Kommentar
08:53 Uhr, 22.12.2015

Kann die Zinsenwende gelingen? Teil I

Der Markt weiß noch nicht, was er von der US Zinswende halten soll. Überraschend kam sie nicht. Mit jahrelanger Ankündigung hatte der Markt eigentlich genug Zeit Überlegungen anzustellen, wie man damit umgehen will.

Der Markt weiß nicht, was er tun soll. Die Notenbank hat allerdings erst einmal ganz andere Probleme als dem Markt bei der Entscheidungsfindung zu helfen.

Im Vorfeld der Zinswende arbeitete die US Notenbank lange Zeit daran, eine Lösung zu finden wie sie die Zinsen überhaupt anheben kann. In normalen Zeiten muss eine Notenbank gar nicht darüber nachdenken wie sie die Zinsen anhebt oder senkt. Sie tut es einfach. Die Zentralbank bestimmt über die zur Verfügung stehende Liquidität und kann deren Preis festlegen.

Banken müssen gewisse Reserveanforderungen erfüllen. Reserveanforderungen bestimmen wie viel Geld Banken als Reserve bei der Zentralbank halten müssen. Banken mit Überschussliquidität leihen anderen Banken mit Engpässen kurzfristig diese Reserven gegen einen Zinssatz, sodass auch jene Banken mit Engpässen die Anforderungen erfüllen können.

Während der Finanzkrise stockte der Interbankenmarkt. Die Notenbank sprang ein. Gleichzeitig fluteten die Anleihenkäufe der Notenbank das System mit Liquidität. Es besteht derzeit überhaupt keine Knappheit an Liquidität. Die Überschussliquidität könnte nur abgeschöpft werden, indem die Notenbank ihren Bestand an Anleihen massiv reduziert, was sie derzeit nicht tun will.

Wie kann die Notenbank in einem System die Zinsen kontrollieren, wenn sie nur geringe Kontrolle über die Liquidität hat? Wie garantiert sie, dass sich Banken gegenseitig Geld zu einem von der Notenbank festgelegten Mindestzins leihen? Und wie garantiert die Notenbank, dass sich z.B. Geldmarktfonds ebenfalls an diesen Mindestzinssatz halten?

Die Notenbank bedient sich zweier Instrumente, um ihr Ziel zu erreichen und zu garantieren, dass der von ihr festgelegte Zinssatz nicht unterschritten wird. Das erste Instrument ist der Zinssatz auf Überschussreserven. Hat eine Bank mehr Reserven als sie zu halten verpflichtet ist, dann kann sie dieses Geld anderen Banken leihen. Dies kann sie zu einem mehr oder minder beliebigen Zinssatz tun. Damit dieser Zinssatz nicht beliebig und unter dem Zielzinssatz der Notenbank ist, bietet die Notenbank einen Zinssatz auf diese Überschussreserven an.

Die Notenbank zahlt für Überschussreserven, die bei ihr geparkt werden, ihren Zielzinssatz. Banken können ihre Überschussreserven bei der Zentralbank parken und erhalten diesen Zinssatz. Sie erhalten ihn zudem risikolos. Viel sicherer als Geld bei der Zentralbank zu halten geht nicht. Will eine Bank ihre Überschussreserven nun anderen Banken zur Verfügung stellen, dann wird sie dies zu einem höheren Zinssatz tun als zu dem Zinssatz, den die Notenbank bietet.

Es würde für die Bank keinen Sinn machen ihr Geld einer anderen Bank für geringere Zinsen zu leihen als die Notenbank anbietet. Die Ausleihung an andere Banken ist mit Risiko behaftet. Einen geringeren Zinssatz für höheres Risiko zu verlangen macht überhaupt keinen Sinn. Daher kann die Notenbank mit dem Zinssatz auf Überschussreserven den Zinssatz im Interbankenmarkt steuern.

Neben Banken sind auch Geldmarktfonds wichtige Akteure im Markt, die Einfluss auf die Zinsen haben. Banken haben keinen Anreiz Geld zu einem geringeren Zinssatz zu verleihen als zu dem von der Notenbank vergebenen. Geldmarktfonds sind keine Banken und erhalten daher auch kein Geld für Überschussreserven. Wegen der hohen Liquidität im System kann es sein, dass Geldmarktfonds Geld zu einem Zinssatz verleihen, der unterhalb des Zielbandes der Notenbank liegt. Das würde dann die Bemühungen konterkarieren den Zinssatz anzuheben.

Die Notenbank hat aus diesem Grund beschlossen sogenannte Reverse Repurchases (RRP) zu tätigen. Die Notenbank leiht sich dabei Geld von den Geldmarktfonds über Nacht zu ihrem Zielzinssatz. Geldmarktfonds erhalten diesen Zinssatz garantiert und ohne Risiko. Sie haben also keinen Anreiz ihr Geld zu geringeren Zinsen anderweitig zu verleihen. Die RRP sind de facto das, was für Banken der Zinssatz für Überschussreserven sind.


