunehmen.

Spinnt man den Gedanken weiter, dann zeigt sich jedoch, dass Notenbanken trotz ihrer Sonderstellung nicht unbedingt wahllos Verluste anhäufen sollten. Gezeigt hat sich das weltweit immer wieder, sei es derzeit in Venezuela oder bis vor kurzem Argentinien, in Simbabwe oder in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg. Diesen Fällen war gemein, dass Notenbanken insolvente Staaten retteten. Sie übernahmen de facto die Schulden der Staaten, die nichts mehr wert waren (die Schulden entsprachen Verlusten, die die Notenbanken in ihre Bilanz aufnahmen) und druckten neues Geld, um die Verluste auszugleichen.

Die Folge war immer Hyperinflation, ein Zusammenbruch der Währung und letztlich eine Währungsreform. Das wäre heute auch in der Eurozone nicht anders, wenn es dazu kommt. Bis es dazu kommt, haben Notenbanken jedoch einen großen Spielraum. Solange sie die Verluste noch gegenrechnen können, ist Hyperinflation nicht der einzige Ausweg.

Notenbanken haben ein bestimmtes Ertragspotenzial. Die Deutsche Bundesbank erwirtschaftet derzeit etwas über 3 Mrd. an Gewinn pro Jahr. Weist sie nun – aus welchem Grund auch immer – negatives Eigenkapital von 15 Mrd. aus, dann ist das angesichts der Ertragslage nicht sonderlich kritisch. Sie kann die Verluste über einen Zeitraum von mehreren Jahren wieder ausgleichen.

Weist die Bundesbank nun jedoch einen Verlust von 200 Mrd. aus, dann ist es absolut unrealistisch, dass sie diesen Verlust jemals wieder über die jährlichen Erträge kompensieren kann. Die Folge ist der Ausgleich der Verluste über die Notenpresse. Das führt dann am Ende zu hoher Inflation.

Auch wenn Notenbanken niemals insolvent sein können, betreiben Notenbanken derzeit trotzdem ein kritisches Spiel. Gehen die Staaten, von denen sie Anleihen halten, bankrott, dann übersteigen die Verluste rasch das Eigenkapital und das langfristige Ertragspotenzial der Notenbanken. Die Folge ist letztlich hohe Inflation.

Es muss nicht unbedingt auf hohe Inflation hinauslaufen. Es kann schließlich alles gutgehen. Geht jedoch nicht alles gut und wie geplant, dann stehen die Währungsräume, in denen die Notenbanken ihre Bilanzen aufgebläht haben, vor hoher Inflation. Der Markt muss lediglich das Vertrauen in die Notenbank und die Staatsfinanzen verlieren und schon kommt ein Stein ins Rollen, der sich nicht mehr aufhalten lässt. Notenbanken vollziehen eine sehr schwierige Gratwanderung

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21 Kommentare

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  • Garten
    Garten

    Sorry: Krugman hat in seinem Blog dargelegt, dass in den USA Phasen der Inflation zu einer Umverteilung des Volkseinkommens von oben nach unten führte

    11:58 Uhr, 23.05.2016
  • Garten
    Garten

    Zur Inflation ist es ein weiter Weg, ich empfinde den Artikel als Versuch der gewöhnlichen Verblödung des Volkes (Propanganda). Gegen die Notenbanken. gegen die Bürger pro Rentiers.

    Es wird zu wenig konsumiert, weil breite Schichten der Bevölkerung in den Industrieländern verarmen. Wir haben Deflation. Die Notenbanken versuchen die Nachfrageschwäche der Bürgen zu kompensieren. Letztlich ist auch Helikoptergeld eine gute Sache wenn Deflation droht. Gott sei dank haben wir die Notenbanken. Besser wäre eine Stärkung der Nachfrage der Bürger sprich eine Umverteilung von oben nach unten.

    Krugman hat in seinem Blog dargelegt, dass in den USA Phasen der Inflation zu einer Umverteilung des Volkseinkommens von unten nach oben führte.

    11:56 Uhr, 23.05.2016
    1 Antwort anzeigen
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    Interessanter finde ich die These von Faber: Wenn es zum Totalabsturz der Börsen kommt, wird die Notenbank alles aufkaufen. Merke: Die BoJ ist bereits min. Top10 Aktionär bei ALLEN Nikkei-AG's. Insofern ist das kein unwahrscheinliches Szenario. Das würde bedeuten, dass die "schlechte Währung" in harte Assets = Unternehmen geswitched wird. Diesen Gedanken muss man mal weiterführen. Ich denke noch ;-). Die Notenbanken wären dann Groß-Aktionäre der Welt-AG.

    09:14 Uhr, 23.05.2016
    1 Antwort anzeigen
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    Die Pleite der Notenbank drückt sich letztlich in das wegbrechende Vertrauen in der Währung aus. Das geht im Extremfall soweit, dass keiner mehr die Zahlung in der entsprechenden Währung akzeptiert.

    09:11 Uhr, 23.05.2016
  • bembes
    bembes

    Eine hohe Inflation ist ja gar nicht schlimm.....das wünschen sich Draghi und Co. ja momentan !!!!!!

    07:01 Uhr, 23.05.2016
    1 Antwort anzeigen
  • P_44
    P_44

    Das ist ja alles schön und gut - aber ich hätte mal gerne eine Handlungsempfehlung für den Fall, dass es zu einer Währungsreform kommt.

    Natürlich habe ich von der Weltwirtschaftskrise und von der Währungsreform gelesen. Aber miterlebt habe ich es noch nicht, auch kenne ich nicht alle Details. Es wäre aber gut, mehr darüber zu wissen, wenn so etwas nun vermutlich in absehbarer Zeit wieder passieren wird.

    20:04 Uhr, 21.05.2016
    2 Antworten anzeigen
  • gehackDAX
    gehackDAX

    Herr Schmale, vielen Dank für den guten und ausführlichen Artikel!

    Ich nenne es, das nie endende Spiel der Notenbanken.

    Die Welt benötigt ein neues Geldsystem!!!

    12:42 Uhr, 21.05.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Marco Soda
    Marco Soda

    Trat gestern Abend die BOJ auf die Bremse ??

    10:14 Uhr, 21.05.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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