Grafik 1 zeigt das Volumen der RRP und den Zinssatz, den die Notenbank bietet. Momentan kann man noch wenig über den Erfolg des Programms sagen. Das Volumen ist weder auffällig hoch, noch auffällig niedrig. Die Notenbank zahlt für RRP derzeit 0,25% Zinsen, was der unteren Begrenzung ihres Zielbandes von 0,25% bis 0,5% entspricht.

Derzeit sieht es so aus, als ob die Notenbank mit der Anhebung der kurzfristigen Zinsen Erfolg haben wird. Ist deswegen gleich die ganze Zinswende ein Erfolg?

Die Zinswende wird ein Erfolg, wenn sie zwei Dinge erreicht: steigende kurzfristige Zinsen ohne die Wirtschaft abzuwürgen und steigende langfristige Zinsen, um für Stabilität im Finanzmarkt zu sorgen bevor Spekulationsblasen entstehen. Ob die Notenbank mit der Anhebung der kurzfristigen Zinsen die Wirtschaft abwürgt, kann man erst mit großer zeitlicher Verzögerung feststellen. Momentan scheint die US Wirtschaft jedoch stabil und stark genug, um den bisher eher symbolischen Schritt zu verkraften.

Kredite für Verbraucher und Unternehmen dürften minimal teurer werden. Ein Anstieg der Kreditkosten von 0,5% bis 1% innerhalb der nächsten 12 Monate erscheint verkraftbar. Bei diesen Krediten handelt es sich jedoch lediglich um einen kleinen Teil des Kreditmarktes, der nicht allein ausschlaggebend für die Wirtschaft und die Finanzstabilität ist. Viel wichtiger als die Zinsen für einen kurzfristigen Kredit sind die Langfristzinsen. An ihnen hängt die Finanzstabilität und hier ist von einem Erfolg der Zinswende bisher sehr wenig zu spüren. Den Zinssatz anzuheben ist nur ein kleiner Teil, der den Erfolg der Wende bestimmt. Viel wichtiger noch als die technische Umsetzung ist das, was der Markt daraus macht. Die Signale sind hier derzeit nicht ermunternd.

Mehr dazu in Teil II des Artikels.

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12 Kommentare

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  • Marco Soda
    Marco Soda

    das Ergebnis einer Zinserhöhung auf 3/4 %

    Dies würde auch die Staatshaushalte entlasten und Geld in die Kassen der Arbeitnehmer (Nachfrage) spülen.

    sehe ich aber ganz anders für beide Staat und AN

    12:02 Uhr, 22.12. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • Garten
    Garten

    Die Zinserhöhung dient ja allgemein dazu die Konjunkturlage zu schwächen um eine Vollbeschäftigung und damit gewinnschmälernde Lohnerhöhungen zu vermeiden.

    Im Moment ist selbst in den USA die Zahl der Erwerbstätigen, wenn man die langfristige Entwicklung nimmt relativ niedrig.

    http://www.tradingeconomics.com/united-states/empl...

    In der Eurozone, China und den rohstoffexportierenden Ländern ist die Konjunktur ja ziemlich mau.

    Eine wirkliche Zinswende ist im Moment absolut unglaubwürdig und wird keiner ernsthaft anstreben.

    Die Inflationsrate ist bei Null und sollte um in Zukunft echte negative Zinsen und ein Bargeldverbot zu vermeiden erst mal auf 3/4 Prozent ansteigen.

    http://www.tradingeconomics.com/united-states/infl...

    Dies würde auch die Staatshaushalte entlasten und Geld in die Kassen der Arbeitnehmer (Nachfrage) spülen.

    11:48 Uhr, 22.12. 2015
  • Marco Soda
    Marco Soda

    nee ick bin nur keener

    10:18 Uhr, 22.12. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • Marco Soda
    Marco Soda

    Märkte können lännger irrational sein als du Geld hast ;-))))

    09:19 Uhr, 22.12. 2015
    2 Antworten anzeigen
  • Weißer Ritter
    Weißer Ritter

    Die Theorie der Markteffizienz, die da meint, der Markt würde auf rein rationaler Basis die jeweils verfügbaren Informationen verarbeiten, hat schon was rührend naives. Seine Vertreter glauben möglicherweise auch noch an den Weihnachtsmann. Dabei weiß doch jeder, daß es an der Börse zumindest kurzfristig um Massenpsychologie geht und um nichts anderes. Oder es sollte doch wenigstens jeder wissen. Natürlich gibt es langfristige, rational getriebene Trends, aber die setzen sich eben immer nur langfristig und oft genug unter langen Umwegen durch. Also ein für alle mal: Es wird hier nichts in irgendwelchen Kursen zeitnah verarbeitet!

    09:17 Uhr, 22.12. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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